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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 46. Rechtsquellen als Ganzes. Lücken. Analogie.
suchten Entscheidung erweitert werden (c). Die Formen,
unter welchen diese organische Erweiterung des Rechts
bewirkt wird, sind vorzüglich Fictionen (d) und utiles
actiones.
Dadurch wird zugleich der innere Zusammen-
hang des Neuen mit dem Alten gesichert, und so die
systematische Einheit des gesammten Rechts erhalten. Ein
Beyspiel, worin dieses Verfahren im Großen anschaulich
wird, ist die Bonorum possessio, die in ihrer völligen
Ausbildung ganz als eine Fiction der hereditas gedacht
werden muß (e). -- Auf das Bestimmteste aber erklären
sich die alten Juristen gegen die analogische Erweiterung
bey jedem Jus singulare (f). Diese allgemeine Verwerfung
wird auch im Einzelnen durch mehrere merkwürdige An-
wendungen bestätigt. Wer z. B. eine Sache von einem
Wahnsinnigen kauft, den er für vernünftig hält, hat ano-
malisch das Recht der Usucapion: man würde aber irren,

(c) L. 12 de Leg. (1. 3.) "ad
similia procedere" L. 27 eod.
"quae quandoque similes erunt."
L. 32 pr. eod. "quod proximum
et consequens ei est." L. 2
§ 18 C. de vet. j. enucl.
(1. 17.),
wo K. Hadrian sagt, die allmä-
lige Ergänzung des Edicts solle
geschehen "ad ejus regulas, ejus-
que conjecturas et imitationes."

-- Justinian selbst erwähnt diesen
Fall, nicht unter dem praetermis-
sum
in § 16 eod. (welches die weg-
gelassenen Stellen alter Juristen
sind), sondern unter den neuen
negotia in § 18. Wie er ihn
behandelt wissen will, wird unten
gezeigt werden.
(d) Vgl. besonders Gajus IV.
§ 10. § 33--38.
(e) Ulpian. XXVIII. § 12. L. 2
de B. P. (37. 1.). L. 117 de R.
J.
(50. 17.)
(f) L. 14 de Leg. (1. 3.) "Quod
vero contra rationem juris re-
ceptum est, non est producen-
dum ad consequentias"
(wie-
derholt in L. 141 pr. de R. J.).
L. 162 de R. J. (50. 17.). "Quae
propter necessitatem recepta
sunt, non debent in argumen-
tum trahi."

§. 46. Rechtsquellen als Ganzes. Lücken. Analogie.
ſuchten Entſcheidung erweitert werden (c). Die Formen,
unter welchen dieſe organiſche Erweiterung des Rechts
bewirkt wird, ſind vorzüglich Fictionen (d) und utiles
actiones.
Dadurch wird zugleich der innere Zuſammen-
hang des Neuen mit dem Alten geſichert, und ſo die
ſyſtematiſche Einheit des geſammten Rechts erhalten. Ein
Beyſpiel, worin dieſes Verfahren im Großen anſchaulich
wird, iſt die Bonorum possessio, die in ihrer völligen
Ausbildung ganz als eine Fiction der hereditas gedacht
werden muß (e). — Auf das Beſtimmteſte aber erklären
ſich die alten Juriſten gegen die analogiſche Erweiterung
bey jedem Jus singulare (f). Dieſe allgemeine Verwerfung
wird auch im Einzelnen durch mehrere merkwürdige An-
wendungen beſtätigt. Wer z. B. eine Sache von einem
Wahnſinnigen kauft, den er für vernünftig hält, hat ano-
maliſch das Recht der Uſucapion: man würde aber irren,

(c) L. 12 de Leg. (1. 3.) „ad
similia procedere“ L. 27 eod.
quae quandoque similes erunt.“
L. 32 pr. eod. „quod proximum
et consequens ei est.“ L. 2
§ 18 C. de vet. j. enucl.
(1. 17.),
wo K. Hadrian ſagt, die allmä-
lige Ergänzung des Edicts ſolle
geſchehen „ad ejus regulas, ejus-
que conjecturas et imitationes.“

— Juſtinian ſelbſt erwähnt dieſen
Fall, nicht unter dem praetermis-
sum
in § 16 eod. (welches die weg-
gelaſſenen Stellen alter Juriſten
ſind), ſondern unter den neuen
negotia in § 18. Wie er ihn
behandelt wiſſen will, wird unten
gezeigt werden.
(d) Vgl. beſonders Gajus IV.
§ 10. § 33—38.
(e) Ulpian. XXVIII. § 12. L. 2
de B. P. (37. 1.). L. 117 de R.
J.
(50. 17.)
(f) L. 14 de Leg. (1. 3.) „Quod
vero contra rationem juris re-
ceptum est, non est producen-
dum ad consequentias“
(wie-
derholt in L. 141 pr. de R. J.).
L. 162 de R. J. (50. 17.). „Quae
propter necessitatem recepta
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tum trahi.“
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[295/0351] §. 46. Rechtsquellen als Ganzes. Lücken. Analogie. ſuchten Entſcheidung erweitert werden (c). Die Formen, unter welchen dieſe organiſche Erweiterung des Rechts bewirkt wird, ſind vorzüglich Fictionen (d) und utiles actiones. Dadurch wird zugleich der innere Zuſammen- hang des Neuen mit dem Alten geſichert, und ſo die ſyſtematiſche Einheit des geſammten Rechts erhalten. Ein Beyſpiel, worin dieſes Verfahren im Großen anſchaulich wird, iſt die Bonorum possessio, die in ihrer völligen Ausbildung ganz als eine Fiction der hereditas gedacht werden muß (e). — Auf das Beſtimmteſte aber erklären ſich die alten Juriſten gegen die analogiſche Erweiterung bey jedem Jus singulare (f). Dieſe allgemeine Verwerfung wird auch im Einzelnen durch mehrere merkwürdige An- wendungen beſtätigt. Wer z. B. eine Sache von einem Wahnſinnigen kauft, den er für vernünftig hält, hat ano- maliſch das Recht der Uſucapion: man würde aber irren, (c) L. 12 de Leg. (1. 3.) „ad similia procedere“ L. 27 eod. „quae quandoque similes erunt.“ L. 32 pr. eod. „quod proximum et consequens ei est.“ L. 2 § 18 C. de vet. j. enucl. (1. 17.), wo K. Hadrian ſagt, die allmä- lige Ergänzung des Edicts ſolle geſchehen „ad ejus regulas, ejus- que conjecturas et imitationes.“ — Juſtinian ſelbſt erwähnt dieſen Fall, nicht unter dem praetermis- sum in § 16 eod. (welches die weg- gelaſſenen Stellen alter Juriſten ſind), ſondern unter den neuen negotia in § 18. Wie er ihn behandelt wiſſen will, wird unten gezeigt werden. (d) Vgl. beſonders Gajus IV. § 10. § 33—38. (e) Ulpian. XXVIII. § 12. L. 2 de B. P. (37. 1.). L. 117 de R. J. (50. 17.) (f) L. 14 de Leg. (1. 3.) „Quod vero contra rationem juris re- ceptum est, non est producen- dum ad consequentias“ (wie- derholt in L. 141 pr. de R. J.). L. 162 de R. J. (50. 17.). „Quae propter necessitatem recepta sunt, non debent in argumen- tum trahi.“

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/351>, abgerufen am 23.11.2024.