Ist nun also der specielle Gesetzgrund zur Berichtigung des Ausdrucks zulässig, der generelle unzulässig, so muß zugleich daran erinnert werden, daß es zwischen diesen beiden Arten von Gründen keine scharfe Gränze giebt (§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die sich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus- legung zweifelhaft, und die Unterscheidung derselben von Fortbildung des Rechts schwierig werden.
Dagegen ist es durchaus keinem Zweifel unterworfen, daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere Werth des Resultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver- besserung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet werden darf. Denn es ist einleuchtend, daß darin nicht eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, son- dern eine versuchte Verbesserung des Gedankens selbst, enthalten seyn würde. Dieses kann als Fortbildung des Rechts heilsam seyn, von einer Auslegung kann es nur den Namen an sich tragen.
§. 38. Auslegung der Justinianischen Gesetze (Kritik).
Die aufgestellten allgemeinen Grundsätze der Ausle- gung sollen nunmehr auf die Justinianische Gesetzgebung insbesondere angewendet werden, deren Auslegung wieder neue Schwierigkeiten mit sich führt, und neue Regeln des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die geschichtliche Kenntniß dieser Gesetzgebung vollständig
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Iſt nun alſo der ſpecielle Geſetzgrund zur Berichtigung des Ausdrucks zuläſſig, der generelle unzuläſſig, ſo muß zugleich daran erinnert werden, daß es zwiſchen dieſen beiden Arten von Gründen keine ſcharfe Gränze giebt (§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die ſich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus- legung zweifelhaft, und die Unterſcheidung derſelben von Fortbildung des Rechts ſchwierig werden.
Dagegen iſt es durchaus keinem Zweifel unterworfen, daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere Werth des Reſultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver- beſſerung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet werden darf. Denn es iſt einleuchtend, daß darin nicht eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, ſon- dern eine verſuchte Verbeſſerung des Gedankens ſelbſt, enthalten ſeyn würde. Dieſes kann als Fortbildung des Rechts heilſam ſeyn, von einer Auslegung kann es nur den Namen an ſich tragen.
§. 38. Auslegung der Juſtinianiſchen Geſetze (Kritik).
Die aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze der Ausle- gung ſollen nunmehr auf die Juſtinianiſche Geſetzgebung insbeſondere angewendet werden, deren Auslegung wieder neue Schwierigkeiten mit ſich führt, und neue Regeln des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die geſchichtliche Kenntniß dieſer Geſetzgebung vollſtändig
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Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Iſt nun alſo der ſpecielle Geſetzgrund zur Berichtigung
des Ausdrucks zuläſſig, der generelle unzuläſſig, ſo muß
zugleich daran erinnert werden, daß es zwiſchen dieſen
beiden Arten von Gründen keine ſcharfe Gränze giebt
(§ 34). Durch die mancherley allmäligen Übergänge, die
ſich hierin bilden, wird oft die Möglichkeit wahrer Aus-
legung zweifelhaft, und die Unterſcheidung derſelben von
Fortbildung des Rechts ſchwierig werden.
Dagegen iſt es durchaus keinem Zweifel unterworfen,
daß das dritte oben angegebene Hülfsmittel, der innere
Werth des Reſultats (§ 35), auf die Erkenntniß und Ver-
beſſerung des unrichtigen Ausdrucks niemals angewendet
werden darf. Denn es iſt einleuchtend, daß darin nicht
eine Ausgleichung des Ausdrucks mit dem Gedanken, ſon-
dern eine verſuchte Verbeſſerung des Gedankens ſelbſt,
enthalten ſeyn würde. Dieſes kann als Fortbildung des
Rechts heilſam ſeyn, von einer Auslegung kann es nur
den Namen an ſich tragen.
§. 38.
Auslegung der Juſtinianiſchen Geſetze (Kritik).
Die aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze der Ausle-
gung ſollen nunmehr auf die Juſtinianiſche Geſetzgebung
insbeſondere angewendet werden, deren Auslegung wieder
neue Schwierigkeiten mit ſich führt, und neue Regeln
des Verfahrens nöthig macht. Dabey wird hier die
geſchichtliche Kenntniß dieſer Geſetzgebung vollſtändig
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/296>, abgerufen am 03.12.2024.
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