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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 30. Ansichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortsetzung.
jenes Rechts selbst ihren Grund hat, sondern in den un-
vermeidlichen Unvollkommenheiten unsres Rechtszustandes,
die wir nicht zu verantworten haben, wohl aber ausglei-
chen müssen, so gut wir können. Daher ist es nöthig,
den Fall dieser Abweichungen, die stets als Nothhülfe an-
zusehen sind, in so enge Gränzen als möglich einzuschlie-
ßen. Es kann nun davon nicht die Rede seyn, zuvörderst
bey den dem gemeinen Recht angehörenden Gewohnheiten.
Denn diese sind ohne Ausnahme durch das Medium wis-
senschaftlicher Verarbeitung und Anerkennung hindurch
gegangen, und tragen also den volksmäßigen Character
nicht an sich, der den Grund der hier dargestellten Schwie-
rigkeit ausmacht. Wenn also eine Partey, mit dem Wi-
derspruch des Gegners, behauptet, daß das nudum pactum
eine Klage bewirke, oder daß die leges restitutae im Co-
dex, imgleichen die publicistischen Sätze des Römischen
Rechts, keine praktische Geltung haben, so sind dieses
zwar Sätze des allgemeinen Gewohnheitsrechts; aber kein
Richter wird darüber ein Beweisverfahren anstellen, durch
Aufsuchung einzelner Fälle der Übung jener Sätze, oder
durch Abhörung kundiger Zeugen über dieselben. -- Da-
durch beschränkt sich also die Anwendung jener Abwei-
chungen auf das partikuläre Gewohnheitsrecht. Aber
auch in diesem wird sie wegfallen, wenn durch die oben
als wünschenswerth dargestellten Maaßregeln für die
Sammlung und Aufzeichnung des bestehenden Gewohn-
heitsrechts im Allgemeinen vorgesorgt ist. Werden in

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§. 30. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortſetzung.
jenes Rechts ſelbſt ihren Grund hat, ſondern in den un-
vermeidlichen Unvollkommenheiten unſres Rechtszuſtandes,
die wir nicht zu verantworten haben, wohl aber ausglei-
chen müſſen, ſo gut wir können. Daher iſt es nöthig,
den Fall dieſer Abweichungen, die ſtets als Nothhülfe an-
zuſehen ſind, in ſo enge Gränzen als möglich einzuſchlie-
ßen. Es kann nun davon nicht die Rede ſeyn, zuvörderſt
bey den dem gemeinen Recht angehörenden Gewohnheiten.
Denn dieſe ſind ohne Ausnahme durch das Medium wiſ-
ſenſchaftlicher Verarbeitung und Anerkennung hindurch
gegangen, und tragen alſo den volksmäßigen Character
nicht an ſich, der den Grund der hier dargeſtellten Schwie-
rigkeit ausmacht. Wenn alſo eine Partey, mit dem Wi-
derſpruch des Gegners, behauptet, daß das nudum pactum
eine Klage bewirke, oder daß die leges restitutae im Co-
dex, imgleichen die publiciſtiſchen Sätze des Römiſchen
Rechts, keine praktiſche Geltung haben, ſo ſind dieſes
zwar Sätze des allgemeinen Gewohnheitsrechts; aber kein
Richter wird darüber ein Beweisverfahren anſtellen, durch
Aufſuchung einzelner Fälle der Übung jener Sätze, oder
durch Abhörung kundiger Zeugen über dieſelben. — Da-
durch beſchränkt ſich alſo die Anwendung jener Abwei-
chungen auf das partikuläre Gewohnheitsrecht. Aber
auch in dieſem wird ſie wegfallen, wenn durch die oben
als wünſchenswerth dargeſtellten Maaßregeln für die
Sammlung und Aufzeichnung des beſtehenden Gewohn-
heitsrechts im Allgemeinen vorgeſorgt iſt. Werden in

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[193/0249] §. 30. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortſetzung. jenes Rechts ſelbſt ihren Grund hat, ſondern in den un- vermeidlichen Unvollkommenheiten unſres Rechtszuſtandes, die wir nicht zu verantworten haben, wohl aber ausglei- chen müſſen, ſo gut wir können. Daher iſt es nöthig, den Fall dieſer Abweichungen, die ſtets als Nothhülfe an- zuſehen ſind, in ſo enge Gränzen als möglich einzuſchlie- ßen. Es kann nun davon nicht die Rede ſeyn, zuvörderſt bey den dem gemeinen Recht angehörenden Gewohnheiten. Denn dieſe ſind ohne Ausnahme durch das Medium wiſ- ſenſchaftlicher Verarbeitung und Anerkennung hindurch gegangen, und tragen alſo den volksmäßigen Character nicht an ſich, der den Grund der hier dargeſtellten Schwie- rigkeit ausmacht. Wenn alſo eine Partey, mit dem Wi- derſpruch des Gegners, behauptet, daß das nudum pactum eine Klage bewirke, oder daß die leges restitutae im Co- dex, imgleichen die publiciſtiſchen Sätze des Römiſchen Rechts, keine praktiſche Geltung haben, ſo ſind dieſes zwar Sätze des allgemeinen Gewohnheitsrechts; aber kein Richter wird darüber ein Beweisverfahren anſtellen, durch Aufſuchung einzelner Fälle der Übung jener Sätze, oder durch Abhörung kundiger Zeugen über dieſelben. — Da- durch beſchränkt ſich alſo die Anwendung jener Abwei- chungen auf das partikuläre Gewohnheitsrecht. Aber auch in dieſem wird ſie wegfallen, wenn durch die oben als wünſchenswerth dargeſtellten Maaßregeln für die Sammlung und Aufzeichnung des beſtehenden Gewohn- heitsrechts im Allgemeinen vorgeſorgt iſt. Werden in 13

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/249>, abgerufen am 24.11.2024.