des Rechts, und es könnten daher beide Fragen, obgleich unverkennbar verwandt, dennoch verschieden beantwortet werden. An dieser Stelle jedoch ist eine erschöpfende Be- antwortung der erwähnten Frage noch nicht möglich. Daher werden bey der Darstellung dieser Lehre die Aus- sprüche des Römischen Rechts zwar vorläufig benutzt wer- den, es wird aber einstweilen dahin gestellt bleiben, ob sie als bindende Gesetze, oder nur als eine wichtige Au- torität, gelten sollen.
Die Aufgabe dieses Kapitels hat zwey Theile: zu- nächst die Auslegung der einzelnen Gesetze für sich betrach- tet, dann die des Quellenkreises im Ganzen. Da nämlich dieser zur vollständigen Beherrschung des Rechts bestimmt ist, so muß in ihm sowohl Einheit gefunden werden, als ein erschöpfendes Ganze. Die erste Forderung macht es nothwendig, alle Widersprüche zu entfernen, die zweyte, alle Lücken auszufüllen.
§. 33. A.Auslegung einzelner Gesetze. Grundregeln der Auslegung.
Jedes Gesetz ist dazu bestimmt, die Natur eines Rechts- verhältnisses festzustellen, also irgend einen Gedanken (sey er einfach oder zusammengesetzt) auszusprechen, wodurch das Daseyn jenes Rechtsverhältnisses gegen Irrthum und Willkühr gesichert werde. Soll dieser Zweck erreicht wer- den, so müssen Die, welche mit dem Rechtsverhältniß in
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
des Rechts, und es könnten daher beide Fragen, obgleich unverkennbar verwandt, dennoch verſchieden beantwortet werden. An dieſer Stelle jedoch iſt eine erſchöpfende Be- antwortung der erwähnten Frage noch nicht möglich. Daher werden bey der Darſtellung dieſer Lehre die Aus- ſprüche des Römiſchen Rechts zwar vorläufig benutzt wer- den, es wird aber einſtweilen dahin geſtellt bleiben, ob ſie als bindende Geſetze, oder nur als eine wichtige Au- torität, gelten ſollen.
Die Aufgabe dieſes Kapitels hat zwey Theile: zu- nächſt die Auslegung der einzelnen Geſetze für ſich betrach- tet, dann die des Quellenkreiſes im Ganzen. Da nämlich dieſer zur vollſtändigen Beherrſchung des Rechts beſtimmt iſt, ſo muß in ihm ſowohl Einheit gefunden werden, als ein erſchöpfendes Ganze. Die erſte Forderung macht es nothwendig, alle Widerſprüche zu entfernen, die zweyte, alle Lücken auszufüllen.
§. 33. A.Auslegung einzelner Geſetze. Grundregeln der Auslegung.
Jedes Geſetz iſt dazu beſtimmt, die Natur eines Rechts- verhältniſſes feſtzuſtellen, alſo irgend einen Gedanken (ſey er einfach oder zuſammengeſetzt) auszuſprechen, wodurch das Daſeyn jenes Rechtsverhältniſſes gegen Irrthum und Willkühr geſichert werde. Soll dieſer Zweck erreicht wer- den, ſo müſſen Die, welche mit dem Rechtsverhältniß in
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Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
des Rechts, und es könnten daher beide Fragen, obgleich
unverkennbar verwandt, dennoch verſchieden beantwortet
werden. An dieſer Stelle jedoch iſt eine erſchöpfende Be-
antwortung der erwähnten Frage noch nicht möglich.
Daher werden bey der Darſtellung dieſer Lehre die Aus-
ſprüche des Römiſchen Rechts zwar vorläufig benutzt wer-
den, es wird aber einſtweilen dahin geſtellt bleiben, ob
ſie als bindende Geſetze, oder nur als eine wichtige Au-
torität, gelten ſollen.
Die Aufgabe dieſes Kapitels hat zwey Theile: zu-
nächſt die Auslegung der einzelnen Geſetze für ſich betrach-
tet, dann die des Quellenkreiſes im Ganzen. Da nämlich
dieſer zur vollſtändigen Beherrſchung des Rechts beſtimmt
iſt, ſo muß in ihm ſowohl Einheit gefunden werden, als
ein erſchöpfendes Ganze. Die erſte Forderung macht es
nothwendig, alle Widerſprüche zu entfernen, die zweyte,
alle Lücken auszufüllen.
§. 33.
A. Auslegung einzelner Geſetze.
Grundregeln der Auslegung.
Jedes Geſetz iſt dazu beſtimmt, die Natur eines Rechts-
verhältniſſes feſtzuſtellen, alſo irgend einen Gedanken (ſey
er einfach oder zuſammengeſetzt) auszuſprechen, wodurch
das Daſeyn jenes Rechtsverhältniſſes gegen Irrthum und
Willkühr geſichert werde. Soll dieſer Zweck erreicht wer-
den, ſo müſſen Die, welche mit dem Rechtsverhältniß in
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/268>, abgerufen am 03.03.2025.
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