Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.Ein wichtiger Punkt ist noch zu bedenken, die Ich weiß, was man auf diese Gründe antwor- Ein wichtiger Punkt iſt noch zu bedenken, die Ich weiß, was man auf dieſe Gründe antwor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0062" n="52"/> <p>Ein wichtiger Punkt iſt noch zu bedenken, die<lb/> Sprache nämlich. Ich frage jeden, der für wür-<lb/> digen, angemeſſenen Ausdruck Sinn hat, und der<lb/> die Sprache nicht als eine gemeine Geräthſchaft,<lb/> ſondern als Kunſtmittel betrachtet, ob wir eine Spra-<lb/> che haben, in welcher ein Geſetzbuch geſchrieben wer-<lb/> den könnte. Ich bin weit entfernt, die Kraft der<lb/> edlen Deutſchen Sprache ſelbſt in Zweifel zu ziehen;<lb/> aber eben daß ſie jetzt nicht dazu taugt, iſt mir ein<lb/> Zeichen mehr, daß wir in dieſem Kreiſe des Denkens<lb/> zurück ſind. Kommt nur erſt unſre Wiſſenſchaft<lb/> weiter, ſo wird man ſehen, wie unſre Sprache durch<lb/> friſche, urſprüngliche Lebenskraft förderlich ſeyn wird.<lb/> Noch mehr, ich glaube wir ſind in dieſem Stücke<lb/> noch in neueren Zeiten rückwärts gegangen. Ich<lb/> kenne aus dem achtzehenten Jahrhundert kein Deut-<lb/> ſches Geſetz, welches in Ernſt und Kraft des Aus-<lb/> drucks mit der peinlichen Gerichtsordnung Karls des<lb/> fünften verglichen werden könnte.</p><lb/> <p>Ich weiß, was man auf dieſe Gründe antwor-<lb/> ten kann, ſelbſt wenn man ſie alle zugiebt: die Kraft<lb/> des menſchlichen Geiſtes ſey unendlich, und bey red-<lb/> lichem Streben könne auch jetzt plötzlich ein Werk<lb/> hervorgehen, woran von allen dieſen Mängeln keiner<lb/> verſpürt würde. Wohl: der Verſuch ſteht jedem frey,<lb/> an Aufmerkſamkeit fehlt es unſrer Zeit nicht, und es<lb/> hat keine Gefahr, daß das wirkliche Gelingen über-<lb/> ſehen werde.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [52/0062]
Ein wichtiger Punkt iſt noch zu bedenken, die
Sprache nämlich. Ich frage jeden, der für wür-
digen, angemeſſenen Ausdruck Sinn hat, und der
die Sprache nicht als eine gemeine Geräthſchaft,
ſondern als Kunſtmittel betrachtet, ob wir eine Spra-
che haben, in welcher ein Geſetzbuch geſchrieben wer-
den könnte. Ich bin weit entfernt, die Kraft der
edlen Deutſchen Sprache ſelbſt in Zweifel zu ziehen;
aber eben daß ſie jetzt nicht dazu taugt, iſt mir ein
Zeichen mehr, daß wir in dieſem Kreiſe des Denkens
zurück ſind. Kommt nur erſt unſre Wiſſenſchaft
weiter, ſo wird man ſehen, wie unſre Sprache durch
friſche, urſprüngliche Lebenskraft förderlich ſeyn wird.
Noch mehr, ich glaube wir ſind in dieſem Stücke
noch in neueren Zeiten rückwärts gegangen. Ich
kenne aus dem achtzehenten Jahrhundert kein Deut-
ſches Geſetz, welches in Ernſt und Kraft des Aus-
drucks mit der peinlichen Gerichtsordnung Karls des
fünften verglichen werden könnte.
Ich weiß, was man auf dieſe Gründe antwor-
ten kann, ſelbſt wenn man ſie alle zugiebt: die Kraft
des menſchlichen Geiſtes ſey unendlich, und bey red-
lichem Streben könne auch jetzt plötzlich ein Werk
hervorgehen, woran von allen dieſen Mängeln keiner
verſpürt würde. Wohl: der Verſuch ſteht jedem frey,
an Aufmerkſamkeit fehlt es unſrer Zeit nicht, und es
hat keine Gefahr, daß das wirkliche Gelingen über-
ſehen werde.
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