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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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mit hinzu bringen: ja, wir werden ohne diesen Sinn
die individuelle Gestalt des Mannichfaltigen selbst nicht
mit Sicherheit unterscheiden. Darum hat in den Pan-
dekten jeder Rechtsfall eine bestimmte Individualität:
dagegen, wenn man Urtheilssprüche des achten und
neunten Jahrhunderts liest, so lautet einer wie der
andere, und es ist, als ob sich nur immer derselbe
Rechtsfall wiederholt hätte. Nicht als ob in der
That die Verhältnisse selbst bis zu diesem Grad der
Einförmigkeit herabgesunken wären; aber die Fähig-
keit der Unterscheidung war verloren, und je mehr
diese fehlt, desto unmöglicher ist sicheres und gleiches
Recht. Ein treffliches Mittel zu dieser Annäherung
der Theorie und Praxis würde ein zweckmäßiger Ver-
kehr der Juristenfakultäten mit den Gerichtshöfen
seyn, welcher neuerlich vorgeschlagen worden ist 1).
Die Juristenfakultäten als Spruchcollegien konnten
dazu dienen, und thaten es wohl ursprünglich nach
ihrer Weise: aber nachdem sie zu allgemeinen Ur-
theilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meist
handwerksmäßiger ausfallen, als die der bessern Ge-
richte, ja es stand nun bey alten Fakultäten nicht
mehr in der Macht einsichtsvoller Mitglieder, dieses
Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß
durch die nothwendige Uebung dieses unerspriesli-
chen Handwerks der gelehrten Jurisprudenz die

besten
1) Schmid Deutschlands Wiedergeburt, S. 278. 279.

mit hinzu bringen: ja, wir werden ohne dieſen Sinn
die individuelle Geſtalt des Mannichfaltigen ſelbſt nicht
mit Sicherheit unterſcheiden. Darum hat in den Pan-
dekten jeder Rechtsfall eine beſtimmte Individualität:
dagegen, wenn man Urtheilsſprüche des achten und
neunten Jahrhunderts lieſt, ſo lautet einer wie der
andere, und es iſt, als ob ſich nur immer derſelbe
Rechtsfall wiederholt hätte. Nicht als ob in der
That die Verhältniſſe ſelbſt bis zu dieſem Grad der
Einförmigkeit herabgeſunken wären; aber die Fähig-
keit der Unterſcheidung war verloren, und je mehr
dieſe fehlt, deſto unmöglicher iſt ſicheres und gleiches
Recht. Ein treffliches Mittel zu dieſer Annäherung
der Theorie und Praxis würde ein zweckmäßiger Ver-
kehr der Juriſtenfakultäten mit den Gerichtshöfen
ſeyn, welcher neuerlich vorgeſchlagen worden iſt 1).
Die Juriſtenfakultäten als Spruchcollegien konnten
dazu dienen, und thaten es wohl urſprünglich nach
ihrer Weiſe: aber nachdem ſie zu allgemeinen Ur-
theilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meiſt
handwerksmäßiger ausfallen, als die der beſſern Ge-
richte, ja es ſtand nun bey alten Fakultäten nicht
mehr in der Macht einſichtsvoller Mitglieder, dieſes
Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß
durch die nothwendige Uebung dieſes unerſpriesli-
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1) Schmid Deutſchlands Wiedergeburt, S. 278. 279.
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[128/0138] mit hinzu bringen: ja, wir werden ohne dieſen Sinn die individuelle Geſtalt des Mannichfaltigen ſelbſt nicht mit Sicherheit unterſcheiden. Darum hat in den Pan- dekten jeder Rechtsfall eine beſtimmte Individualität: dagegen, wenn man Urtheilsſprüche des achten und neunten Jahrhunderts lieſt, ſo lautet einer wie der andere, und es iſt, als ob ſich nur immer derſelbe Rechtsfall wiederholt hätte. Nicht als ob in der That die Verhältniſſe ſelbſt bis zu dieſem Grad der Einförmigkeit herabgeſunken wären; aber die Fähig- keit der Unterſcheidung war verloren, und je mehr dieſe fehlt, deſto unmöglicher iſt ſicheres und gleiches Recht. Ein treffliches Mittel zu dieſer Annäherung der Theorie und Praxis würde ein zweckmäßiger Ver- kehr der Juriſtenfakultäten mit den Gerichtshöfen ſeyn, welcher neuerlich vorgeſchlagen worden iſt 1). Die Juriſtenfakultäten als Spruchcollegien konnten dazu dienen, und thaten es wohl urſprünglich nach ihrer Weiſe: aber nachdem ſie zu allgemeinen Ur- theilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meiſt handwerksmäßiger ausfallen, als die der beſſern Ge- richte, ja es ſtand nun bey alten Fakultäten nicht mehr in der Macht einſichtsvoller Mitglieder, dieſes Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß durch die nothwendige Uebung dieſes unerſpriesli- chen Handwerks der gelehrten Jurisprudenz die beſten 1) Schmid Deutſchlands Wiedergeburt, S. 278. 279.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/138>, abgerufen am 27.11.2024.