Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. Fortsetzung. dung findet. Eine Bestätigung ihrer Richtigkeit liegt nochin dem völlig analogen Verfahren, welches bey zweydeu- tigen Ausdrücken einzelner Gesetze anzuwenden ist (§ 35. 36), und an dessen Richtigkeit ohnehin Niemand zweifelt. Wie dort aus zwey Bedeutungen desselben Ausdrucks ein Zweifel entsteht, so hier aus zwey widersprechenden Stellen der- selben Gesetzgebung. Wie dort der sprachliche Zweifel am sichersten gehoben wird durch Vergleichung mit ande- ren Theilen desselben Gesetzes oder mit anderen Gesetzen, so hier der sachliche Zweifel durch Vergleichung mit an- deren unzweifelhaften Grundsätzen derselben Gesetzgebung. Die Ähnlichkeit ist vollständig und unwidersprechlich. -- Eine bloße Anwendung dieser Regel liegt darin, wenn wir einen Widerstreit wahrnehmen zwischen einem ganz isolir- ten Ausspruch auf der einen Seite, und mehreren über- einstimmenden, etwa aus verschiedenen Zeiten herrührenden, Aussprüchen auf der anderen Seite. Wir haben dann Grund, den Ausdruck des wahren Sinnes der Gesetzge- bung vielmehr in dieser Übereinstimmung voraus zu setzen, als in jener isolirten Äußerung (g). -- Eben so wenn unter zwey widersprechenden Stellen die eine an dem Ort (g) Dahin gehört der Fall der
L. 5 § 3 de praescr. verb. (19. 5), die mit so vielen Stellen ver- schiedener Zeiten im Widerspruch steht. Ferner der Fall der L. 23 de don. int. vir. (24. 1.), welcher viele ganz klare, unzweifelhafte Stellen gegenüber stehen (§ 164). Dieser Fall gehört zugleich in das Gebiet des § 44; denn eben aus den widersprechenden Stellen über- zeugen wir uns, daß jene Stelle eine blos historische Bedeutung haben kann, welches aus ihr, für sich allein betrachtet, keinesweges zu ersehen seyn würde. §. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung. dung findet. Eine Beſtätigung ihrer Richtigkeit liegt nochin dem völlig analogen Verfahren, welches bey zweydeu- tigen Ausdrücken einzelner Geſetze anzuwenden iſt (§ 35. 36), und an deſſen Richtigkeit ohnehin Niemand zweifelt. Wie dort aus zwey Bedeutungen deſſelben Ausdrucks ein Zweifel entſteht, ſo hier aus zwey widerſprechenden Stellen der- ſelben Geſetzgebung. Wie dort der ſprachliche Zweifel am ſicherſten gehoben wird durch Vergleichung mit ande- ren Theilen deſſelben Geſetzes oder mit anderen Geſetzen, ſo hier der ſachliche Zweifel durch Vergleichung mit an- deren unzweifelhaften Grundſätzen derſelben Geſetzgebung. Die Ähnlichkeit iſt vollſtändig und unwiderſprechlich. — Eine bloße Anwendung dieſer Regel liegt darin, wenn wir einen Widerſtreit wahrnehmen zwiſchen einem ganz iſolir- ten Ausſpruch auf der einen Seite, und mehreren über- einſtimmenden, etwa aus verſchiedenen Zeiten herrührenden, Ausſprüchen auf der anderen Seite. Wir haben dann Grund, den Ausdruck des wahren Sinnes der Geſetzge- bung vielmehr in dieſer Übereinſtimmung voraus zu ſetzen, als in jener iſolirten Äußerung (g). — Eben ſo wenn unter zwey widerſprechenden Stellen die eine an dem Ort (g) Dahin gehört der Fall der
L. 5 § 3 de praescr. verb. (19. 5), die mit ſo vielen Stellen ver- ſchiedener Zeiten im Widerſpruch ſteht. Ferner der Fall der L. 23 de don. int. vir. (24. 1.), welcher viele ganz klare, unzweifelhafte Stellen gegenüber ſtehen (§ 164). Dieſer Fall gehört zugleich in das Gebiet des § 44; denn eben aus den widerſprechenden Stellen über- zeugen wir uns, daß jene Stelle eine blos hiſtoriſche Bedeutung haben kann, welches aus ihr, für ſich allein betrachtet, keinesweges zu erſehen ſeyn würde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0343" n="287"/><fw place="top" type="header">§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.</fw><lb/> dung findet. Eine Beſtätigung ihrer Richtigkeit liegt noch<lb/> in dem völlig analogen Verfahren, welches bey zweydeu-<lb/> tigen Ausdrücken einzelner Geſetze anzuwenden iſt (§ 35. 36),<lb/> und an deſſen Richtigkeit ohnehin Niemand zweifelt. Wie<lb/> dort aus zwey Bedeutungen deſſelben Ausdrucks ein Zweifel<lb/> entſteht, ſo hier aus zwey widerſprechenden Stellen der-<lb/> ſelben Geſetzgebung. Wie dort der ſprachliche Zweifel<lb/> am ſicherſten gehoben wird durch Vergleichung mit ande-<lb/> ren Theilen deſſelben Geſetzes oder mit anderen Geſetzen,<lb/> ſo hier der ſachliche Zweifel durch Vergleichung mit an-<lb/> deren unzweifelhaften Grundſätzen derſelben Geſetzgebung.<lb/> Die Ähnlichkeit iſt vollſtändig und unwiderſprechlich. —<lb/> Eine bloße Anwendung dieſer Regel liegt darin, wenn wir<lb/> einen Widerſtreit wahrnehmen zwiſchen einem ganz iſolir-<lb/> ten Ausſpruch auf der einen Seite, und mehreren über-<lb/> einſtimmenden, etwa aus verſchiedenen Zeiten herrührenden,<lb/> Ausſprüchen auf der anderen Seite. Wir haben dann<lb/> Grund, den Ausdruck des wahren Sinnes der Geſetzge-<lb/> bung vielmehr in dieſer Übereinſtimmung voraus zu ſetzen,<lb/> als in jener iſolirten Äußerung <note place="foot" n="(g)">Dahin gehört der Fall der<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 3 <hi rendition="#i">de praescr. verb.</hi></hi> (19.<lb/> 5), die mit ſo vielen Stellen ver-<lb/> ſchiedener Zeiten im Widerſpruch<lb/> ſteht. Ferner der Fall der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 23<lb/><hi rendition="#i">de don. int. vir.</hi></hi> (24. 1.), welcher<lb/> viele ganz klare, unzweifelhafte<lb/> Stellen gegenüber ſtehen (§ 164).<lb/> Dieſer Fall gehört zugleich in das<lb/> Gebiet des § 44; denn eben aus<lb/> den widerſprechenden Stellen über-<lb/> zeugen wir uns, daß jene Stelle<lb/> eine blos hiſtoriſche Bedeutung<lb/> haben kann, welches aus ihr, für<lb/> ſich allein betrachtet, keinesweges<lb/> zu erſehen ſeyn würde.</note>. — Eben ſo wenn<lb/> unter zwey widerſprechenden Stellen die eine an dem Ort<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [287/0343]
§. 45. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.
dung findet. Eine Beſtätigung ihrer Richtigkeit liegt noch
in dem völlig analogen Verfahren, welches bey zweydeu-
tigen Ausdrücken einzelner Geſetze anzuwenden iſt (§ 35. 36),
und an deſſen Richtigkeit ohnehin Niemand zweifelt. Wie
dort aus zwey Bedeutungen deſſelben Ausdrucks ein Zweifel
entſteht, ſo hier aus zwey widerſprechenden Stellen der-
ſelben Geſetzgebung. Wie dort der ſprachliche Zweifel
am ſicherſten gehoben wird durch Vergleichung mit ande-
ren Theilen deſſelben Geſetzes oder mit anderen Geſetzen,
ſo hier der ſachliche Zweifel durch Vergleichung mit an-
deren unzweifelhaften Grundſätzen derſelben Geſetzgebung.
Die Ähnlichkeit iſt vollſtändig und unwiderſprechlich. —
Eine bloße Anwendung dieſer Regel liegt darin, wenn wir
einen Widerſtreit wahrnehmen zwiſchen einem ganz iſolir-
ten Ausſpruch auf der einen Seite, und mehreren über-
einſtimmenden, etwa aus verſchiedenen Zeiten herrührenden,
Ausſprüchen auf der anderen Seite. Wir haben dann
Grund, den Ausdruck des wahren Sinnes der Geſetzge-
bung vielmehr in dieſer Übereinſtimmung voraus zu ſetzen,
als in jener iſolirten Äußerung (g). — Eben ſo wenn
unter zwey widerſprechenden Stellen die eine an dem Ort
(g) Dahin gehört der Fall der
L. 5 § 3 de praescr. verb. (19.
5), die mit ſo vielen Stellen ver-
ſchiedener Zeiten im Widerſpruch
ſteht. Ferner der Fall der L. 23
de don. int. vir. (24. 1.), welcher
viele ganz klare, unzweifelhafte
Stellen gegenüber ſtehen (§ 164).
Dieſer Fall gehört zugleich in das
Gebiet des § 44; denn eben aus
den widerſprechenden Stellen über-
zeugen wir uns, daß jene Stelle
eine blos hiſtoriſche Bedeutung
haben kann, welches aus ihr, für
ſich allein betrachtet, keinesweges
zu erſehen ſeyn würde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |