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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 47. Aussprüche des Römischen Rechts.
durch die bloße Anerkennung einer authentischen und usuel-
len noch gar Nichts entschieden.

Über die eigentliche Auslegung nun geben die alten
Juristen in den Digesten Regeln, die größtentheils schon
oben, in Verbindung mit der von mir aufgestellten Aus-
legungslehre, benutzt worden sind, indem diese Verbindung
zur gegenseitigen Ergänzung und Erläuterung dienen konnte.
Diese Regeln sind an sich gut, wie man sie von ihren
Urhebern erwarten kann, aber unzulänglich, und besonders
auf den eigenthümlichen Fall der Justinianischen Rechts-
bücher, den Jene nicht ahnen konnten, nicht berechnet. --
Vergleicht man mit dieser von ihnen aufgestellten Theorie
ihre eigene Praxis, so stimmt dieselbe nicht völlig damit
überein. Sie geht oft weit über die Gränzen wahrer
Auslegung hinaus, und nimmt den Character einer wah-
ren Fortbildung des Rechts an. Insbesondere geben sie
ausdehnende Erklärungen aus dem Grund des Gesetzes,
die nicht blos den Ausdruck berichtigen, sondern das Ge-
setz selbst verbessern sollen, was also nicht mehr Auslegung
ist: ja sie erweitern nach Analogie nicht selten auch ein
Jus singulare, obgleich dieses mit ihrem eigenen bestimmt
ausgesprochenen Grundsatz (§ 46) in geradem Widerspruch
steht (c). Diese Widersprüche erklären sich aus der eigen-

(c) So dehnten sie das Ver-
äußerungsverbot des fundus do-
talis
auf den Bräutigam aus.
L. 4 de fundo dot. (23. 5.). --
Desgleichen die freye Form des
Militärtestaments auf Civilper-
sonen in Feindes Land. L. un.
de B. P. ex test. mil.
(37. 13.).
-- Desgleichen die Competenz-
befugniß des Ehemannes auf die

§. 47. Ausſprüche des Römiſchen Rechts.
durch die bloße Anerkennung einer authentiſchen und uſuel-
len noch gar Nichts entſchieden.

Über die eigentliche Auslegung nun geben die alten
Juriſten in den Digeſten Regeln, die größtentheils ſchon
oben, in Verbindung mit der von mir aufgeſtellten Aus-
legungslehre, benutzt worden ſind, indem dieſe Verbindung
zur gegenſeitigen Ergänzung und Erläuterung dienen konnte.
Dieſe Regeln ſind an ſich gut, wie man ſie von ihren
Urhebern erwarten kann, aber unzulänglich, und beſonders
auf den eigenthümlichen Fall der Juſtinianiſchen Rechts-
bücher, den Jene nicht ahnen konnten, nicht berechnet. —
Vergleicht man mit dieſer von ihnen aufgeſtellten Theorie
ihre eigene Praxis, ſo ſtimmt dieſelbe nicht völlig damit
überein. Sie geht oft weit über die Gränzen wahrer
Auslegung hinaus, und nimmt den Character einer wah-
ren Fortbildung des Rechts an. Insbeſondere geben ſie
ausdehnende Erklärungen aus dem Grund des Geſetzes,
die nicht blos den Ausdruck berichtigen, ſondern das Ge-
ſetz ſelbſt verbeſſern ſollen, was alſo nicht mehr Auslegung
iſt: ja ſie erweitern nach Analogie nicht ſelten auch ein
Jus singulare, obgleich dieſes mit ihrem eigenen beſtimmt
ausgeſprochenen Grundſatz (§ 46) in geradem Widerſpruch
ſteht (c). Dieſe Widerſprüche erklären ſich aus der eigen-

(c) So dehnten ſie das Ver-
äußerungsverbot des fundus do-
talis
auf den Bräutigam aus.
L. 4 de fundo dot. (23. 5.). —
Desgleichen die freye Form des
Militärteſtaments auf Civilper-
ſonen in Feindes Land. L. un.
de B. P. ex test. mil.
(37. 13.).
— Desgleichen die Competenz-
befugniß des Ehemannes auf die
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[297/0353] §. 47. Ausſprüche des Römiſchen Rechts. durch die bloße Anerkennung einer authentiſchen und uſuel- len noch gar Nichts entſchieden. Über die eigentliche Auslegung nun geben die alten Juriſten in den Digeſten Regeln, die größtentheils ſchon oben, in Verbindung mit der von mir aufgeſtellten Aus- legungslehre, benutzt worden ſind, indem dieſe Verbindung zur gegenſeitigen Ergänzung und Erläuterung dienen konnte. Dieſe Regeln ſind an ſich gut, wie man ſie von ihren Urhebern erwarten kann, aber unzulänglich, und beſonders auf den eigenthümlichen Fall der Juſtinianiſchen Rechts- bücher, den Jene nicht ahnen konnten, nicht berechnet. — Vergleicht man mit dieſer von ihnen aufgeſtellten Theorie ihre eigene Praxis, ſo ſtimmt dieſelbe nicht völlig damit überein. Sie geht oft weit über die Gränzen wahrer Auslegung hinaus, und nimmt den Character einer wah- ren Fortbildung des Rechts an. Insbeſondere geben ſie ausdehnende Erklärungen aus dem Grund des Geſetzes, die nicht blos den Ausdruck berichtigen, ſondern das Ge- ſetz ſelbſt verbeſſern ſollen, was alſo nicht mehr Auslegung iſt: ja ſie erweitern nach Analogie nicht ſelten auch ein Jus singulare, obgleich dieſes mit ihrem eigenen beſtimmt ausgeſprochenen Grundſatz (§ 46) in geradem Widerſpruch ſteht (c). Dieſe Widerſprüche erklären ſich aus der eigen- (c) So dehnten ſie das Ver- äußerungsverbot des fundus do- talis auf den Bräutigam aus. L. 4 de fundo dot. (23. 5.). — Desgleichen die freye Form des Militärteſtaments auf Civilper- ſonen in Feindes Land. L. un. de B. P. ex test. mil. (37. 13.). — Desgleichen die Competenz- befugniß des Ehemannes auf die

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/353>, abgerufen am 28.11.2024.