Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. Fortsetzung.
sie sich bezieht, paßt völlig eben so auf die Widersprüche,
und es scheint ganz zufällig, daß es dabey nicht auf gleiche
Weise ausgedrückt ist.



Bisher war die Rede von einem Widerspruch inner-
halb unsres allgemeinen Quellenkreises (§ 42 fg.); es ist
nun noch der Widerspruch in Anwendung auf die hypo-
thetisch hinzutretenden Rechtsquellen (§ 21) zu erwägen.

Im Allgemeinen gelten für diesen zweyten Fall diesel-
ben Regeln, wie für den ersten. Insbesondere muß auch
hier das neuere Gesetz dem älteren vorgehen, wodurch
der regelmäßige Vorzug des Landesrechts vor dem gemeinen
Recht bestimmt wird. Eben so wird auch hier diese Re-
gel beschränkt durch die Rücksicht auf Ausnahmen der
älteren Regel, welche durch die neuere, abändernde Regel
nicht nothwendig berührt werden. -- Es tritt aber hier
noch eine eigenthümliche zweyte Ausnahme hinzu. Wenn
nämlich das neuere Gesetz für ein weiteres Gebiet gilt,
als das ältere, so ist dadurch das ältere in der Regel
nur dann aufgehoben, wenn das neuere eine absolute
Natur hat (§ 16), außerdem dauert das ältere fort (k).

(k) L. 3 § 5 de sepulchro viol.
(47. 12.). In einer Stadt war
durch die lex municipalis die Be-
erdigung innerhalb der Mauern
erlaubt, Hadrian verbot sie später
allgemein, man zweifelte welches
vorgehe: dennoch wurde in diesem
Fall die allgemeine, aber absolute,
spätere Vorschrift vorgezogen. --
C. 1 de const. in VI. (1. 2.). ".. Ro-
manus pontifex ... quia ... lo-
corum specialium ... consuetu-
dines et statuta ... potest pro-
babiliter ignorare: ipsis ... per
constitutionem a se noviter
editam, nisi expresse caveatur
in ipsa, non intelligitur in ali-
quo derogare."
19

§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.
ſie ſich bezieht, paßt völlig eben ſo auf die Widerſprüche,
und es ſcheint ganz zufällig, daß es dabey nicht auf gleiche
Weiſe ausgedrückt iſt.



Bisher war die Rede von einem Widerſpruch inner-
halb unſres allgemeinen Quellenkreiſes (§ 42 fg.); es iſt
nun noch der Widerſpruch in Anwendung auf die hypo-
thetiſch hinzutretenden Rechtsquellen (§ 21) zu erwägen.

Im Allgemeinen gelten für dieſen zweyten Fall dieſel-
ben Regeln, wie für den erſten. Insbeſondere muß auch
hier das neuere Geſetz dem älteren vorgehen, wodurch
der regelmäßige Vorzug des Landesrechts vor dem gemeinen
Recht beſtimmt wird. Eben ſo wird auch hier dieſe Re-
gel beſchränkt durch die Rückſicht auf Ausnahmen der
älteren Regel, welche durch die neuere, abändernde Regel
nicht nothwendig berührt werden. — Es tritt aber hier
noch eine eigenthümliche zweyte Ausnahme hinzu. Wenn
nämlich das neuere Geſetz für ein weiteres Gebiet gilt,
als das ältere, ſo iſt dadurch das ältere in der Regel
nur dann aufgehoben, wenn das neuere eine abſolute
Natur hat (§ 16), außerdem dauert das ältere fort (k).

(k) L. 3 § 5 de sepulchro viol.
(47. 12.). In einer Stadt war
durch die lex municipalis die Be-
erdigung innerhalb der Mauern
erlaubt, Hadrian verbot ſie ſpäter
allgemein, man zweifelte welches
vorgehe: dennoch wurde in dieſem
Fall die allgemeine, aber abſolute,
ſpätere Vorſchrift vorgezogen. —
C. 1 de const. in VI. (1. 2.). „.. Ro-
manus pontifex … quia … lo-
corum specialium … consuetu-
dines et statuta … potest pro-
babiliter ignorare: ipsis … per
constitutionem a se noviter
editam, nisi expresse caveatur
in ipsa, non intelligitur in ali-
quo derogare.“
19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0345" n="289"/><fw place="top" type="header">§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Wider&#x017F;pruch. Fort&#x017F;etzung.</fw><lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich bezieht, paßt völlig eben &#x017F;o auf die Wider&#x017F;prüche,<lb/>
und es &#x017F;cheint ganz zufällig, daß es dabey nicht auf gleiche<lb/>
Wei&#x017F;e ausgedrückt i&#x017F;t.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Bisher war die Rede von einem Wider&#x017F;pruch inner-<lb/>
halb un&#x017F;res allgemeinen Quellenkrei&#x017F;es (§ 42 fg.); es i&#x017F;t<lb/>
nun noch der Wider&#x017F;pruch in Anwendung auf die hypo-<lb/>
theti&#x017F;ch hinzutretenden Rechtsquellen (§ 21) zu erwägen.</p><lb/>
            <p>Im Allgemeinen gelten für die&#x017F;en zweyten Fall die&#x017F;el-<lb/>
ben Regeln, wie für den er&#x017F;ten. Insbe&#x017F;ondere muß auch<lb/>
hier das neuere Ge&#x017F;etz dem älteren vorgehen, wodurch<lb/>
der regelmäßige Vorzug des Landesrechts vor dem gemeinen<lb/>
Recht be&#x017F;timmt wird. Eben &#x017F;o wird auch hier die&#x017F;e Re-<lb/>
gel be&#x017F;chränkt durch die Rück&#x017F;icht auf Ausnahmen der<lb/>
älteren Regel, welche durch die neuere, abändernde Regel<lb/>
nicht nothwendig berührt werden. &#x2014; Es tritt aber hier<lb/>
noch eine eigenthümliche zweyte Ausnahme hinzu. Wenn<lb/>
nämlich das neuere Ge&#x017F;etz für ein weiteres Gebiet gilt,<lb/>
als das ältere, &#x017F;o i&#x017F;t dadurch das ältere in der Regel<lb/>
nur dann aufgehoben, wenn das neuere eine ab&#x017F;olute<lb/>
Natur hat (§ 16), außerdem dauert das ältere fort <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 § 5 <hi rendition="#i">de sepulchro viol.</hi></hi><lb/>
(47. 12.). In einer Stadt war<lb/>
durch die <hi rendition="#aq">lex municipalis</hi> die Be-<lb/>
erdigung innerhalb der Mauern<lb/>
erlaubt, Hadrian verbot &#x017F;ie &#x017F;päter<lb/>
allgemein, man zweifelte welches<lb/>
vorgehe: dennoch wurde in die&#x017F;em<lb/>
Fall die allgemeine, aber ab&#x017F;olute,<lb/>
&#x017F;pätere Vor&#x017F;chrift vorgezogen. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">C. 1 de const. in VI. (1. 2.). &#x201E;.. Ro-<lb/>
manus pontifex &#x2026; quia &#x2026; lo-<lb/>
corum specialium &#x2026; consuetu-<lb/>
dines et statuta &#x2026; potest pro-<lb/>
babiliter ignorare: ipsis &#x2026; per<lb/>
constitutionem a se noviter<lb/>
editam, nisi expresse caveatur<lb/>
in ipsa, non intelligitur in ali-<lb/>
quo derogare.&#x201C;</hi></note>.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0345] §. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung. ſie ſich bezieht, paßt völlig eben ſo auf die Widerſprüche, und es ſcheint ganz zufällig, daß es dabey nicht auf gleiche Weiſe ausgedrückt iſt. Bisher war die Rede von einem Widerſpruch inner- halb unſres allgemeinen Quellenkreiſes (§ 42 fg.); es iſt nun noch der Widerſpruch in Anwendung auf die hypo- thetiſch hinzutretenden Rechtsquellen (§ 21) zu erwägen. Im Allgemeinen gelten für dieſen zweyten Fall dieſel- ben Regeln, wie für den erſten. Insbeſondere muß auch hier das neuere Geſetz dem älteren vorgehen, wodurch der regelmäßige Vorzug des Landesrechts vor dem gemeinen Recht beſtimmt wird. Eben ſo wird auch hier dieſe Re- gel beſchränkt durch die Rückſicht auf Ausnahmen der älteren Regel, welche durch die neuere, abändernde Regel nicht nothwendig berührt werden. — Es tritt aber hier noch eine eigenthümliche zweyte Ausnahme hinzu. Wenn nämlich das neuere Geſetz für ein weiteres Gebiet gilt, als das ältere, ſo iſt dadurch das ältere in der Regel nur dann aufgehoben, wenn das neuere eine abſolute Natur hat (§ 16), außerdem dauert das ältere fort (k). (k) L. 3 § 5 de sepulchro viol. (47. 12.). In einer Stadt war durch die lex municipalis die Be- erdigung innerhalb der Mauern erlaubt, Hadrian verbot ſie ſpäter allgemein, man zweifelte welches vorgehe: dennoch wurde in dieſem Fall die allgemeine, aber abſolute, ſpätere Vorſchrift vorgezogen. — C. 1 de const. in VI. (1. 2.). „.. Ro- manus pontifex … quia … lo- corum specialium … consuetu- dines et statuta … potest pro- babiliter ignorare: ipsis … per constitutionem a se noviter editam, nisi expresse caveatur in ipsa, non intelligitur in ali- quo derogare.“ 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/345
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/345>, abgerufen am 24.11.2024.