Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. nämlich die neuere Stelle ein Edict, so wird es meist un-zweifelhaft seyn, daß dasselbe geradezu bestimmt war, neues Recht einzuführen: besonders wenn ein solches von Justinian herrührt, und ganz vorzüglich wenn es unter die kleine Zahl derjenigen gehört, die erst nach der Ge- setzeskraft der Digesten erschienen sind (a). Ja selbst bey dem größten Theil der späteren Rescripte, namentlich bey den sehr zahlreichen Diocletianischen, darf ein ähnliches Verhältniß angenommen werden, da diese wenigstens sehr häufig von einer wirklichen Fortbildung des Rechts Zeug- niß geben. Allein ein allgemeiner Vorzug des Codex vor den Digesten darf darum dennoch nicht behauptet werden, indem viele ältere Rescripte des Codex mit Pandektenstel- len in einem solchen Verhältnisse stehen werden, worin nach den aufgestellten Regeln die historische Vereinigung unzulässig ist (b). -- Bey ungleichzeitigen Stellen der Di- gesten wird die historische Vereinigung seltner gerechtfer- tigt werden können: daß sie aber auch hier vorkommen kann, ist bereits an einem Beyspiele gezeigt worden (c). -- Wenn endlich die Institutionen mit den größeren Rechtsbüchern im Widerspruch stehen, so werden sich meist (a) Vgl. §. 13 Note g. -- Für diese Stellen also wird hier der Vorrang wirklich geltend gemacht, aber aus einem andern Grunde als aus der späteren Promulga- tion des neuen Codex, welche oben als ein nicht entscheidender Grund abgewiesen wurde. (b) Einen unbedingten Vorzug des Codex vor den Digesten be- haupten Thibaut S. 93 und Löhr S. 213, womit ich also nicht einstimmen kann. (c) § 44 Note s.
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. nämlich die neuere Stelle ein Edict, ſo wird es meiſt un-zweifelhaft ſeyn, daß daſſelbe geradezu beſtimmt war, neues Recht einzuführen: beſonders wenn ein ſolches von Juſtinian herrührt, und ganz vorzüglich wenn es unter die kleine Zahl derjenigen gehört, die erſt nach der Ge- ſetzeskraft der Digeſten erſchienen ſind (a). Ja ſelbſt bey dem größten Theil der ſpäteren Reſcripte, namentlich bey den ſehr zahlreichen Diocletianiſchen, darf ein ähnliches Verhältniß angenommen werden, da dieſe wenigſtens ſehr häufig von einer wirklichen Fortbildung des Rechts Zeug- niß geben. Allein ein allgemeiner Vorzug des Codex vor den Digeſten darf darum dennoch nicht behauptet werden, indem viele ältere Reſcripte des Codex mit Pandektenſtel- len in einem ſolchen Verhältniſſe ſtehen werden, worin nach den aufgeſtellten Regeln die hiſtoriſche Vereinigung unzuläſſig iſt (b). — Bey ungleichzeitigen Stellen der Di- geſten wird die hiſtoriſche Vereinigung ſeltner gerechtfer- tigt werden können: daß ſie aber auch hier vorkommen kann, iſt bereits an einem Beyſpiele gezeigt worden (c). — Wenn endlich die Inſtitutionen mit den größeren Rechtsbüchern im Widerſpruch ſtehen, ſo werden ſich meiſt (a) Vgl. §. 13 Note g. — Für dieſe Stellen alſo wird hier der Vorrang wirklich geltend gemacht, aber aus einem andern Grunde als aus der ſpäteren Promulga- tion des neuen Codex, welche oben als ein nicht entſcheidender Grund abgewieſen wurde. (b) Einen unbedingten Vorzug des Codex vor den Digeſten be- haupten Thibaut S. 93 und Löhr S. 213, womit ich alſo nicht einſtimmen kann. (c) § 44 Note s.
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Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
nämlich die neuere Stelle ein Edict, ſo wird es meiſt un-
zweifelhaft ſeyn, daß daſſelbe geradezu beſtimmt war,
neues Recht einzuführen: beſonders wenn ein ſolches von
Juſtinian herrührt, und ganz vorzüglich wenn es unter
die kleine Zahl derjenigen gehört, die erſt nach der Ge-
ſetzeskraft der Digeſten erſchienen ſind (a). Ja ſelbſt bey
dem größten Theil der ſpäteren Reſcripte, namentlich bey
den ſehr zahlreichen Diocletianiſchen, darf ein ähnliches
Verhältniß angenommen werden, da dieſe wenigſtens ſehr
häufig von einer wirklichen Fortbildung des Rechts Zeug-
niß geben. Allein ein allgemeiner Vorzug des Codex vor
den Digeſten darf darum dennoch nicht behauptet werden,
indem viele ältere Reſcripte des Codex mit Pandektenſtel-
len in einem ſolchen Verhältniſſe ſtehen werden, worin
nach den aufgeſtellten Regeln die hiſtoriſche Vereinigung
unzuläſſig iſt (b). — Bey ungleichzeitigen Stellen der Di-
geſten wird die hiſtoriſche Vereinigung ſeltner gerechtfer-
tigt werden können: daß ſie aber auch hier vorkommen
kann, iſt bereits an einem Beyſpiele gezeigt worden (c).
— Wenn endlich die Inſtitutionen mit den größeren
Rechtsbüchern im Widerſpruch ſtehen, ſo werden ſich meiſt
(a) Vgl. §. 13 Note g. — Für
dieſe Stellen alſo wird hier der
Vorrang wirklich geltend gemacht,
aber aus einem andern Grunde
als aus der ſpäteren Promulga-
tion des neuen Codex, welche
oben als ein nicht entſcheidender
Grund abgewieſen wurde.
(b) Einen unbedingten Vorzug
des Codex vor den Digeſten be-
haupten Thibaut S. 93 und
Löhr S. 213, womit ich alſo
nicht einſtimmen kann.
(c) § 44 Note s.
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