§. 22. Aussprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
Die Vergleichung selbst nun zwischen dem einheimi- schen und dem allgemeinen Recht ergab Folgendes. Einige Institute, mit den auf sie bezüglichen Rechtsregeln, waren in der That von jeher gemeinsam, also juris gentium und civilis zugleich. Dahin gehörten die meisten Contracte des täglichen Verkehrs, wie Kauf, Miethe, Societät u. s. w. Ferner die meisten Delicte, insofern sie die Verpflichtung zur Entschädigung mit sich führen. Dann die Tradition als Erwerb des Eigenthums, die in Anwendung auf res nec mancipi auch schon im Civilrecht anerkannt war. Endlich der durch die Geburt sich fortpflanzende Skla- venstand. -- Weit mehrere Institute aber waren dem einheimischen Recht ausschließend eigen. So die Ehe, die selbst in ihrer freyesten Form doch nur zwischen Römischen Bürgern möglich, und dadurch ganz positiv bedingt war. Noch mehr die väterliche Gewalt, und die durch sie be- gründete Agnation. Eben so die meisten und wichtigsten Entstehungsgründe des Eigenthums, wie Mancipation, Usucapion u. s. w. Ferner in den Obligationen die ver- borum und literarum obligatio; die Delicte insofern sie eine Strafe von willkührlich angenommener Größe mit sich führen. Endlich das gesammte Erbrecht. -- Allein die meisten dieser positiven Institute haben dennoch einen allgemeinen Kern, und kommen also auch in dem fremden Recht, diesem ihrem allgemeinen Wesen nach, nur in an- derer Form, gleichfalls vor. So geschah es nun durch den vermehrten Verkehr mit Fremden, daß neben vielen
§. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
Die Vergleichung ſelbſt nun zwiſchen dem einheimi- ſchen und dem allgemeinen Recht ergab Folgendes. Einige Inſtitute, mit den auf ſie bezüglichen Rechtsregeln, waren in der That von jeher gemeinſam, alſo juris gentium und civilis zugleich. Dahin gehörten die meiſten Contracte des täglichen Verkehrs, wie Kauf, Miethe, Societät u. ſ. w. Ferner die meiſten Delicte, inſofern ſie die Verpflichtung zur Entſchädigung mit ſich führen. Dann die Tradition als Erwerb des Eigenthums, die in Anwendung auf res nec mancipi auch ſchon im Civilrecht anerkannt war. Endlich der durch die Geburt ſich fortpflanzende Skla- venſtand. — Weit mehrere Inſtitute aber waren dem einheimiſchen Recht ausſchließend eigen. So die Ehe, die ſelbſt in ihrer freyeſten Form doch nur zwiſchen Römiſchen Bürgern möglich, und dadurch ganz poſitiv bedingt war. Noch mehr die väterliche Gewalt, und die durch ſie be- gründete Agnation. Eben ſo die meiſten und wichtigſten Entſtehungsgründe des Eigenthums, wie Mancipation, Uſucapion u. ſ. w. Ferner in den Obligationen die ver- borum und literarum obligatio; die Delicte inſofern ſie eine Strafe von willkührlich angenommener Größe mit ſich führen. Endlich das geſammte Erbrecht. — Allein die meiſten dieſer poſitiven Inſtitute haben dennoch einen allgemeinen Kern, und kommen alſo auch in dem fremden Recht, dieſem ihrem allgemeinen Weſen nach, nur in an- derer Form, gleichfalls vor. So geſchah es nun durch den vermehrten Verkehr mit Fremden, daß neben vielen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0167"n="111"/><fwplace="top"type="header">§. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.</fw><lb/><p>Die Vergleichung ſelbſt nun zwiſchen dem einheimi-<lb/>ſchen und dem allgemeinen Recht ergab Folgendes. Einige<lb/>
Inſtitute, mit den auf ſie bezüglichen Rechtsregeln, waren<lb/>
in der That von jeher gemeinſam, alſo <hirendition="#aq">juris gentium</hi> und<lb/><hirendition="#aq">civilis</hi> zugleich. Dahin gehörten die meiſten Contracte<lb/>
des täglichen Verkehrs, wie Kauf, Miethe, Societät u. ſ. w.<lb/>
Ferner die meiſten Delicte, inſofern ſie die Verpflichtung<lb/>
zur Entſchädigung mit ſich führen. Dann die Tradition<lb/>
als Erwerb des Eigenthums, die in Anwendung auf <hirendition="#aq">res<lb/>
nec mancipi</hi> auch ſchon im Civilrecht anerkannt war.<lb/>
Endlich der durch die Geburt ſich fortpflanzende Skla-<lb/>
venſtand. — Weit mehrere Inſtitute aber waren dem<lb/>
einheimiſchen Recht ausſchließend eigen. So die Ehe, die<lb/>ſelbſt in ihrer freyeſten Form doch nur zwiſchen Römiſchen<lb/>
Bürgern möglich, und dadurch ganz poſitiv bedingt war.<lb/>
Noch mehr die väterliche Gewalt, und die durch ſie be-<lb/>
gründete Agnation. Eben ſo die meiſten und wichtigſten<lb/>
Entſtehungsgründe des Eigenthums, wie Mancipation,<lb/>
Uſucapion u. ſ. w. Ferner in den Obligationen die <hirendition="#aq">ver-<lb/>
borum</hi> und <hirendition="#aq">literarum obligatio;</hi> die Delicte inſofern ſie<lb/>
eine Strafe von willkührlich angenommener Größe mit<lb/>ſich führen. Endlich das geſammte Erbrecht. — Allein<lb/>
die meiſten dieſer poſitiven Inſtitute haben dennoch einen<lb/>
allgemeinen Kern, und kommen alſo auch in dem fremden<lb/>
Recht, dieſem ihrem allgemeinen Weſen nach, nur in an-<lb/>
derer Form, gleichfalls vor. So geſchah es nun durch<lb/>
den vermehrten Verkehr mit Fremden, daß neben vielen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[111/0167]
§. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
Die Vergleichung ſelbſt nun zwiſchen dem einheimi-
ſchen und dem allgemeinen Recht ergab Folgendes. Einige
Inſtitute, mit den auf ſie bezüglichen Rechtsregeln, waren
in der That von jeher gemeinſam, alſo juris gentium und
civilis zugleich. Dahin gehörten die meiſten Contracte
des täglichen Verkehrs, wie Kauf, Miethe, Societät u. ſ. w.
Ferner die meiſten Delicte, inſofern ſie die Verpflichtung
zur Entſchädigung mit ſich führen. Dann die Tradition
als Erwerb des Eigenthums, die in Anwendung auf res
nec mancipi auch ſchon im Civilrecht anerkannt war.
Endlich der durch die Geburt ſich fortpflanzende Skla-
venſtand. — Weit mehrere Inſtitute aber waren dem
einheimiſchen Recht ausſchließend eigen. So die Ehe, die
ſelbſt in ihrer freyeſten Form doch nur zwiſchen Römiſchen
Bürgern möglich, und dadurch ganz poſitiv bedingt war.
Noch mehr die väterliche Gewalt, und die durch ſie be-
gründete Agnation. Eben ſo die meiſten und wichtigſten
Entſtehungsgründe des Eigenthums, wie Mancipation,
Uſucapion u. ſ. w. Ferner in den Obligationen die ver-
borum und literarum obligatio; die Delicte inſofern ſie
eine Strafe von willkührlich angenommener Größe mit
ſich führen. Endlich das geſammte Erbrecht. — Allein
die meiſten dieſer poſitiven Inſtitute haben dennoch einen
allgemeinen Kern, und kommen alſo auch in dem fremden
Recht, dieſem ihrem allgemeinen Weſen nach, nur in an-
derer Form, gleichfalls vor. So geſchah es nun durch
den vermehrten Verkehr mit Fremden, daß neben vielen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/167>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.