Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 41. Justinianische Gesetze. Verhältniß zur Compilation. werden nunmehr von Jedem in dieser allgemeinen Bedeu-tung verstanden werden (f). -- Noch häufiger und wichti- ger ist der Fall, da nicht ein einzelner Ausdruck, sondern selbst die Entscheidung einer Rechtsfrage, unverändert geblieben ist, aber in der Compilation in einem andern Zusammenhang gedacht, und auf einen andern Grund zurück geführt werden muß, als bey dem alten Juristen: so daß die Entscheidung zwar hier und dort gleich richtig ist, aber auf verschiedene Weise (g). -- Die Auslegung, (f) Dahin gehören L. 63 de usufructu (7. 1.), L. 20 § 1. L. 39 de S. P. U. (8. 2.), L. 3 § 3. L. 10. L. 11. L. 14 de S. P. R. (8. 3.), L. 15. L. 18 comm. praed. (8. 4.). Es ist möglich, daß in manchen dieser Stellen ursprünglich stand in jure ces- sio, und daß die Worte in jure weggestrichen wurden. Dann ge- hörten dieselben theilweise zur ersten Art von Änderungen, theil- weise noch immer hierher, indem doch wenigstens das beybehaltene Wort cessio eine andere Bedeu- tung angenommen hätte. Allein nothwendig ist auch jene Annahme nicht; freylich pflegen Gajus und Ulpian die Worte in jure mei- stens hinzu zu setzen, doch wer- den sie auch von ihnen zuweilen weggelassen. Gajus I. § 168 -- 172. II. § 30. 35. Ulpian. XI. § 7. (g) So z. B. sagt L. 11 pr. de public. (6. 2.): "Si de usu- fructu agatur tradito, Publi- ciana datur." (Eben so nachher von den Prädialservituten). Da- bey dachte Ulpian ohne Zweifel dieses: wenn ein Ususfructus nicht förmlich (durch in jure cessio), aber doch mit Tradition bestellt ist, so kann zwar nicht die wahre confessoria (die vindicatio ususfructus) gelten, wohl aber die publiciana, zu deren Be- gründung überall die Tradition hinreicht. Für das Justinianische Recht hat die Stelle nur dadurch Sinn, daß man hinzudenkt, der Ususfructus sey von einem Nicht- eigenthümer bestellt worden: denn das ist ja der einzige Fall über- haupt, worin jetzt noch von jener Klage die Rede seyn kann. -- Wenn meines Nachbars Haus baufällig ist, und ich erst eine missio, dann noch ein zweytes Decret erhalte, so soll ich die publiciana und die Fähigkeit zur Usucapion erlangen. L. 5 pr. L. 18 § 15 de damno infecto (39. 2.). Das hatte ursprünglich den Sinn, daß der Prätor durch das zweyte Decret das Eigen- 17*
§. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation. werden nunmehr von Jedem in dieſer allgemeinen Bedeu-tung verſtanden werden (f). — Noch häufiger und wichti- ger iſt der Fall, da nicht ein einzelner Ausdruck, ſondern ſelbſt die Entſcheidung einer Rechtsfrage, unverändert geblieben iſt, aber in der Compilation in einem andern Zuſammenhang gedacht, und auf einen andern Grund zurück geführt werden muß, als bey dem alten Juriſten: ſo daß die Entſcheidung zwar hier und dort gleich richtig iſt, aber auf verſchiedene Weiſe (g). — Die Auslegung, (f) Dahin gehören L. 63 de usufructu (7. 1.), L. 20 § 1. L. 39 de S. P. U. (8. 2.), L. 3 § 3. L. 10. L. 11. L. 14 de S. P. R. (8. 3.), L. 15. L. 18 comm. praed. (8. 4.). Es iſt möglich, daß in manchen dieſer Stellen urſprünglich ſtand in jure ces- sio, und daß die Worte in jure weggeſtrichen wurden. Dann ge- hörten dieſelben theilweiſe zur erſten Art von Änderungen, theil- weiſe noch immer hierher, indem doch wenigſtens das beybehaltene Wort cessio eine andere Bedeu- tung angenommen hätte. Allein nothwendig iſt auch jene Annahme nicht; freylich pflegen Gajus und Ulpian die Worte in jure mei- ſtens hinzu zu ſetzen, doch wer- den ſie auch von ihnen zuweilen weggelaſſen. Gajus I. § 168 — 172. II. § 30. 35. Ulpian. XI. § 7. (g) So z. B. ſagt L. 11 pr. de public. (6. 2.): „Si de usu- fructu agatur tradito, Publi- ciana datur.” (Eben ſo nachher von den Prädialſervituten). Da- bey dachte Ulpian ohne Zweifel dieſes: wenn ein Uſusfructus nicht förmlich (durch in jure cessio), aber doch mit Tradition beſtellt iſt, ſo kann zwar nicht die wahre confessoria (die vindicatio ususfructus) gelten, wohl aber die publiciana, zu deren Be- gründung überall die Tradition hinreicht. Für das Juſtinianiſche Recht hat die Stelle nur dadurch Sinn, daß man hinzudenkt, der Uſusfructus ſey von einem Nicht- eigenthümer beſtellt worden: denn das iſt ja der einzige Fall über- haupt, worin jetzt noch von jener Klage die Rede ſeyn kann. — Wenn meines Nachbars Haus baufällig iſt, und ich erſt eine missio, dann noch ein zweytes Decret erhalte, ſo ſoll ich die publiciana und die Fähigkeit zur Uſucapion erlangen. L. 5 pr. L. 18 § 15 de damno infecto (39. 2.). Das hatte urſprünglich den Sinn, daß der Prätor durch das zweyte Decret das Eigen- 17*
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§. 41. Juſtinianiſche Geſetze. Verhältniß zur Compilation.
werden nunmehr von Jedem in dieſer allgemeinen Bedeu-
tung verſtanden werden (f). — Noch häufiger und wichti-
ger iſt der Fall, da nicht ein einzelner Ausdruck, ſondern
ſelbſt die Entſcheidung einer Rechtsfrage, unverändert
geblieben iſt, aber in der Compilation in einem andern
Zuſammenhang gedacht, und auf einen andern Grund
zurück geführt werden muß, als bey dem alten Juriſten:
ſo daß die Entſcheidung zwar hier und dort gleich richtig
iſt, aber auf verſchiedene Weiſe (g). — Die Auslegung,
(f) Dahin gehören L. 63 de
usufructu (7. 1.), L. 20 § 1. L.
39 de S. P. U. (8. 2.), L. 3 § 3.
L. 10. L. 11. L. 14 de S. P. R.
(8. 3.), L. 15. L. 18 comm.
praed. (8. 4.). Es iſt möglich,
daß in manchen dieſer Stellen
urſprünglich ſtand in jure ces-
sio, und daß die Worte in jure
weggeſtrichen wurden. Dann ge-
hörten dieſelben theilweiſe zur
erſten Art von Änderungen, theil-
weiſe noch immer hierher, indem
doch wenigſtens das beybehaltene
Wort cessio eine andere Bedeu-
tung angenommen hätte. Allein
nothwendig iſt auch jene Annahme
nicht; freylich pflegen Gajus und
Ulpian die Worte in jure mei-
ſtens hinzu zu ſetzen, doch wer-
den ſie auch von ihnen zuweilen
weggelaſſen. Gajus I. § 168 —
172. II. § 30. 35. Ulpian. XI.
§ 7.
(g) So z. B. ſagt L. 11 pr. de
public. (6. 2.): „Si de usu-
fructu agatur tradito, Publi-
ciana datur.” (Eben ſo nachher
von den Prädialſervituten). Da-
bey dachte Ulpian ohne Zweifel
dieſes: wenn ein Uſusfructus
nicht förmlich (durch in jure
cessio), aber doch mit Tradition
beſtellt iſt, ſo kann zwar nicht die
wahre confessoria (die vindicatio
ususfructus) gelten, wohl aber
die publiciana, zu deren Be-
gründung überall die Tradition
hinreicht. Für das Juſtinianiſche
Recht hat die Stelle nur dadurch
Sinn, daß man hinzudenkt, der
Uſusfructus ſey von einem Nicht-
eigenthümer beſtellt worden: denn
das iſt ja der einzige Fall über-
haupt, worin jetzt noch von jener
Klage die Rede ſeyn kann. —
Wenn meines Nachbars Haus
baufällig iſt, und ich erſt eine
missio, dann noch ein zweytes
Decret erhalte, ſo ſoll ich die
publiciana und die Fähigkeit zur
Uſucapion erlangen. L. 5 pr.
L. 18 § 15 de damno infecto
(39. 2.). Das hatte urſprünglich
den Sinn, daß der Prätor durch
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