aufgestellten engeren Begriff der Sachen, worauf sich nachher die Rechtsverhältnisse beziehen. Ein noch allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs der Sache zeigt sich schon bey der Eintheilung der Sachenrechte in dingliche und persönliche (§. 307): zu den dinglichen werden die bekannten fünf Arten gerechnet, Besitz, Eigenthum, Pfand, Dienstbarkeit und Erbrecht (§. 308), deren Zusammenstellung al- lein schon hinreicht, jeden bestimmten Gattungsbegriff ganz unmöglich zu machen. -- Die Objevte der Ersitzung werden so allgemein angegeben (§. 1455), daß man viele Rechte, z. B. Forderungen, darunter rechnen müßte, auf welche doch diese Art des Erwerbs nur auf sehr gezwungene und überflüssige Weise an- gewendet werden könnte, eine Anwendung, die wahr- scheinlich gar nicht einmal gemeynt ist. Das Land- recht (I. 9) verhütet diesen Zweifel dadurch, daß es die ganze Lehre unter den Erwerbungen des Eigen- thums abhandelt. -- Unter den persönlichen Ser- vituten werden das Recht des Gebrauchs und das der Fruchtnießung dadurch unterschieden, daß jenes auf das bloße Bedürfniß des Berechtigten beschränkt seyn soll, dieses aber nicht (§. 504. 509). Der praktische Sinn davon ist dieser, daß Verträge und Testamente, wenn sie von einem Recht des Gebrauchs reden, von einem solchen auf das Bedürfniß be- schränkten Nutzungsrecht ausgelegt werden sollen. Allein diese Interpretation ist gewiß nicht natürlich,
aufgeſtellten engeren Begriff der Sachen, worauf ſich nachher die Rechtsverhältniſſe beziehen. Ein noch allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs der Sache zeigt ſich ſchon bey der Eintheilung der Sachenrechte in dingliche und perſönliche (§. 307): zu den dinglichen werden die bekannten fünf Arten gerechnet, Beſitz, Eigenthum, Pfand, Dienſtbarkeit und Erbrecht (§. 308), deren Zuſammenſtellung al- lein ſchon hinreicht, jeden beſtimmten Gattungsbegriff ganz unmöglich zu machen. — Die Objevte der Erſitzung werden ſo allgemein angegeben (§. 1455), daß man viele Rechte, z. B. Forderungen, darunter rechnen müßte, auf welche doch dieſe Art des Erwerbs nur auf ſehr gezwungene und überflüſſige Weiſe an- gewendet werden könnte, eine Anwendung, die wahr- ſcheinlich gar nicht einmal gemeynt iſt. Das Land- recht (I. 9) verhütet dieſen Zweifel dadurch, daß es die ganze Lehre unter den Erwerbungen des Eigen- thums abhandelt. — Unter den perſönlichen Ser- vituten werden das Recht des Gebrauchs und das der Fruchtnießung dadurch unterſchieden, daß jenes auf das bloße Bedürfniß des Berechtigten beſchränkt ſeyn ſoll, dieſes aber nicht (§. 504. 509). Der praktiſche Sinn davon iſt dieſer, daß Verträge und Teſtamente, wenn ſie von einem Recht des Gebrauchs reden, von einem ſolchen auf das Bedürfniß be- ſchränkten Nutzungsrecht ausgelegt werden ſollen. Allein dieſe Interpretation iſt gewiß nicht natürlich,
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aufgeſtellten engeren Begriff der Sachen, worauf ſich
nachher die Rechtsverhältniſſe beziehen. Ein noch
allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs
der Sache zeigt ſich ſchon bey der Eintheilung der
Sachenrechte in dingliche und perſönliche (§. 307):
zu den dinglichen werden die bekannten fünf Arten
gerechnet, Beſitz, Eigenthum, Pfand, Dienſtbarkeit
und Erbrecht (§. 308), deren Zuſammenſtellung al-
lein ſchon hinreicht, jeden beſtimmten Gattungsbegriff
ganz unmöglich zu machen. — Die Objevte der
Erſitzung werden ſo allgemein angegeben (§. 1455),
daß man viele Rechte, z. B. Forderungen, darunter
rechnen müßte, auf welche doch dieſe Art des Erwerbs
nur auf ſehr gezwungene und überflüſſige Weiſe an-
gewendet werden könnte, eine Anwendung, die wahr-
ſcheinlich gar nicht einmal gemeynt iſt. Das Land-
recht (I. 9) verhütet dieſen Zweifel dadurch, daß es
die ganze Lehre unter den Erwerbungen des Eigen-
thums abhandelt. — Unter den perſönlichen Ser-
vituten werden das Recht des Gebrauchs und das
der Fruchtnießung dadurch unterſchieden, daß jenes
auf das bloße Bedürfniß des Berechtigten beſchränkt
ſeyn ſoll, dieſes aber nicht (§. 504. 509). Der
praktiſche Sinn davon iſt dieſer, daß Verträge und
Teſtamente, wenn ſie von einem Recht des Gebrauchs
reden, von einem ſolchen auf das Bedürfniß be-
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Allein dieſe Interpretation iſt gewiß nicht natürlich,
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/110>, abgerufen am 23.07.2024.
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