ter Constantin wirkten auf das bürgerliche Recht nicht unmittelbar und ließen selbst Grundbegriffe des öffentlichen Rechts, wie z. B. den der Civität, unbe- rührt. In Deutschland dagegen, als das Lehenwe- sen ganz ausgebildet war, blieb von der alten Na- tion eigentlich nichts mehr übrig, alles bis auf For- men und Namen war von Grund aus verändert, und diese gänzliche Umwalzung war schon entschie- den, als das Römische Recht Eingang fand.
Im vorigen Abschnitt ist gezeigt worden, wie wichtig das Römische Recht als Muster juristischer Methode sey: für Deutschland ist es nun auch histo- risch, durch sein Verhältniß zum gemeinen Recht, von großer Wichtigkeit. Es ist ganz falsch, wenn man diese historische Wichtigkeit des Römischen Rechts auf die Fälle einschränken wollte, welche unmittelbar aus demselben entschieden werden. Nicht nur ist in den Landesrechten selbst sehr vieles blos Römisches Recht und nur in seinem ursprünglichen Römischen Zusammenhang verständlich, sondern auch da, wo man absichtlich seine Bestimmungen verlassen hat, hat es häufig die Richtung und Ansicht des neu einge- führten Rechts bestimmt, so daß die Aufgabe, die durch dieses neue Recht gelöst werden soll, ohne Rö- misches Recht gar nicht verstanden werden kann. Diese historische Wichtigkeit aber theilt mit dem Rö- mischen Recht das Deutsche, welches überall in den Landesrechten erhalten ist, so daß diese ohne Zurück-
ter Conſtantin wirkten auf das bürgerliche Recht nicht unmittelbar und ließen ſelbſt Grundbegriffe des öffentlichen Rechts, wie z. B. den der Civität, unbe- rührt. In Deutſchland dagegen, als das Lehenwe- ſen ganz ausgebildet war, blieb von der alten Na- tion eigentlich nichts mehr übrig, alles bis auf For- men und Namen war von Grund aus verändert, und dieſe gänzliche Umwalzung war ſchon entſchie- den, als das Römiſche Recht Eingang fand.
Im vorigen Abſchnitt iſt gezeigt worden, wie wichtig das Römiſche Recht als Muſter juriſtiſcher Methode ſey: für Deutſchland iſt es nun auch hiſto- riſch, durch ſein Verhältniß zum gemeinen Recht, von großer Wichtigkeit. Es iſt ganz falſch, wenn man dieſe hiſtoriſche Wichtigkeit des Römiſchen Rechts auf die Fälle einſchränken wollte, welche unmittelbar aus demſelben entſchieden werden. Nicht nur iſt in den Landesrechten ſelbſt ſehr vieles blos Römiſches Recht und nur in ſeinem urſprünglichen Römiſchen Zuſammenhang verſtändlich, ſondern auch da, wo man abſichtlich ſeine Beſtimmungen verlaſſen hat, hat es häufig die Richtung und Anſicht des neu einge- führten Rechts beſtimmt, ſo daß die Aufgabe, die durch dieſes neue Recht gelöſt werden ſoll, ohne Rö- miſches Recht gar nicht verſtanden werden kann. Dieſe hiſtoriſche Wichtigkeit aber theilt mit dem Rö- miſchen Recht das Deutſche, welches überall in den Landesrechten erhalten iſt, ſo daß dieſe ohne Zurück-
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ter Conſtantin wirkten auf das bürgerliche Recht
nicht unmittelbar und ließen ſelbſt Grundbegriffe des
öffentlichen Rechts, wie z. B. den der Civität, unbe-
rührt. In Deutſchland dagegen, als das Lehenwe-
ſen ganz ausgebildet war, blieb von der alten Na-
tion eigentlich nichts mehr übrig, alles bis auf For-
men und Namen war von Grund aus verändert,
und dieſe gänzliche Umwalzung war ſchon entſchie-
den, als das Römiſche Recht Eingang fand.
Im vorigen Abſchnitt iſt gezeigt worden, wie
wichtig das Römiſche Recht als Muſter juriſtiſcher
Methode ſey: für Deutſchland iſt es nun auch hiſto-
riſch, durch ſein Verhältniß zum gemeinen Recht,
von großer Wichtigkeit. Es iſt ganz falſch, wenn
man dieſe hiſtoriſche Wichtigkeit des Römiſchen Rechts
auf die Fälle einſchränken wollte, welche unmittelbar
aus demſelben entſchieden werden. Nicht nur iſt in
den Landesrechten ſelbſt ſehr vieles blos Römiſches
Recht und nur in ſeinem urſprünglichen Römiſchen
Zuſammenhang verſtändlich, ſondern auch da, wo
man abſichtlich ſeine Beſtimmungen verlaſſen hat, hat
es häufig die Richtung und Anſicht des neu einge-
führten Rechts beſtimmt, ſo daß die Aufgabe, die
durch dieſes neue Recht gelöſt werden ſoll, ohne Rö-
miſches Recht gar nicht verſtanden werden kann.
Dieſe hiſtoriſche Wichtigkeit aber theilt mit dem Rö-
miſchen Recht das Deutſche, welches überall in den
Landesrechten erhalten iſt, ſo daß dieſe ohne Zurück-
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/49>, abgerufen am 23.07.2024.
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