Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R gesprochene Regel selbst leicht eine so einseitige Gestalterhalten konnte, daß ihre allgemeine Anwendung sehr be- denklich werden mußte. Dazu kam aber der noch durch- greifendere Grund, daß den Rescripten die öffentliche Be- kanntmachung fehlte. Dieser Grund paßt auf die inter- pretirenden Rescripte so gut als auf alle anderen, und es ist unrichtig, wenn jenen eine verbindliche Kraft für andere Fälle von Manchen beygelegt wird, was jedoch erst unten ganz klar gemacht werden kann (§ 47). -- Auch bey den Rescripten, wie bey den Decreten (§ 23), ist diese Einschränkung in neuerer Zeit häufig misverstanden wor- den. Auch hier hat man sie mit dem Verbot einer aus- dehnenden Interpretation verwechselt, da doch nur von der Anwendung derselben (gar nicht erweiterten Regel) auf neue Fälle ganz gleicher Art die Rede war. Auch hier hat man die Einschränkung verwechselt mit der Rechtsre- gel, daß ein rechtskräftiges Urtheil nur unter den Par- teyen gelte. Davon war aber hier noch weniger als bey den Decreten die Rede, ja es konnte hier nicht die Rede davon seyn. Denn wenn z. B. der Testamentserbe ein Testament von bedenklicher Gültigkeit dem Kaiser vor- legte, und der Kaiser durch Rescript die Gültigkeit aner- kannte, so konnte davon der Testamentserbe gegen jeden Intestaterben Gebrauch machen, indem ein bestimmter Gegner in der Bittschrift nicht einmal bezeichnet zu seyn brauchte. Aber auch nur die Gesetzeskraft für andere Fälle sollte Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R geſprochene Regel ſelbſt leicht eine ſo einſeitige Geſtalterhalten konnte, daß ihre allgemeine Anwendung ſehr be- denklich werden mußte. Dazu kam aber der noch durch- greifendere Grund, daß den Reſcripten die öffentliche Be- kanntmachung fehlte. Dieſer Grund paßt auf die inter- pretirenden Reſcripte ſo gut als auf alle anderen, und es iſt unrichtig, wenn jenen eine verbindliche Kraft für andere Fälle von Manchen beygelegt wird, was jedoch erſt unten ganz klar gemacht werden kann (§ 47). — Auch bey den Reſcripten, wie bey den Decreten (§ 23), iſt dieſe Einſchränkung in neuerer Zeit häufig misverſtanden wor- den. Auch hier hat man ſie mit dem Verbot einer aus- dehnenden Interpretation verwechſelt, da doch nur von der Anwendung derſelben (gar nicht erweiterten Regel) auf neue Fälle ganz gleicher Art die Rede war. Auch hier hat man die Einſchränkung verwechſelt mit der Rechtsre- gel, daß ein rechtskräftiges Urtheil nur unter den Par- teyen gelte. Davon war aber hier noch weniger als bey den Decreten die Rede, ja es konnte hier nicht die Rede davon ſeyn. Denn wenn z. B. der Teſtamentserbe ein Teſtament von bedenklicher Gültigkeit dem Kaiſer vor- legte, und der Kaiſer durch Reſcript die Gültigkeit aner- kannte, ſo konnte davon der Teſtamentserbe gegen jeden Inteſtaterben Gebrauch machen, indem ein beſtimmter Gegner in der Bittſchrift nicht einmal bezeichnet zu ſeyn brauchte. Aber auch nur die Geſetzeskraft für andere Fälle ſollte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0194" n="138"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R</fw><lb/> geſprochene Regel ſelbſt leicht eine ſo einſeitige Geſtalt<lb/> erhalten konnte, daß ihre allgemeine Anwendung ſehr be-<lb/> denklich werden mußte. Dazu kam aber der noch durch-<lb/> greifendere Grund, daß den Reſcripten die öffentliche Be-<lb/> kanntmachung fehlte. Dieſer Grund paßt auf die inter-<lb/> pretirenden Reſcripte ſo gut als auf alle anderen, und<lb/> es iſt unrichtig, wenn jenen eine verbindliche Kraft für<lb/> andere Fälle von Manchen beygelegt wird, was jedoch<lb/> erſt unten ganz klar gemacht werden kann (§ 47). — Auch<lb/> bey den Reſcripten, wie bey den Decreten (§ 23), iſt dieſe<lb/> Einſchränkung in neuerer Zeit häufig misverſtanden wor-<lb/> den. Auch hier hat man ſie mit dem Verbot einer aus-<lb/> dehnenden Interpretation verwechſelt, da doch nur von<lb/> der Anwendung derſelben (gar nicht erweiterten Regel) auf<lb/> neue Fälle ganz gleicher Art die Rede war. Auch hier<lb/> hat man die Einſchränkung verwechſelt mit der Rechtsre-<lb/> gel, daß ein rechtskräftiges Urtheil nur unter den Par-<lb/> teyen gelte. Davon war aber hier noch weniger als bey<lb/> den Decreten die Rede, ja es konnte hier nicht die Rede<lb/> davon ſeyn. Denn wenn z. B. der Teſtamentserbe ein<lb/> Teſtament von bedenklicher Gültigkeit dem Kaiſer vor-<lb/> legte, und der Kaiſer durch Reſcript die Gültigkeit aner-<lb/> kannte, ſo konnte davon der Teſtamentserbe gegen jeden<lb/> Inteſtaterben Gebrauch machen, indem ein beſtimmter<lb/> Gegner in der Bittſchrift nicht einmal bezeichnet zu ſeyn<lb/> brauchte.</p><lb/> <p>Aber auch nur die <hi rendition="#g">Geſetzeskraft</hi> für andere Fälle ſollte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0194]
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R
geſprochene Regel ſelbſt leicht eine ſo einſeitige Geſtalt
erhalten konnte, daß ihre allgemeine Anwendung ſehr be-
denklich werden mußte. Dazu kam aber der noch durch-
greifendere Grund, daß den Reſcripten die öffentliche Be-
kanntmachung fehlte. Dieſer Grund paßt auf die inter-
pretirenden Reſcripte ſo gut als auf alle anderen, und
es iſt unrichtig, wenn jenen eine verbindliche Kraft für
andere Fälle von Manchen beygelegt wird, was jedoch
erſt unten ganz klar gemacht werden kann (§ 47). — Auch
bey den Reſcripten, wie bey den Decreten (§ 23), iſt dieſe
Einſchränkung in neuerer Zeit häufig misverſtanden wor-
den. Auch hier hat man ſie mit dem Verbot einer aus-
dehnenden Interpretation verwechſelt, da doch nur von
der Anwendung derſelben (gar nicht erweiterten Regel) auf
neue Fälle ganz gleicher Art die Rede war. Auch hier
hat man die Einſchränkung verwechſelt mit der Rechtsre-
gel, daß ein rechtskräftiges Urtheil nur unter den Par-
teyen gelte. Davon war aber hier noch weniger als bey
den Decreten die Rede, ja es konnte hier nicht die Rede
davon ſeyn. Denn wenn z. B. der Teſtamentserbe ein
Teſtament von bedenklicher Gültigkeit dem Kaiſer vor-
legte, und der Kaiſer durch Reſcript die Gültigkeit aner-
kannte, ſo konnte davon der Teſtamentserbe gegen jeden
Inteſtaterben Gebrauch machen, indem ein beſtimmter
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brauchte.
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