9. Was bey vorhandenen Gesetzbü- chern zu thun ist.
Ich komme nun zu den Deutschen Ländern, in wel- chen Gesetzbücher schon vorhanden sind: es versteht sich, daß darunter nur das Preussische Landrecht und das Oesterreichische Gesetzbuch gedacht werden kann, nicht der Code, welcher als eine überstandene politi- sche Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir freylich noch manche Uebel nachempfinden werden.
Ueber jene Deutschen Gesetzbücher nun habe ich meine Meynung schon geäußert; aber man würde mich misverstehen, wenn man diese Meynung so deuten wollte, als ob damit die Abschaffung der Ge- setzbücher für etwas wünschenwerthes erklärt wäre. Diese sind vielmehr als eigene, neue Thatsachen in der Geschichte des Rechts zu behandeln, und ihre Aufhebung würde nicht nur unvermeidlich große Ver- wirrung zur Folge haben, sondern es müßte auch nachtheilig auf den öffentlichen Geist wirken, wenn dasjenige, was mit der besten Absicht und großer Anstrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückge- nommen werden sollte. Auch tritt ein großer Theil des Uebels, welches aus einem allgemeinen Gesetz- buche folgen würde, bey ihnen nicht ein, so lange in
9. Was bey vorhandenen Geſetzbü- chern zu thun iſt.
Ich komme nun zu den Deutſchen Ländern, in wel- chen Geſetzbücher ſchon vorhanden ſind: es verſteht ſich, daß darunter nur das Preuſſiſche Landrecht und das Oeſterreichiſche Geſetzbuch gedacht werden kann, nicht der Code, welcher als eine überſtandene politi- ſche Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir freylich noch manche Uebel nachempfinden werden.
Ueber jene Deutſchen Geſetzbücher nun habe ich meine Meynung ſchon geäußert; aber man würde mich misverſtehen, wenn man dieſe Meynung ſo deuten wollte, als ob damit die Abſchaffung der Ge- ſetzbücher für etwas wünſchenwerthes erklärt wäre. Dieſe ſind vielmehr als eigene, neue Thatſachen in der Geſchichte des Rechts zu behandeln, und ihre Aufhebung würde nicht nur unvermeidlich große Ver- wirrung zur Folge haben, ſondern es müßte auch nachtheilig auf den öffentlichen Geiſt wirken, wenn dasjenige, was mit der beſten Abſicht und großer Anſtrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückge- nommen werden ſollte. Auch tritt ein großer Theil des Uebels, welches aus einem allgemeinen Geſetz- buche folgen würde, bey ihnen nicht ein, ſo lange in
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9.
Was bey vorhandenen Geſetzbü-
chern zu thun iſt.
Ich komme nun zu den Deutſchen Ländern, in wel-
chen Geſetzbücher ſchon vorhanden ſind: es verſteht
ſich, daß darunter nur das Preuſſiſche Landrecht und
das Oeſterreichiſche Geſetzbuch gedacht werden kann,
nicht der Code, welcher als eine überſtandene politi-
ſche Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir
freylich noch manche Uebel nachempfinden werden.
Ueber jene Deutſchen Geſetzbücher nun habe ich
meine Meynung ſchon geäußert; aber man würde
mich misverſtehen, wenn man dieſe Meynung ſo
deuten wollte, als ob damit die Abſchaffung der Ge-
ſetzbücher für etwas wünſchenwerthes erklärt wäre.
Dieſe ſind vielmehr als eigene, neue Thatſachen in
der Geſchichte des Rechts zu behandeln, und ihre
Aufhebung würde nicht nur unvermeidlich große Ver-
wirrung zur Folge haben, ſondern es müßte auch
nachtheilig auf den öffentlichen Geiſt wirken, wenn
dasjenige, was mit der beſten Abſicht und großer
Anſtrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückge-
nommen werden ſollte. Auch tritt ein großer Theil
des Uebels, welches aus einem allgemeinen Geſetz-
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/145>, abgerufen am 04.03.2025.
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