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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 25. Aussprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht.
lebenden Menschen wird diese Regel theils, wo sie nur
als unbestimmte Richtung vorhanden war, zu bestimmter
Gestalt ausgebildet, theils erweitert, theils als unverän-
derliche Sitte befestigt." Diesem Allen setzt er nachher
die lex, oder die positive, durch Willkühr gebildete Regel
entgegen (a). -- Bey den alten Juristen finden wir das
Gewohnheitsrecht nicht in der ihm zukommenden Ausdeh-
nung und Wichtigkeit anerkannt. Dieses erklärt sich leicht
daraus, daß zu ihrer Zeit der größte Theil des alten
nationalen Gewohnheitsrechts schon längst in andere
Rechtsformen übergegangen war, also nicht mehr in sei-
ner ursprünglichen Gestalt erschien (§ 15. 18). Zur Er-
zeugung eines neuen allgemeinen Gewohnheitsrechts auf
dem rein volksmäßigen Wege war aber ihr Zeitalter we-
niger geeignet (§ 7). Daher war es meist nur partikulä-
res Gewohnheitsrecht, was ihnen im wirklichen Leben
vorkam, und auf dieses beziehen sich die meisten Stellen
über Gewohnheitsrecht, die aus ihren Schriften erhalten
sind (b). Dennoch sind die Ansichten, die sie darüber auf-
stellen, im Ganzen befriedigend, und wenn durch dieselben
neuere Schriftsteller zu irrigen Meynungen verleitet worden

(a) Cicero de inventione II
53. 54. "Natura jus est, quod
non opinio genuit, sed quae-
dam innata vis inseruit, ut re-
ligionem, pietatem .... Consue-
tudine jus est, quod aut levi-
ter a natura tractum aluit et
majus fecit usus, ut religionem:
aut si quid eorum, quae ante
diximus, ab natura profectum,
majus factum propter consue-
tudinem videmus, aut quod in
morem vetustas vulgi appro-
batione perduxit."
(b) Puchta Gewohnheitsrecht
I S. 71 fg.
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§. 25. Ausſprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht.
lebenden Menſchen wird dieſe Regel theils, wo ſie nur
als unbeſtimmte Richtung vorhanden war, zu beſtimmter
Geſtalt ausgebildet, theils erweitert, theils als unverän-
derliche Sitte befeſtigt.” Dieſem Allen ſetzt er nachher
die lex, oder die poſitive, durch Willkühr gebildete Regel
entgegen (a). — Bey den alten Juriſten finden wir das
Gewohnheitsrecht nicht in der ihm zukommenden Ausdeh-
nung und Wichtigkeit anerkannt. Dieſes erklärt ſich leicht
daraus, daß zu ihrer Zeit der größte Theil des alten
nationalen Gewohnheitsrechts ſchon längſt in andere
Rechtsformen übergegangen war, alſo nicht mehr in ſei-
ner urſprünglichen Geſtalt erſchien (§ 15. 18). Zur Er-
zeugung eines neuen allgemeinen Gewohnheitsrechts auf
dem rein volksmäßigen Wege war aber ihr Zeitalter we-
niger geeignet (§ 7). Daher war es meiſt nur partikulä-
res Gewohnheitsrecht, was ihnen im wirklichen Leben
vorkam, und auf dieſes beziehen ſich die meiſten Stellen
über Gewohnheitsrecht, die aus ihren Schriften erhalten
ſind (b). Dennoch ſind die Anſichten, die ſie darüber auf-
ſtellen, im Ganzen befriedigend, und wenn durch dieſelben
neuere Schriftſteller zu irrigen Meynungen verleitet worden

(a) Cicero de inventione II
53. 54. „Natura jus est, quod
non opinio genuit, sed quae-
dam innata vis inseruit, ut re-
ligionem, pietatem .... Consue-
tudine jus est, quod aut levi-
ter a natura tractum aluit et
majus fecit usus, ut religionem:
aut si quid eorum, quae ante
diximus, ab natura profectum,
majus factum propter consue-
tudinem videmus, aut quod in
morem vetustas vulgi appro-
batione perduxit.”
(b) Puchta Gewohnheitsrecht
I S. 71 fg.
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[145/0201] §. 25. Ausſprüche der Römer über das Gewohnheitsrecht. lebenden Menſchen wird dieſe Regel theils, wo ſie nur als unbeſtimmte Richtung vorhanden war, zu beſtimmter Geſtalt ausgebildet, theils erweitert, theils als unverän- derliche Sitte befeſtigt.” Dieſem Allen ſetzt er nachher die lex, oder die poſitive, durch Willkühr gebildete Regel entgegen (a). — Bey den alten Juriſten finden wir das Gewohnheitsrecht nicht in der ihm zukommenden Ausdeh- nung und Wichtigkeit anerkannt. Dieſes erklärt ſich leicht daraus, daß zu ihrer Zeit der größte Theil des alten nationalen Gewohnheitsrechts ſchon längſt in andere Rechtsformen übergegangen war, alſo nicht mehr in ſei- ner urſprünglichen Geſtalt erſchien (§ 15. 18). Zur Er- zeugung eines neuen allgemeinen Gewohnheitsrechts auf dem rein volksmäßigen Wege war aber ihr Zeitalter we- niger geeignet (§ 7). Daher war es meiſt nur partikulä- res Gewohnheitsrecht, was ihnen im wirklichen Leben vorkam, und auf dieſes beziehen ſich die meiſten Stellen über Gewohnheitsrecht, die aus ihren Schriften erhalten ſind (b). Dennoch ſind die Anſichten, die ſie darüber auf- ſtellen, im Ganzen befriedigend, und wenn durch dieſelben neuere Schriftſteller zu irrigen Meynungen verleitet worden (a) Cicero de inventione II 53. 54. „Natura jus est, quod non opinio genuit, sed quae- dam innata vis inseruit, ut re- ligionem, pietatem .... Consue- tudine jus est, quod aut levi- ter a natura tractum aluit et majus fecit usus, ut religionem: aut si quid eorum, quae ante diximus, ab natura profectum, majus factum propter consue- tudinem videmus, aut quod in morem vetustas vulgi appro- batione perduxit.” (b) Puchta Gewohnheitsrecht I S. 71 fg. 10

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/201>, abgerufen am 25.11.2024.