Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.einem thierähnlichen Zustand gelebt habe, und von Diese Jugendzeit der Völker ist arm an Begrif- einem thierähnlichen Zuſtand gelebt habe, und von Dieſe Jugendzeit der Völker iſt arm an Begrif- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="9"/> einem thierähnlichen Zuſtand gelebt habe, und von<lb/> da durch allmähliche Entwicklung zu einem leidlichen<lb/> Daſeyn, bis endlich zu der Höhe gekommen ſey, auf<lb/> welcher wir jetzt ſtehen. Wir können dieſe Anſicht<lb/> unberührt laſſen, und uns auf die Thatſache jenes<lb/> erſten urkundlichen Zuſtandes des bürgerlichen Rechts<lb/> beſchränken. Wir wollen verſuchen, einige allgemeine<lb/> Züge dieſer Periode darzuſtellen, in welcher das<lb/> Recht wie die Sprache im Bewußtſeyn des Vol-<lb/> kes lebt.</p><lb/> <p>Dieſe Jugendzeit der Völker iſt arm an Begrif-<lb/> fen, aber ſie genießt ein klares Bewußtſeyn ihrer Zu-<lb/> ſtände und Verhältniſſe, ſie fühlt und durchlebt dieſe<lb/> ganz und vollſtändig, während wir, in unſrem künſt-<lb/> lich verwickelten Daſeyn, von unſerm eigenen Reich-<lb/> thum überwältigt ſind, anſtatt ihn zu genießen und<lb/> zu beherrſchen. Jener klare, naturgemäße Zuſtand<lb/> bewährt ſich vorzüglich auch im bürgerlichen Rechte,<lb/> und ſo wie für jeden einzelnen Menſchen ſeine Familien-<lb/> verhältniſſe und ſein Grundbeſitz durch eigene Würdi-<lb/> gung bedeutender werden, ſo iſt aus gleichem Grunde<lb/> möglich, daß die Regeln des Privatrechts ſelbſt zu<lb/> den Gegenſtänden des Volksglaubens gehören. Allein<lb/> jene geiſtigen Functionen bedürfen eines körperlichen<lb/> Daſeyns, um feſtgehalten zu werden. Ein ſolcher<lb/> Körper iſt für die Sprache ihre ſtete, ununterbrochene<lb/> Uebung, für die Verfaſſung ſind es die ſichtbaren<lb/> öffentlichen Gewalten, was vertritt aber dieſe Stelle<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0019]
einem thierähnlichen Zuſtand gelebt habe, und von
da durch allmähliche Entwicklung zu einem leidlichen
Daſeyn, bis endlich zu der Höhe gekommen ſey, auf
welcher wir jetzt ſtehen. Wir können dieſe Anſicht
unberührt laſſen, und uns auf die Thatſache jenes
erſten urkundlichen Zuſtandes des bürgerlichen Rechts
beſchränken. Wir wollen verſuchen, einige allgemeine
Züge dieſer Periode darzuſtellen, in welcher das
Recht wie die Sprache im Bewußtſeyn des Vol-
kes lebt.
Dieſe Jugendzeit der Völker iſt arm an Begrif-
fen, aber ſie genießt ein klares Bewußtſeyn ihrer Zu-
ſtände und Verhältniſſe, ſie fühlt und durchlebt dieſe
ganz und vollſtändig, während wir, in unſrem künſt-
lich verwickelten Daſeyn, von unſerm eigenen Reich-
thum überwältigt ſind, anſtatt ihn zu genießen und
zu beherrſchen. Jener klare, naturgemäße Zuſtand
bewährt ſich vorzüglich auch im bürgerlichen Rechte,
und ſo wie für jeden einzelnen Menſchen ſeine Familien-
verhältniſſe und ſein Grundbeſitz durch eigene Würdi-
gung bedeutender werden, ſo iſt aus gleichem Grunde
möglich, daß die Regeln des Privatrechts ſelbſt zu
den Gegenſtänden des Volksglaubens gehören. Allein
jene geiſtigen Functionen bedürfen eines körperlichen
Daſeyns, um feſtgehalten zu werden. Ein ſolcher
Körper iſt für die Sprache ihre ſtete, ununterbrochene
Uebung, für die Verfaſſung ſind es die ſichtbaren
öffentlichen Gewalten, was vertritt aber dieſe Stelle
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