Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 41. Justinianische Gesetze. Verhältniß zur Compilation. allgemeine Regel heraus zu finden, welches dadurch ge-schieht, daß in der Absonderung der concreten Umgebung das rechte Maas gehalten wird, indem darin leicht zu viel oder zu wenig geschehen kann (i). Zuweilen wird es auch nicht gelingen, mit völliger Gewißheit zu bestim- men, wie Vieles unter die zufälligen, der Rechtsregel fremden, Umstände des vorgelegten einzelnen Falles zu rechnen ist. -- Dieses Verfahren ist wesentlich verschieden von der ausdehnenden Auslegung eines Gesetzes durch Vergleichung mit seinem Grunde (§ 37). Denn durch diese soll der zu enge, also mangelhafte, Ausdruck berich- tigt werden: bey jener Behandlung der Rescripte ist Nichts zu berichtigen, sondern nur die in individueller Anwendung ausgesprochene Regel richtig zu erkennen (k). -- Bey dieser Auslegung der Rescripte nun ist das oben dargestellte argumentum a contrario (§ 37) gefährlicher, als in jedem andern Falle der Auslegung, indem es nicht (i) Ein Beyspiel, wie in die- ser Hinsicht die Rescripte schon von den Römischen Juristen be- handelt wurden, findet sich in L. 9 § 5 de j. et f. ignor. (22. 6.). Sie waren zu diesem Ver- fahren dadurch veranlaßt, daß auch schon bey ihnen die in den Rescripten enthaltenen Regeln als große Autoritäten galten, wenngleich nicht als Gesetze (§ 24). (k) Es ist also hier vor einer
zweyfachen Verwechslung der ausdehnenden Auslegung zu war- nen: 1) Verwechslung mit der hier beschriebenen Verwandlung der concreten Entscheidung in die darin enthaltene, bald offenbare, bald verborgene, allgemeine Re- gel. 2) Verwechslung mit der Anwendung der im Rescripte enthaltenen Regel auf gleiche einzelne Fälle. Diese Anwen- dung war (als eine mit Gesetzes- kraft versehene) im alten Recht verboten (§ 24); für die in den Codex aufgenommenen Rescripte ist sie vorgeschrieben. Mit beiden Verfahrungsarten hat die ausdeh- nende Auslegung Nichts zu schaffen. §. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation. allgemeine Regel heraus zu finden, welches dadurch ge-ſchieht, daß in der Abſonderung der concreten Umgebung das rechte Maas gehalten wird, indem darin leicht zu viel oder zu wenig geſchehen kann (i). Zuweilen wird es auch nicht gelingen, mit völliger Gewißheit zu beſtim- men, wie Vieles unter die zufälligen, der Rechtsregel fremden, Umſtände des vorgelegten einzelnen Falles zu rechnen iſt. — Dieſes Verfahren iſt weſentlich verſchieden von der ausdehnenden Auslegung eines Geſetzes durch Vergleichung mit ſeinem Grunde (§ 37). Denn durch dieſe ſoll der zu enge, alſo mangelhafte, Ausdruck berich- tigt werden: bey jener Behandlung der Reſcripte iſt Nichts zu berichtigen, ſondern nur die in individueller Anwendung ausgeſprochene Regel richtig zu erkennen (k). — Bey dieſer Auslegung der Reſcripte nun iſt das oben dargeſtellte argumentum a contrario (§ 37) gefährlicher, als in jedem andern Falle der Auslegung, indem es nicht (i) Ein Beyſpiel, wie in die- ſer Hinſicht die Reſcripte ſchon von den Römiſchen Juriſten be- handelt wurden, findet ſich in L. 9 § 5 de j. et f. ignor. (22. 6.). Sie waren zu dieſem Ver- fahren dadurch veranlaßt, daß auch ſchon bey ihnen die in den Reſcripten enthaltenen Regeln als große Autoritäten galten, wenngleich nicht als Geſetze (§ 24). (k) Es iſt alſo hier vor einer
zweyfachen Verwechslung der ausdehnenden Auslegung zu war- nen: 1) Verwechslung mit der hier beſchriebenen Verwandlung der concreten Entſcheidung in die darin enthaltene, bald offenbare, bald verborgene, allgemeine Re- gel. 2) Verwechslung mit der Anwendung der im Reſcripte enthaltenen Regel auf gleiche einzelne Fälle. Dieſe Anwen- dung war (als eine mit Geſetzes- kraft verſehene) im alten Recht verboten (§ 24); für die in den Codex aufgenommenen Reſcripte iſt ſie vorgeſchrieben. Mit beiden Verfahrungsarten hat die ausdeh- nende Auslegung Nichts zu ſchaffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0317" n="261"/><fw place="top" type="header">§. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation.</fw><lb/> allgemeine Regel heraus zu finden, welches dadurch ge-<lb/> ſchieht, daß in der Abſonderung der concreten Umgebung<lb/> das rechte Maas gehalten wird, indem darin leicht zu<lb/> viel oder zu wenig geſchehen kann <note place="foot" n="(i)">Ein Beyſpiel, wie in die-<lb/> ſer Hinſicht die Reſcripte ſchon<lb/> von den Römiſchen Juriſten be-<lb/> handelt wurden, findet ſich in<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 9 § 5 <hi rendition="#i">de j. et f. ignor.</hi></hi> (22.<lb/> 6.). Sie waren zu dieſem Ver-<lb/> fahren dadurch veranlaßt, daß<lb/> auch ſchon bey ihnen die in den<lb/> Reſcripten enthaltenen Regeln<lb/> als große Autoritäten galten,<lb/> wenngleich nicht als Geſetze (§ 24).</note>. Zuweilen wird<lb/> es auch nicht gelingen, mit völliger Gewißheit zu beſtim-<lb/> men, wie Vieles unter die zufälligen, der Rechtsregel<lb/> fremden, Umſtände des vorgelegten einzelnen Falles zu<lb/> rechnen iſt. — Dieſes Verfahren iſt weſentlich verſchieden<lb/> von der ausdehnenden Auslegung eines Geſetzes durch<lb/> Vergleichung mit ſeinem Grunde (§ 37). Denn durch<lb/> dieſe ſoll der zu enge, alſo mangelhafte, Ausdruck berich-<lb/> tigt werden: bey jener Behandlung der Reſcripte iſt<lb/> Nichts zu berichtigen, ſondern nur die in individueller<lb/> Anwendung ausgeſprochene Regel richtig zu erkennen <note place="foot" n="(k)">Es iſt alſo hier vor einer<lb/> zweyfachen Verwechslung der<lb/> ausdehnenden Auslegung zu war-<lb/> nen: 1) Verwechslung mit der<lb/> hier beſchriebenen Verwandlung<lb/> der concreten Entſcheidung in die<lb/> darin enthaltene, bald offenbare,<lb/> bald verborgene, allgemeine Re-<lb/> gel. 2) Verwechslung mit der<lb/> Anwendung der im Reſcripte<lb/> enthaltenen Regel auf gleiche<lb/> einzelne Fälle. Dieſe Anwen-<lb/> dung war (als eine mit Geſetzes-<lb/> kraft verſehene) im alten Recht<lb/> verboten (§ 24); für die in den<lb/> Codex aufgenommenen Reſcripte<lb/> iſt ſie vorgeſchrieben. Mit beiden<lb/> Verfahrungsarten hat die ausdeh-<lb/> nende Auslegung Nichts zu ſchaffen.</note>. —<lb/> Bey dieſer Auslegung der Reſcripte nun iſt das oben<lb/> dargeſtellte <hi rendition="#aq">argumentum a contrario</hi> (§ 37) gefährlicher,<lb/> als in jedem andern Falle der Auslegung, indem es nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0317]
§. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation.
allgemeine Regel heraus zu finden, welches dadurch ge-
ſchieht, daß in der Abſonderung der concreten Umgebung
das rechte Maas gehalten wird, indem darin leicht zu
viel oder zu wenig geſchehen kann (i). Zuweilen wird
es auch nicht gelingen, mit völliger Gewißheit zu beſtim-
men, wie Vieles unter die zufälligen, der Rechtsregel
fremden, Umſtände des vorgelegten einzelnen Falles zu
rechnen iſt. — Dieſes Verfahren iſt weſentlich verſchieden
von der ausdehnenden Auslegung eines Geſetzes durch
Vergleichung mit ſeinem Grunde (§ 37). Denn durch
dieſe ſoll der zu enge, alſo mangelhafte, Ausdruck berich-
tigt werden: bey jener Behandlung der Reſcripte iſt
Nichts zu berichtigen, ſondern nur die in individueller
Anwendung ausgeſprochene Regel richtig zu erkennen (k). —
Bey dieſer Auslegung der Reſcripte nun iſt das oben
dargeſtellte argumentum a contrario (§ 37) gefährlicher,
als in jedem andern Falle der Auslegung, indem es nicht
(i) Ein Beyſpiel, wie in die-
ſer Hinſicht die Reſcripte ſchon
von den Römiſchen Juriſten be-
handelt wurden, findet ſich in
L. 9 § 5 de j. et f. ignor. (22.
6.). Sie waren zu dieſem Ver-
fahren dadurch veranlaßt, daß
auch ſchon bey ihnen die in den
Reſcripten enthaltenen Regeln
als große Autoritäten galten,
wenngleich nicht als Geſetze (§ 24).
(k) Es iſt alſo hier vor einer
zweyfachen Verwechslung der
ausdehnenden Auslegung zu war-
nen: 1) Verwechslung mit der
hier beſchriebenen Verwandlung
der concreten Entſcheidung in die
darin enthaltene, bald offenbare,
bald verborgene, allgemeine Re-
gel. 2) Verwechslung mit der
Anwendung der im Reſcripte
enthaltenen Regel auf gleiche
einzelne Fälle. Dieſe Anwen-
dung war (als eine mit Geſetzes-
kraft verſehene) im alten Recht
verboten (§ 24); für die in den
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