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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 15. Rechtsquellen im Zusammenhang.
während die erste allen höheren Beruf in ihm verkennt.
Beide Abwege werden wir vermeiden, wenn wir eine
allgemeine Aufgabe annehmen, welche auf ihre besondere
Weise zu lösen die geschichtliche Aufgabe der einzelnen
Völker ist. Der lebhafte Streit über diese Gegensätze
hat gewiß dazu gedient, dieselben schärfer und bestimmter
zur Erkenntniß zu bringen; aber er hat eben so oft dahin
geführt, das wahre Element in den Bestrebungen der
Gegner einseitig zu verkennen. Denn wir dürfen nicht
übersehen, daß bey einer scheinbar auf das Einzelne be-
schränkten Untersuchung, der Sinn für das Ganze, also
für die höhere Bedeutung der Rechtsinstitute, sich offen-
baren kann: so wie auf der andern Seite die auf das
Allgemeine gerichtete Untersuchung von der Anschauung
des geschichtlichen Lebens der Völker wahrhaft durchdrun-
gen seyn mag. Sieht man dabey ab von den Aeußerun-
gen des Parteygeistes (als dem Nichtigen und Vergäng-
lichen), und faßt man die wissenschaftlichen Richtungen
unsrer Zeit rein für sich in's Auge, so dürfte man wohl
dem erfreulichen Gedanken einer inneren Annäherung,
und damit eines wahrhaften Fortschrittes, Raum geben
können.

Jene allgemeine Aufgabe alles Rechts nun läßt sich
einfach auf die sittliche Bestimmung der menschlichen Na-
tur zurück führen, so wie sich dieselbe in der christlichen
Lebensansicht darstellt; denn das Christenthum ist nicht
nur von uns als Regel des Lebens anzuerkennen, sondern

§. 15. Rechtsquellen im Zuſammenhang.
während die erſte allen höheren Beruf in ihm verkennt.
Beide Abwege werden wir vermeiden, wenn wir eine
allgemeine Aufgabe annehmen, welche auf ihre beſondere
Weiſe zu löſen die geſchichtliche Aufgabe der einzelnen
Völker iſt. Der lebhafte Streit über dieſe Gegenſätze
hat gewiß dazu gedient, dieſelben ſchärfer und beſtimmter
zur Erkenntniß zu bringen; aber er hat eben ſo oft dahin
geführt, das wahre Element in den Beſtrebungen der
Gegner einſeitig zu verkennen. Denn wir dürfen nicht
überſehen, daß bey einer ſcheinbar auf das Einzelne be-
ſchränkten Unterſuchung, der Sinn für das Ganze, alſo
für die höhere Bedeutung der Rechtsinſtitute, ſich offen-
baren kann: ſo wie auf der andern Seite die auf das
Allgemeine gerichtete Unterſuchung von der Anſchauung
des geſchichtlichen Lebens der Völker wahrhaft durchdrun-
gen ſeyn mag. Sieht man dabey ab von den Aeußerun-
gen des Parteygeiſtes (als dem Nichtigen und Vergäng-
lichen), und faßt man die wiſſenſchaftlichen Richtungen
unſrer Zeit rein für ſich in’s Auge, ſo dürfte man wohl
dem erfreulichen Gedanken einer inneren Annäherung,
und damit eines wahrhaften Fortſchrittes, Raum geben
können.

Jene allgemeine Aufgabe alles Rechts nun läßt ſich
einfach auf die ſittliche Beſtimmung der menſchlichen Na-
tur zurück führen, ſo wie ſich dieſelbe in der chriſtlichen
Lebensanſicht darſtellt; denn das Chriſtenthum iſt nicht
nur von uns als Regel des Lebens anzuerkennen, ſondern

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[53/0109] §. 15. Rechtsquellen im Zuſammenhang. während die erſte allen höheren Beruf in ihm verkennt. Beide Abwege werden wir vermeiden, wenn wir eine allgemeine Aufgabe annehmen, welche auf ihre beſondere Weiſe zu löſen die geſchichtliche Aufgabe der einzelnen Völker iſt. Der lebhafte Streit über dieſe Gegenſätze hat gewiß dazu gedient, dieſelben ſchärfer und beſtimmter zur Erkenntniß zu bringen; aber er hat eben ſo oft dahin geführt, das wahre Element in den Beſtrebungen der Gegner einſeitig zu verkennen. Denn wir dürfen nicht überſehen, daß bey einer ſcheinbar auf das Einzelne be- ſchränkten Unterſuchung, der Sinn für das Ganze, alſo für die höhere Bedeutung der Rechtsinſtitute, ſich offen- baren kann: ſo wie auf der andern Seite die auf das Allgemeine gerichtete Unterſuchung von der Anſchauung des geſchichtlichen Lebens der Völker wahrhaft durchdrun- gen ſeyn mag. Sieht man dabey ab von den Aeußerun- gen des Parteygeiſtes (als dem Nichtigen und Vergäng- lichen), und faßt man die wiſſenſchaftlichen Richtungen unſrer Zeit rein für ſich in’s Auge, ſo dürfte man wohl dem erfreulichen Gedanken einer inneren Annäherung, und damit eines wahrhaften Fortſchrittes, Raum geben können. Jene allgemeine Aufgabe alles Rechts nun läßt ſich einfach auf die ſittliche Beſtimmung der menſchlichen Na- tur zurück führen, ſo wie ſich dieſelbe in der chriſtlichen Lebensanſicht darſtellt; denn das Chriſtenthum iſt nicht nur von uns als Regel des Lebens anzuerkennen, ſondern

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/109>, abgerufen am 26.11.2024.