Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. gewiß nicht gefehlt; wären nun z. B. damals die Digestenunvollständig geblieben, und hätte man etwa das Infor- tiatum im sechszehnten Jahrhundert erst gefunden, so würde dessen Reception schwerlich gefehlt haben. Aber bey den damals restituirten Stellen, einzelnen Gesetzen, zum Theil von zweydeutigem oder völlig verwerflichem Inhalt, fehlte ein solcher Beweggrund gänzlich, auch hat sich nie eine öffentliche Meynung für deren Reception im Ganzen aus- gesprochen. Es kann also nur noch die Frage seyn, ob vielleicht einzelne Stellen dieser Art, etwa ihres vorzüg- lichen Inhalts wegen, besonders recipirt worden sind. Dieses ist namentlich behauptet worden für die L. 4 C. de in jus vocando (von Cujacius restituirt), worin die Ver- letzung der Litispendenz mit dem Verlust der Klage bedroht wird; diese Stelle wird namentlich in einem reichsgericht- lichen Erkenntniß angeführt und einer Strafdrohung zum Grunde gelegt (k). Allein wenn dies nicht etwa aus blo- (k) Ein solches Mandat er-
kannte am 23. Dec. 1650 das Reichskammergericht in Sachen Waldeck c. Paderborn und con- sortes, die Grafschaft Piermont betreffend. Es ist vollständig ab- gedruckt bey Er. Mauritius de judicio aulico § 14 (Kilon. 1666 und in dessen Dissert. et opusc. Argent. 1724. 4. p. 337). Die hierher gehörende Stelle lautet so: "Wir heischen und laden .... zu sehen und zu hören, Deine Andacht und Euch um dero un- gehorsams und obbesagter Thä- tigkeiten wie auch überfahrungs willen, in die Poen. l. ult. § ult. C. de in jus voc. gefallen seyn, mit Urtheil und Rechtsprechen erkennen und erklären." -- Manche Schriftsteller reden von dieser Sache so, als ob solche Erkenntnisse in Menge von den Reichsgerichten ausgegangen wä- ren, z. B. Andler jurisprud. qua publ. qua privata Solisbaci 1672. 4. p. 434. Pütter de praeventione § 19. 90. 135. Geht man aber auf den Grund, so findet sich auch nicht ein einziges Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. gewiß nicht gefehlt; wären nun z. B. damals die Digeſtenunvollſtändig geblieben, und hätte man etwa das Infor- tiatum im ſechszehnten Jahrhundert erſt gefunden, ſo würde deſſen Reception ſchwerlich gefehlt haben. Aber bey den damals reſtituirten Stellen, einzelnen Geſetzen, zum Theil von zweydeutigem oder völlig verwerflichem Inhalt, fehlte ein ſolcher Beweggrund gänzlich, auch hat ſich nie eine öffentliche Meynung für deren Reception im Ganzen aus- geſprochen. Es kann alſo nur noch die Frage ſeyn, ob vielleicht einzelne Stellen dieſer Art, etwa ihres vorzüg- lichen Inhalts wegen, beſonders recipirt worden ſind. Dieſes iſt namentlich behauptet worden für die L. 4 C. de in jus vocando (von Cujacius reſtituirt), worin die Ver- letzung der Litispendenz mit dem Verluſt der Klage bedroht wird; dieſe Stelle wird namentlich in einem reichsgericht- lichen Erkenntniß angeführt und einer Strafdrohung zum Grunde gelegt (k). Allein wenn dies nicht etwa aus blo- (k) Ein ſolches Mandat er-
kannte am 23. Dec. 1650 das Reichskammergericht in Sachen Waldeck c. Paderborn und con- sortes, die Grafſchaft Piermont betreffend. Es iſt vollſtändig ab- gedruckt bey Er. Mauritius de judicio aulico § 14 (Kilon. 1666 und in deſſen Dissert. et opusc. Argent. 1724. 4. p. 337). Die hierher gehörende Stelle lautet ſo: „Wir heiſchen und laden .... zu ſehen und zu hören, Deine Andacht und Euch um dero un- gehorſams und obbeſagter Thä- tigkeiten wie auch überfahrungs willen, in die Poen. l. ult. § ult. C. de in jus voc. gefallen ſeyn, mit Urtheil und Rechtſprechen erkennen und erklären.“ — Manche Schriftſteller reden von dieſer Sache ſo, als ob ſolche Erkenntniſſe in Menge von den Reichsgerichten ausgegangen wä- ren, z. B. Andler jurisprud. qua publ. qua privata Solisbaci 1672. 4. p. 434. Pütter de praeventione § 19. 90. 135. Geht man aber auf den Grund, ſo findet ſich auch nicht ein einziges <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0128" n="72"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/> gewiß nicht gefehlt; wären nun z. B. damals die Digeſten<lb/> unvollſtändig geblieben, und hätte man etwa das Infor-<lb/> tiatum im ſechszehnten Jahrhundert erſt gefunden, ſo würde<lb/> deſſen Reception ſchwerlich gefehlt haben. Aber bey den<lb/> damals reſtituirten Stellen, einzelnen Geſetzen, zum Theil<lb/> von zweydeutigem oder völlig verwerflichem Inhalt, fehlte<lb/> ein ſolcher Beweggrund gänzlich, auch hat ſich nie eine<lb/> öffentliche Meynung für deren Reception im Ganzen aus-<lb/> geſprochen. Es kann alſo nur noch die Frage ſeyn, ob<lb/> vielleicht einzelne Stellen dieſer Art, etwa ihres vorzüg-<lb/> lichen Inhalts wegen, beſonders recipirt worden ſind.<lb/> Dieſes iſt namentlich behauptet worden für die <hi rendition="#aq">L. 4 C. de<lb/> in jus vocando</hi> (von Cujacius reſtituirt), worin die Ver-<lb/> letzung der Litispendenz mit dem Verluſt der Klage bedroht<lb/> wird; dieſe Stelle wird namentlich in einem reichsgericht-<lb/> lichen Erkenntniß angeführt und einer Strafdrohung zum<lb/> Grunde gelegt <note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="(k)">Ein ſolches Mandat er-<lb/> kannte am 23. Dec. 1650 das<lb/> Reichskammergericht in Sachen<lb/> Waldeck <hi rendition="#aq">c.</hi> Paderborn und <hi rendition="#aq">con-<lb/> sortes,</hi> die Grafſchaft Piermont<lb/> betreffend. Es iſt vollſtändig ab-<lb/> gedruckt bey <hi rendition="#aq">Er. <hi rendition="#k">Mauritius</hi> de<lb/> judicio aulico § 14 (Kilon.</hi> 1666<lb/> und in deſſen <hi rendition="#aq">Dissert. et opusc.<lb/> Argent. 1724. 4. p.</hi> 337). Die<lb/> hierher gehörende Stelle lautet<lb/> ſo: „Wir heiſchen und laden ....<lb/> zu ſehen und zu hören, Deine<lb/> Andacht und Euch um dero un-<lb/> gehorſams und obbeſagter Thä-<lb/> tigkeiten wie auch überfahrungs<lb/> willen, in die <hi rendition="#aq">Poen. l. ult. § ult.<lb/> C. de in jus voc.</hi> gefallen ſeyn,<lb/> mit Urtheil und Rechtſprechen<lb/> erkennen und erklären.“ —<lb/> Manche Schriftſteller reden von<lb/> dieſer Sache ſo, als ob ſolche<lb/> Erkenntniſſe in Menge von den<lb/> Reichsgerichten ausgegangen wä-<lb/> ren, z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Andler</hi> jurisprud. qua<lb/> publ. qua privata Solisbaci<lb/> 1672. 4. p. 434. <hi rendition="#k">Pütter</hi> de<lb/> praeventione</hi> § 19. 90. 135. Geht<lb/> man aber auf den Grund, ſo<lb/> findet ſich auch nicht ein einziges</note>. Allein wenn dies nicht etwa aus blo-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0128]
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
gewiß nicht gefehlt; wären nun z. B. damals die Digeſten
unvollſtändig geblieben, und hätte man etwa das Infor-
tiatum im ſechszehnten Jahrhundert erſt gefunden, ſo würde
deſſen Reception ſchwerlich gefehlt haben. Aber bey den
damals reſtituirten Stellen, einzelnen Geſetzen, zum Theil
von zweydeutigem oder völlig verwerflichem Inhalt, fehlte
ein ſolcher Beweggrund gänzlich, auch hat ſich nie eine
öffentliche Meynung für deren Reception im Ganzen aus-
geſprochen. Es kann alſo nur noch die Frage ſeyn, ob
vielleicht einzelne Stellen dieſer Art, etwa ihres vorzüg-
lichen Inhalts wegen, beſonders recipirt worden ſind.
Dieſes iſt namentlich behauptet worden für die L. 4 C. de
in jus vocando (von Cujacius reſtituirt), worin die Ver-
letzung der Litispendenz mit dem Verluſt der Klage bedroht
wird; dieſe Stelle wird namentlich in einem reichsgericht-
lichen Erkenntniß angeführt und einer Strafdrohung zum
Grunde gelegt (k). Allein wenn dies nicht etwa aus blo-
(k) Ein ſolches Mandat er-
kannte am 23. Dec. 1650 das
Reichskammergericht in Sachen
Waldeck c. Paderborn und con-
sortes, die Grafſchaft Piermont
betreffend. Es iſt vollſtändig ab-
gedruckt bey Er. Mauritius de
judicio aulico § 14 (Kilon. 1666
und in deſſen Dissert. et opusc.
Argent. 1724. 4. p. 337). Die
hierher gehörende Stelle lautet
ſo: „Wir heiſchen und laden ....
zu ſehen und zu hören, Deine
Andacht und Euch um dero un-
gehorſams und obbeſagter Thä-
tigkeiten wie auch überfahrungs
willen, in die Poen. l. ult. § ult.
C. de in jus voc. gefallen ſeyn,
mit Urtheil und Rechtſprechen
erkennen und erklären.“ —
Manche Schriftſteller reden von
dieſer Sache ſo, als ob ſolche
Erkenntniſſe in Menge von den
Reichsgerichten ausgegangen wä-
ren, z. B. Andler jurisprud. qua
publ. qua privata Solisbaci
1672. 4. p. 434. Pütter de
praeventione § 19. 90. 135. Geht
man aber auf den Grund, ſo
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