Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

Da diese Art der Rechtsquellen übrigens auch im cano-
nischen Recht und den Reichsgesetzen erwähnt wird, so
soll davon hier anhangsweise gehandelt werden.

Im canonischen Recht sind mehrere Römische Stellen
wörtlich aufgenommen, woraus also nichts Neues hervor-
geht (z). Folgende Sätze könnte man für neu und eigen-
thümlich halten:

1) Die Gewohnheit muß, um gelten zu können, ratio-
nabilis
seyn. Mit diesem sehr unbestimmten Ausdruck,
wenn er auch durch Stellen des Römischen Rechts veran-
laßt seyn mag, scheint doch hier etwas Besonderes gemeynt,
nämlich eine materielle Prüfung des Inhalts, und eine
Anerkennung nur insofern dieser Inhalt gut und zweck-
mäßig erscheint: um so mehr als diese Bedingung nicht
allgemein aufgestellt wird, sondern nur für den Fall eines
Conflicts mit den Gesetzen (aa).

2) Die Gewohnheit muß seyn legitime oder canonice
praescripta
(bb). Daraus haben Viele eine wirkliche Ver-

(z) C. 4 D. XI = L. 2 C. quae
sit l. consu.
(8. 53.), -- C. 6
D. XII = § 9 J. de j. nat. (1.
2.), -- C. 7 D. XII = L. 1 C.
quae sit l. consu.
(8. 53.).
(aa) C. 11. X. de Consuet.
(1. 4.). C. 1 de constit. in VI

(1. 2.). Von der Bedeutung die-
ser Stellen ist in der Beylage II.
die Rede.
(bb) C. 11. X. de consuet.
(1. 4.), C. 3 de consuet. in VI
(1. 4.); C. 9. de offic. ord. in
VI.
(1. 16.), C. 50. X. de elect.

(1. 6.). -- Über den Sinn die-
ser Stellen findet sich eine Un-
tersuchung in Meurers jurist.
Abhandlungen, Leipzig 1780 N.
V,
welcher behauptet, es sey hier
zwar von Verjährung, aber nicht
zur Begründung einer Gewohn-
heit, sondern zum Erwerb eines
einzelnen Rechts die Rede. Zu-
letzt aber lenkt er doch in die
im Text aufgestellte Erklärung
ein, wenigstens in Beziehung auf
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

Da dieſe Art der Rechtsquellen übrigens auch im cano-
niſchen Recht und den Reichsgeſetzen erwähnt wird, ſo
ſoll davon hier anhangsweiſe gehandelt werden.

Im canoniſchen Recht ſind mehrere Römiſche Stellen
wörtlich aufgenommen, woraus alſo nichts Neues hervor-
geht (z). Folgende Sätze könnte man für neu und eigen-
thümlich halten:

1) Die Gewohnheit muß, um gelten zu können, ratio-
nabilis
ſeyn. Mit dieſem ſehr unbeſtimmten Ausdruck,
wenn er auch durch Stellen des Römiſchen Rechts veran-
laßt ſeyn mag, ſcheint doch hier etwas Beſonderes gemeynt,
nämlich eine materielle Prüfung des Inhalts, und eine
Anerkennung nur inſofern dieſer Inhalt gut und zweck-
mäßig erſcheint: um ſo mehr als dieſe Bedingung nicht
allgemein aufgeſtellt wird, ſondern nur für den Fall eines
Conflicts mit den Geſetzen (aa).

2) Die Gewohnheit muß ſeyn legitime oder canonice
praescripta
(bb). Daraus haben Viele eine wirkliche Ver-

(z) C. 4 D. XI = L. 2 C. quae
sit l. consu.
(8. 53.), — C. 6
D. XII = § 9 J. de j. nat. (1.
2.), — C. 7 D. XII = L. 1 C.
quae sit l. consu.
(8. 53.).
(aa) C. 11. X. de Consuet.
(1. 4.). C. 1 de constit. in VI

(1. 2.). Von der Bedeutung die-
ſer Stellen iſt in der Beylage II.
die Rede.
(bb) C. 11. X. de consuet.
(1. 4.), C. 3 de consuet. in VI
(1. 4.); C. 9. de offic. ord. in
VI.
(1. 16.), C. 50. X. de elect.

(1. 6.). — Über den Sinn die-
ſer Stellen findet ſich eine Un-
terſuchung in Meurers juriſt.
Abhandlungen, Leipzig 1780 N.
V,
welcher behauptet, es ſey hier
zwar von Verjährung, aber nicht
zur Begründung einer Gewohn-
heit, ſondern zum Erwerb eines
einzelnen Rechts die Rede. Zu-
letzt aber lenkt er doch in die
im Text aufgeſtellte Erklärung
ein, wenigſtens in Beziehung auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0210" n="154"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/>
            <p>Da die&#x017F;e Art der Rechtsquellen übrigens auch im cano-<lb/>
ni&#x017F;chen Recht und den Reichsge&#x017F;etzen erwähnt wird, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll davon hier anhangswei&#x017F;e gehandelt werden.</p><lb/>
            <p>Im canoni&#x017F;chen Recht &#x017F;ind mehrere Römi&#x017F;che Stellen<lb/>
wörtlich aufgenommen, woraus al&#x017F;o nichts Neues hervor-<lb/>
geht <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 4 <hi rendition="#i">D. XI = L.</hi> 2 <hi rendition="#i">C. quae<lb/>
sit l. consu.</hi> (8. 53.), &#x2014; <hi rendition="#i">C.</hi> 6<lb/><hi rendition="#i">D. XII</hi> = § 9 <hi rendition="#i">J. de j. nat.</hi> (1.<lb/>
2.), &#x2014; <hi rendition="#i">C.</hi> 7 <hi rendition="#i">D. XII = L.</hi> 1 <hi rendition="#i">C.<lb/>
quae sit l. consu.</hi></hi> (8. 53.).</note>. Folgende Sätze könnte man für neu und eigen-<lb/>
thümlich halten:</p><lb/>
            <p>1) Die Gewohnheit muß, um gelten zu können, <hi rendition="#aq">ratio-<lb/>
nabilis</hi> &#x017F;eyn. Mit die&#x017F;em &#x017F;ehr unbe&#x017F;timmten Ausdruck,<lb/>
wenn er auch durch Stellen des Römi&#x017F;chen Rechts veran-<lb/>
laßt &#x017F;eyn mag, &#x017F;cheint doch hier etwas Be&#x017F;onderes gemeynt,<lb/>
nämlich eine materielle Prüfung des Inhalts, und eine<lb/>
Anerkennung nur in&#x017F;ofern die&#x017F;er Inhalt gut und zweck-<lb/>
mäßig er&#x017F;cheint: um &#x017F;o mehr als die&#x017F;e Bedingung nicht<lb/>
allgemein aufge&#x017F;tellt wird, &#x017F;ondern nur für den Fall eines<lb/>
Conflicts mit den Ge&#x017F;etzen <note place="foot" n="(aa)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 11. <hi rendition="#i">X. de Consuet.</hi><lb/>
(1. 4.). <hi rendition="#i">C.</hi> 1 <hi rendition="#i">de constit. in VI</hi></hi><lb/>
(1. 2.). Von der Bedeutung die-<lb/>
&#x017F;er Stellen i&#x017F;t in der Beylage <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
die Rede.</note>.</p><lb/>
            <p>2) Die Gewohnheit muß &#x017F;eyn <hi rendition="#aq">legitime</hi> oder <hi rendition="#aq">canonice<lb/>
praescripta</hi> <note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="(bb)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">C.</hi> 11. <hi rendition="#i">X. de consuet.</hi><lb/>
(1. 4.), <hi rendition="#i">C.</hi> 3 <hi rendition="#i">de consuet. in VI</hi><lb/>
(1. 4.); <hi rendition="#i">C.</hi> 9. <hi rendition="#i">de offic. ord. in<lb/>
VI.</hi> (1. 16.), <hi rendition="#i">C.</hi> 50. <hi rendition="#i">X. de elect.</hi></hi><lb/>
(1. 6.). &#x2014; Über den Sinn die-<lb/>
&#x017F;er Stellen findet &#x017F;ich eine Un-<lb/>
ter&#x017F;uchung in <hi rendition="#g">Meurers</hi> juri&#x017F;t.<lb/>
Abhandlungen, Leipzig 1780 <hi rendition="#aq">N.<lb/>
V,</hi> welcher behauptet, es &#x017F;ey hier<lb/>
zwar von Verjährung, aber nicht<lb/>
zur Begründung einer Gewohn-<lb/>
heit, &#x017F;ondern zum Erwerb eines<lb/>
einzelnen Rechts die Rede. Zu-<lb/>
letzt aber lenkt er doch in die<lb/>
im Text aufge&#x017F;tellte Erklärung<lb/>
ein, wenig&#x017F;tens in Beziehung auf</note>. Daraus haben Viele eine wirkliche Ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0210] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Da dieſe Art der Rechtsquellen übrigens auch im cano- niſchen Recht und den Reichsgeſetzen erwähnt wird, ſo ſoll davon hier anhangsweiſe gehandelt werden. Im canoniſchen Recht ſind mehrere Römiſche Stellen wörtlich aufgenommen, woraus alſo nichts Neues hervor- geht (z). Folgende Sätze könnte man für neu und eigen- thümlich halten: 1) Die Gewohnheit muß, um gelten zu können, ratio- nabilis ſeyn. Mit dieſem ſehr unbeſtimmten Ausdruck, wenn er auch durch Stellen des Römiſchen Rechts veran- laßt ſeyn mag, ſcheint doch hier etwas Beſonderes gemeynt, nämlich eine materielle Prüfung des Inhalts, und eine Anerkennung nur inſofern dieſer Inhalt gut und zweck- mäßig erſcheint: um ſo mehr als dieſe Bedingung nicht allgemein aufgeſtellt wird, ſondern nur für den Fall eines Conflicts mit den Geſetzen (aa). 2) Die Gewohnheit muß ſeyn legitime oder canonice praescripta (bb). Daraus haben Viele eine wirkliche Ver- (z) C. 4 D. XI = L. 2 C. quae sit l. consu. (8. 53.), — C. 6 D. XII = § 9 J. de j. nat. (1. 2.), — C. 7 D. XII = L. 1 C. quae sit l. consu. (8. 53.). (aa) C. 11. X. de Consuet. (1. 4.). C. 1 de constit. in VI (1. 2.). Von der Bedeutung die- ſer Stellen iſt in der Beylage II. die Rede. (bb) C. 11. X. de consuet. (1. 4.), C. 3 de consuet. in VI (1. 4.); C. 9. de offic. ord. in VI. (1. 16.), C. 50. X. de elect. (1. 6.). — Über den Sinn die- ſer Stellen findet ſich eine Un- terſuchung in Meurers juriſt. Abhandlungen, Leipzig 1780 N. V, welcher behauptet, es ſey hier zwar von Verjährung, aber nicht zur Begründung einer Gewohn- heit, ſondern zum Erwerb eines einzelnen Rechts die Rede. Zu- letzt aber lenkt er doch in die im Text aufgeſtellte Erklärung ein, wenigſtens in Beziehung auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/210
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/210>, abgerufen am 22.11.2024.