nungen wirksam werden, daß wieder Streit und Zweifel entstehen kann über die Entscheidung, gehört zu den Wohlthaten, womit uns jetzt Gott gesegnet hat, denn nur aus dieser Entzweyung kann eine lebendige und feste Einheit hervorgehen, die Einheit der Ueberzeugung, nach welcher wir in allen geisti- gen Dingen zu streben durch unsre Natur gedrun- gen sind.
Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen feindlichen und einen friedlichen. Jenen führen wir, wo wir Ziel und Zweck verwerflich finden, diesen wo wir Mittel suchen zu gemeinsamen löblichen Zwecken. Jener wäre auch jetzt noch, da nicht mehr vom Code die Rede ist, an seiner Stelle, wenn Einer behaup- ten wollte, jetzt sey die rechte Zeit, wo alle einzelne Staaten in Deutschland sich fest abschließen müßten: dazu sey auch das Recht gut zu gebrauchen, und jede Regierung müsse für ein recht eigenthümliches Gesetzbuch sorgen, um auch hierin alles gemeinsame aufzuheben, was an den Zusammenhang der Nation erinnern könnte. Diese Ansicht ist nichts weniger als willkührlich ersonnen, vielmehr sind ihr manche Re- gierungen offenbar günstig: wohl aber hindert eine gewisse Scheu, sie jetzt laut werden zu lassen, und ich wüßte nicht, daß sie in Schriften für das bür- gerliche Recht benutzt worden wäre. Ganz anders ist es mit den Vorschlägen, die bis jetzt für dieses kund geworden sind, denn mit ihnen ist, wo wir
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nungen wirkſam werden, daß wieder Streit und Zweifel entſtehen kann über die Entſcheidung, gehört zu den Wohlthaten, womit uns jetzt Gott geſegnet hat, denn nur aus dieſer Entzweyung kann eine lebendige und feſte Einheit hervorgehen, die Einheit der Ueberzeugung, nach welcher wir in allen geiſti- gen Dingen zu ſtreben durch unſre Natur gedrun- gen ſind.
Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen feindlichen und einen friedlichen. Jenen führen wir, wo wir Ziel und Zweck verwerflich finden, dieſen wo wir Mittel ſuchen zu gemeinſamen löblichen Zwecken. Jener wäre auch jetzt noch, da nicht mehr vom Code die Rede iſt, an ſeiner Stelle, wenn Einer behaup- ten wollte, jetzt ſey die rechte Zeit, wo alle einzelne Staaten in Deutſchland ſich feſt abſchließen müßten: dazu ſey auch das Recht gut zu gebrauchen, und jede Regierung müſſe für ein recht eigenthümliches Geſetzbuch ſorgen, um auch hierin alles gemeinſame aufzuheben, was an den Zuſammenhang der Nation erinnern könnte. Dieſe Anſicht iſt nichts weniger als willkührlich erſonnen, vielmehr ſind ihr manche Re- gierungen offenbar günſtig: wohl aber hindert eine gewiſſe Scheu, ſie jetzt laut werden zu laſſen, und ich wüßte nicht, daß ſie in Schriften für das bür- gerliche Recht benutzt worden wäre. Ganz anders iſt es mit den Vorſchlägen, die bis jetzt für dieſes kund geworden ſind, denn mit ihnen iſt, wo wir
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nungen wirkſam werden, daß wieder Streit und
Zweifel entſtehen kann über die Entſcheidung, gehört
zu den Wohlthaten, womit uns jetzt Gott geſegnet
hat, denn nur aus dieſer Entzweyung kann eine
lebendige und feſte Einheit hervorgehen, die Einheit
der Ueberzeugung, nach welcher wir in allen geiſti-
gen Dingen zu ſtreben durch unſre Natur gedrun-
gen ſind.
Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen
feindlichen und einen friedlichen. Jenen führen wir,
wo wir Ziel und Zweck verwerflich finden, dieſen wo
wir Mittel ſuchen zu gemeinſamen löblichen Zwecken.
Jener wäre auch jetzt noch, da nicht mehr vom Code
die Rede iſt, an ſeiner Stelle, wenn Einer behaup-
ten wollte, jetzt ſey die rechte Zeit, wo alle einzelne
Staaten in Deutſchland ſich feſt abſchließen müßten:
dazu ſey auch das Recht gut zu gebrauchen, und
jede Regierung müſſe für ein recht eigenthümliches
Geſetzbuch ſorgen, um auch hierin alles gemeinſame
aufzuheben, was an den Zuſammenhang der Nation
erinnern könnte. Dieſe Anſicht iſt nichts weniger als
willkührlich erſonnen, vielmehr ſind ihr manche Re-
gierungen offenbar günſtig: wohl aber hindert eine
gewiſſe Scheu, ſie jetzt laut werden zu laſſen, und
ich wüßte nicht, daß ſie in Schriften für das bür-
gerliche Recht benutzt worden wäre. Ganz anders
iſt es mit den Vorſchlägen, die bis jetzt für dieſes
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/13>, abgerufen am 23.07.2024.
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