ist es, den eigenen Werth desselben in frischer Anschauung gegenwärtig erhalten, und sich so vor der Einseitig- keit der Gegenwart bewahren, welches allerdings möglich und heilsam ist. Wenn überhaupt die Geschichte auch im Jünglingsalter der Völker eine edle Lehrerin ist, so hat sie in Zeitaltern, wie das unsrige, noch ein anderes und heiligeres Amt. Denn nur durch sie kann der lebendige Zusammen- hang mit den ursprünglichen Zuständen der Völker erhalten werden, und der Verlust dieses Zusammen- hangs muß jedem Volk den besten Theil seines gei- stigen Lebens entziehen.
Dasjenige also, wodurch nach dieser Ansicht das gemeine Recht und die Landesrechte als Rechtsquel- len wahrhaft brauchbar und tadellos werden sollen, ist die strenge historische Methode der Rechtswissen- schaft. Der Charakter derselben besteht nicht, wie einige neuere Gegner unbegreiflicherweise gesagt ha- ben, in ausschließender Anpreisung des Römischen Rechts: auch nicht darin, daß sie die unbedingte Beybehaltung irgend eines gegebenen Stoffs ver- langte, was sie vielmehr gerade verhüten will, wie sich dieses oben bey der Beurtheilung des Oesterrei- chischen Gesetzbuchs gezeigt hat. Ihr Bestreben geht viel- mehr dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, und so sein organisches Princip zu ent- decken, wodurch sich von selbst das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern muß, was schon ab-
iſt es, den eigenen Werth deſſelben in friſcher Anſchauung gegenwärtig erhalten, und ſich ſo vor der Einſeitig- keit der Gegenwart bewahren, welches allerdings möglich und heilſam iſt. Wenn überhaupt die Geſchichte auch im Jünglingsalter der Völker eine edle Lehrerin iſt, ſo hat ſie in Zeitaltern, wie das unſrige, noch ein anderes und heiligeres Amt. Denn nur durch ſie kann der lebendige Zuſammen- hang mit den urſprünglichen Zuſtänden der Völker erhalten werden, und der Verluſt dieſes Zuſammen- hangs muß jedem Volk den beſten Theil ſeines gei- ſtigen Lebens entziehen.
Dasjenige alſo, wodurch nach dieſer Anſicht das gemeine Recht und die Landesrechte als Rechtsquel- len wahrhaft brauchbar und tadellos werden ſollen, iſt die ſtrenge hiſtoriſche Methode der Rechtswiſſen- ſchaft. Der Charakter derſelben beſteht nicht, wie einige neuere Gegner unbegreiflicherweiſe geſagt ha- ben, in ausſchließender Anpreiſung des Römiſchen Rechts: auch nicht darin, daß ſie die unbedingte Beybehaltung irgend eines gegebenen Stoffs ver- langte, was ſie vielmehr gerade verhüten will, wie ſich dieſes oben bey der Beurtheilung des Oeſterrei- chiſchen Geſetzbuchs gezeigt hat. Ihr Beſtreben geht viel- mehr dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu ſeiner Wurzel zu verfolgen, und ſo ſein organiſches Princip zu ent- decken, wodurch ſich von ſelbſt das, was noch Leben hat, von demjenigen abſondern muß, was ſchon ab-
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iſt es, den eigenen Werth deſſelben in friſcher Anſchauung
gegenwärtig erhalten, und ſich ſo vor der Einſeitig-
keit der Gegenwart bewahren, welches allerdings
möglich und heilſam iſt. Wenn überhaupt die
Geſchichte auch im Jünglingsalter der Völker eine
edle Lehrerin iſt, ſo hat ſie in Zeitaltern, wie
das unſrige, noch ein anderes und heiligeres Amt.
Denn nur durch ſie kann der lebendige Zuſammen-
hang mit den urſprünglichen Zuſtänden der Völker
erhalten werden, und der Verluſt dieſes Zuſammen-
hangs muß jedem Volk den beſten Theil ſeines gei-
ſtigen Lebens entziehen.
Dasjenige alſo, wodurch nach dieſer Anſicht das
gemeine Recht und die Landesrechte als Rechtsquel-
len wahrhaft brauchbar und tadellos werden ſollen,
iſt die ſtrenge hiſtoriſche Methode der Rechtswiſſen-
ſchaft. Der Charakter derſelben beſteht nicht, wie
einige neuere Gegner unbegreiflicherweiſe geſagt ha-
ben, in ausſchließender Anpreiſung des Römiſchen
Rechts: auch nicht darin, daß ſie die unbedingte
Beybehaltung irgend eines gegebenen Stoffs ver-
langte, was ſie vielmehr gerade verhüten will, wie
ſich dieſes oben bey der Beurtheilung des Oeſterrei-
chiſchen Geſetzbuchs gezeigt hat. Ihr Beſtreben geht viel-
mehr dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu ſeiner Wurzel
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decken, wodurch ſich von ſelbſt das, was noch Leben
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/127>, abgerufen am 23.07.2024.
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