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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 28. Ansichten der Neueren von den Rechtsquellen.
Entstehungsgrund des Rechts, neben welchem alles Übrige
nur als Nothhülfe vorkommen soll, und besser gar nicht
vorhanden wäre. Dadurch erhält zugleich die Rechts-
wissenschaft einen sehr zufälligen und veränderlichen Stoff,
und ein so abhängiges Daseyn, daß sie bey fortschreiten-
der Vollkommenheit der Gesetzgebung immer unbedeutender
werden, und bey einem idealen Zustand derselben endlich
verschwinden müßte. -- In der ferneren Entwicklung dieser
Grundansicht liegt der unbedingte Werth, den man in
neueren Zeiten auf neue umfassende Gesetzbücher setzt, und
die glänzende Erwartung, die man an die Abfassung der-
selben knüpft. Doch kommt es wohl auch vor, daß jene
Grundansicht von Solchen angenommen wird, die diese
letzte Meynung nicht theilen, oder wenigstens nicht mit
solcher Wichtigkeit behandeln, und dieses dürfte leicht als
die Stimmung des größten Theils der ehrenwerthen Prak-
tiker befunden werden.

An die Gesetzgebung soll sogleich das wissenschaft-
liche Recht
angeknüpft werden. Die Behandlung der
früheren Schriftsteller ist bey den Neueren oft sehr will-
kührlich und ungleich, so daß derselben nach Gutfinden
in einzelnen Fällen ein Gewicht eingeräumt oder versagt
wird, ohne daß ein leitender Grundsatz für dieses abwech-
selnde Verfahren auch nur gesucht würde. Insbesondere
wird nicht selten die Meynung der älteren Praktiker so
aufgefaßt, als ob durch sie für alle Zeiten ein unabän-
derlicher Abschluß gemacht wäre, und als ob nicht jedes

§. 28. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen.
Entſtehungsgrund des Rechts, neben welchem alles Übrige
nur als Nothhülfe vorkommen ſoll, und beſſer gar nicht
vorhanden wäre. Dadurch erhält zugleich die Rechts-
wiſſenſchaft einen ſehr zufälligen und veränderlichen Stoff,
und ein ſo abhängiges Daſeyn, daß ſie bey fortſchreiten-
der Vollkommenheit der Geſetzgebung immer unbedeutender
werden, und bey einem idealen Zuſtand derſelben endlich
verſchwinden müßte. — In der ferneren Entwicklung dieſer
Grundanſicht liegt der unbedingte Werth, den man in
neueren Zeiten auf neue umfaſſende Geſetzbücher ſetzt, und
die glänzende Erwartung, die man an die Abfaſſung der-
ſelben knüpft. Doch kommt es wohl auch vor, daß jene
Grundanſicht von Solchen angenommen wird, die dieſe
letzte Meynung nicht theilen, oder wenigſtens nicht mit
ſolcher Wichtigkeit behandeln, und dieſes dürfte leicht als
die Stimmung des größten Theils der ehrenwerthen Prak-
tiker befunden werden.

An die Geſetzgebung ſoll ſogleich das wiſſenſchaft-
liche Recht
angeknüpft werden. Die Behandlung der
früheren Schriftſteller iſt bey den Neueren oft ſehr will-
kührlich und ungleich, ſo daß derſelben nach Gutfinden
in einzelnen Fällen ein Gewicht eingeräumt oder verſagt
wird, ohne daß ein leitender Grundſatz für dieſes abwech-
ſelnde Verfahren auch nur geſucht würde. Insbeſondere
wird nicht ſelten die Meynung der älteren Praktiker ſo
aufgefaßt, als ob durch ſie für alle Zeiten ein unabän-
derlicher Abſchluß gemacht wäre, und als ob nicht jedes

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[167/0223] §. 28. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen. Entſtehungsgrund des Rechts, neben welchem alles Übrige nur als Nothhülfe vorkommen ſoll, und beſſer gar nicht vorhanden wäre. Dadurch erhält zugleich die Rechts- wiſſenſchaft einen ſehr zufälligen und veränderlichen Stoff, und ein ſo abhängiges Daſeyn, daß ſie bey fortſchreiten- der Vollkommenheit der Geſetzgebung immer unbedeutender werden, und bey einem idealen Zuſtand derſelben endlich verſchwinden müßte. — In der ferneren Entwicklung dieſer Grundanſicht liegt der unbedingte Werth, den man in neueren Zeiten auf neue umfaſſende Geſetzbücher ſetzt, und die glänzende Erwartung, die man an die Abfaſſung der- ſelben knüpft. Doch kommt es wohl auch vor, daß jene Grundanſicht von Solchen angenommen wird, die dieſe letzte Meynung nicht theilen, oder wenigſtens nicht mit ſolcher Wichtigkeit behandeln, und dieſes dürfte leicht als die Stimmung des größten Theils der ehrenwerthen Prak- tiker befunden werden. An die Geſetzgebung ſoll ſogleich das wiſſenſchaft- liche Recht angeknüpft werden. Die Behandlung der früheren Schriftſteller iſt bey den Neueren oft ſehr will- kührlich und ungleich, ſo daß derſelben nach Gutfinden in einzelnen Fällen ein Gewicht eingeräumt oder verſagt wird, ohne daß ein leitender Grundſatz für dieſes abwech- ſelnde Verfahren auch nur geſucht würde. Insbeſondere wird nicht ſelten die Meynung der älteren Praktiker ſo aufgefaßt, als ob durch ſie für alle Zeiten ein unabän- derlicher Abſchluß gemacht wäre, und als ob nicht jedes

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/223>, abgerufen am 24.11.2024.