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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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gezogen werden. Vorzüglich aber soll diese Arbeit
nur in solchen Zeiten unternommen werden, die an
Bildung und Sachkenntniß höher stehen als die vor-
hergehenden, denn es sey sehr traurig, wenn durch
die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Wer-
ke der Vorzeit verstümmelt werden sollten 1).
Worauf es dabey ankommt, ist nicht schwer zu sagen:
das vorhandene, was nicht geändert, sondern beybe-
halten werden soll, muß gründlich erkannt und rich-
tig ausgesprochen werden. Jenes betrifft den Stoff,
dieses die Form.

In Ansehung des Stoffs ist die wichtigste und
schwierigste Aufgabe die Vollständigkeit des Gesetz-
buchs, und es kommt nur darauf an, diese Aufgabe,
worin Alle einstimmen, recht zu verstehen. Das Ge-
setzbuch nämlich soll, da es einzige Rechtsquelle zu
seyn bestimmt ist, auch in der That für jeden vor-
kommenden Fall im voraus die Entscheidung enthal-
ten. Dieses hat man häufig so gedacht, als ob
es möglich und gut wäre, die einzelnen Fälle als
solche durch Erfahrung vollständig kennen zu lernen,
und dann jeden durch eine entsprechende Stelle des
Gesetzbuchs zu entscheiden. Allein wer mit Aufmerk-

1) l. c. aph. 64. "Optandum esset, ut hujusmodi legum in-
"stauratio illis temporibus suscipiatur, quae antiquioribus, quorum
"acta et opera tractant, literis et rerum cognitiono praestiterint...
"Infelix res namque est, cum ex judicio et delectu aetatis minus
"prudentis et eruditae antiquorum opera mutilantur et recompo-
"nuntur."

gezogen werden. Vorzüglich aber ſoll dieſe Arbeit
nur in ſolchen Zeiten unternommen werden, die an
Bildung und Sachkenntniß höher ſtehen als die vor-
hergehenden, denn es ſey ſehr traurig, wenn durch
die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Wer-
ke der Vorzeit verſtümmelt werden ſollten 1).
Worauf es dabey ankommt, iſt nicht ſchwer zu ſagen:
das vorhandene, was nicht geändert, ſondern beybe-
halten werden ſoll, muß gründlich erkannt und rich-
tig ausgeſprochen werden. Jenes betrifft den Stoff,
dieſes die Form.

In Anſehung des Stoffs iſt die wichtigſte und
ſchwierigſte Aufgabe die Vollſtändigkeit des Geſetz-
buchs, und es kommt nur darauf an, dieſe Aufgabe,
worin Alle einſtimmen, recht zu verſtehen. Das Ge-
ſetzbuch nämlich ſoll, da es einzige Rechtsquelle zu
ſeyn beſtimmt iſt, auch in der That für jeden vor-
kommenden Fall im voraus die Entſcheidung enthal-
ten. Dieſes hat man häufig ſo gedacht, als ob
es möglich und gut wäre, die einzelnen Fälle als
ſolche durch Erfahrung vollſtändig kennen zu lernen,
und dann jeden durch eine entſprechende Stelle des
Geſetzbuchs zu entſcheiden. Allein wer mit Aufmerk-

1) l. c. aph. 64. „Optandum esset, ut hujusmodi legum in-
„stauratio illis temporibus ſuscipiatur, quae antiquioribus, quorum
„acta et opera tractant, literis et rerum cognitiono praestiterint…
„Infelix res namque est, cum ex judicio et delectu aetatis minus
„prudentis et eruditae antiquorum opera mutilantur et recompo-
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[21/0031] gezogen werden. Vorzüglich aber ſoll dieſe Arbeit nur in ſolchen Zeiten unternommen werden, die an Bildung und Sachkenntniß höher ſtehen als die vor- hergehenden, denn es ſey ſehr traurig, wenn durch die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Wer- ke der Vorzeit verſtümmelt werden ſollten 1). Worauf es dabey ankommt, iſt nicht ſchwer zu ſagen: das vorhandene, was nicht geändert, ſondern beybe- halten werden ſoll, muß gründlich erkannt und rich- tig ausgeſprochen werden. Jenes betrifft den Stoff, dieſes die Form. In Anſehung des Stoffs iſt die wichtigſte und ſchwierigſte Aufgabe die Vollſtändigkeit des Geſetz- buchs, und es kommt nur darauf an, dieſe Aufgabe, worin Alle einſtimmen, recht zu verſtehen. Das Ge- ſetzbuch nämlich ſoll, da es einzige Rechtsquelle zu ſeyn beſtimmt iſt, auch in der That für jeden vor- kommenden Fall im voraus die Entſcheidung enthal- ten. Dieſes hat man häufig ſo gedacht, als ob es möglich und gut wäre, die einzelnen Fälle als ſolche durch Erfahrung vollſtändig kennen zu lernen, und dann jeden durch eine entſprechende Stelle des Geſetzbuchs zu entſcheiden. Allein wer mit Aufmerk- 1) l. c. aph. 64. „Optandum esset, ut hujusmodi legum in- „stauratio illis temporibus ſuscipiatur, quae antiquioribus, quorum „acta et opera tractant, literis et rerum cognitiono praestiterint… „Infelix res namque est, cum ex judicio et delectu aetatis minus „prudentis et eruditae antiquorum opera mutilantur et recompo- „nuntur.“

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/31>, abgerufen am 28.11.2024.