Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Lotterfalle gestellet, darein er auch unvorsichtiger
Weise gerieth. Wer hätte gedacht, daß ein so hei-
liger, in GOttes Liebe so geübter, und in der Gnade
und heiligen Salbung so befestigter Mann capable
seyn solte, Ehebruch und Mord zu begehen, und
daß noch ein so abscheulicher Unrath in ihm heim-
lich steckte? Allein, weil er auf sich selbst bauete, so
erlaubte er seinen Augen, die nackete Bathseba zu
erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein so berühm-
ter Gottesmann, Schaden davon kriegen würde.

Darum ist das Mittagslüftlein sehr gefähr-
lich, wann man in allem wohl auf ist, in der Glau-
bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe-
brunst; da ist man gar hoch erhaben im hellen
Gnadenlicht: daher ist der Fall desto tieffer, und
die geringste Untreue wird desto strenger gerochen.

Wenn eine arme Bettelmagd von einem grossen
König so hoch begnadiget würde, daß er sie zu seiner
Brant erkiesen möchte, und sie alsdann sich einbil-
dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick,
könne sie nicht aus der hohen Gunst in Ungnade
stürtzen: so müste sie durch Verstossung in ihren vo-
rigen Bettelstand wol inne werden, daß ein so ro-
her Leichtsinn dem Könige sein Hertz tieffer verwun-
det, als die gröste Missethat eines gemeinen Unter-
thanen. Eben also ist bey einem Christen ein un-
vorsichtiger Kuß oder Anrühren des Fingers aus rei-
tzender Lust viel sträflicher, und Christo an einem er-
leuchteten Kinde GOttes unerträglicher, als Hurerey
und Ehebruch eines rohen Weltmenschen. Dan-
nenhero auch dieser in seinem Gewissen bey weitem
nicht so scharf gegeisselt wird, als Christi Freunde
über gering scheinende Verbrechen. Wenn Kinder
GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen sind,
gegen die Erinnerung des Geistes der Kindschaft
angehen: so werden sie von ihres himmlischen Vaters

Tisch
B b b 5

C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.
Lotterfalle geſtellet, darein er auch unvorſichtiger
Weiſe gerieth. Wer haͤtte gedacht, daß ein ſo hei-
liger, in GOttes Liebe ſo geuͤbter, und in der Gnade
und heiligen Salbung ſo befeſtigter Mann capable
ſeyn ſolte, Ehebruch und Mord zu begehen, und
daß noch ein ſo abſcheulicher Unrath in ihm heim-
lich ſteckte? Allein, weil er auf ſich ſelbſt bauete, ſo
erlaubte er ſeinen Augen, die nackete Bathſeba zu
erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein ſo beruͤhm-
ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wuͤrde.

Darum iſt das Mittagsluͤftlein ſehr gefaͤhr-
lich, wann man in allem wohl auf iſt, in der Glau-
bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe-
brunſt; da iſt man gar hoch erhaben im hellen
Gnadenlicht: daher iſt der Fall deſto tieffer, und
die geringſte Untreue wird deſto ſtrenger gerochen.

Wenn eine arme Bettelmagd von einem groſſen
Koͤnig ſo hoch begnadiget wuͤrde, daß er ſie zu ſeiner
Brant erkieſen moͤchte, und ſie alsdann ſich einbil-
dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick,
koͤnne ſie nicht aus der hohen Gunſt in Ungnade
ſtuͤrtzen: ſo muͤſte ſie durch Verſtoſſung in ihren vo-
rigen Bettelſtand wol inne werden, daß ein ſo ro-
her Leichtſinn dem Koͤnige ſein Hertz tieffer verwun-
det, als die groͤſte Miſſethat eines gemeinen Unter-
thanen. Eben alſo iſt bey einem Chriſten ein un-
vorſichtiger Kuß oder Anruͤhren des Fingers aus rei-
tzender Luſt viel ſtraͤflicher, und Chriſto an einem er-
leuchteten Kinde GOttes unertraͤglicher, als Hurerey
und Ehebruch eines rohen Weltmenſchen. Dan-
nenhero auch dieſer in ſeinem Gewiſſen bey weitem
nicht ſo ſcharf gegeiſſelt wird, als Chriſti Freunde
uͤber gering ſcheinende Verbrechen. Wenn Kinder
GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen ſind,
gegen die Erinnerung des Geiſtes der Kindſchaft
angehen: ſo werden ſie von ihres him̄liſchen Vaters

Tiſch
B b b 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0781" n="761"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit.</hi></fw><lb/>
Lotterfalle ge&#x017F;tellet, darein er auch unvor&#x017F;ichtiger<lb/>
Wei&#x017F;e gerieth. Wer ha&#x0364;tte gedacht, daß ein &#x017F;o hei-<lb/>
liger, in GOttes Liebe &#x017F;o geu&#x0364;bter, und in der Gnade<lb/>
und heiligen Salbung &#x017F;o befe&#x017F;tigter Mann capable<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olte, Ehebruch und Mord zu begehen, und<lb/>
daß noch ein &#x017F;o ab&#x017F;cheulicher Unrath in ihm heim-<lb/>
lich &#x017F;teckte? Allein, weil er auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bauete, &#x017F;o<lb/>
erlaubte er &#x017F;einen Augen, die nackete Bath&#x017F;eba zu<lb/>
erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein &#x017F;o beru&#x0364;hm-<lb/>
ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
            <p>Darum i&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Mittagslu&#x0364;ftlein</hi> &#x017F;ehr gefa&#x0364;hr-<lb/>
lich, wann man in allem wohl auf i&#x017F;t, in der Glau-<lb/>
bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe-<lb/>
brun&#x017F;t; da i&#x017F;t man gar hoch erhaben im hellen<lb/>
Gnadenlicht: daher i&#x017F;t der Fall de&#x017F;to tieffer, und<lb/>
die gering&#x017F;te Untreue wird de&#x017F;to &#x017F;trenger gerochen.</p><lb/>
            <p>Wenn eine arme Bettelmagd von einem gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ko&#x0364;nig &#x017F;o hoch begnadiget wu&#x0364;rde, daß er &#x017F;ie zu &#x017F;einer<lb/>
Brant erkie&#x017F;en mo&#x0364;chte, und &#x017F;ie alsdann &#x017F;ich einbil-<lb/>
dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick,<lb/>
ko&#x0364;nne &#x017F;ie nicht aus der hohen Gun&#x017F;t in Ungnade<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rtzen: &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;ie durch Ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ung in ihren vo-<lb/>
rigen Bettel&#x017F;tand wol inne werden, daß ein &#x017F;o ro-<lb/>
her Leicht&#x017F;inn dem Ko&#x0364;nige &#x017F;ein Hertz tieffer verwun-<lb/>
det, als die gro&#x0364;&#x017F;te Mi&#x017F;&#x017F;ethat eines gemeinen Unter-<lb/>
thanen. Eben al&#x017F;o i&#x017F;t bey einem Chri&#x017F;ten ein un-<lb/>
vor&#x017F;ichtiger Kuß oder Anru&#x0364;hren des Fingers aus rei-<lb/>
tzender Lu&#x017F;t viel &#x017F;tra&#x0364;flicher, und Chri&#x017F;to an einem er-<lb/>
leuchteten Kinde GOttes unertra&#x0364;glicher, als Hurerey<lb/>
und Ehebruch eines rohen Weltmen&#x017F;chen. Dan-<lb/>
nenhero auch die&#x017F;er in &#x017F;einem Gewi&#x017F;&#x017F;en bey weitem<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;charf gegei&#x017F;&#x017F;elt wird, als Chri&#x017F;ti Freunde<lb/>
u&#x0364;ber gering &#x017F;cheinende Verbrechen. Wenn Kinder<lb/>
GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen &#x017F;ind,<lb/>
gegen die Erinnerung des Gei&#x017F;tes der Kind&#x017F;chaft<lb/>
angehen: &#x017F;o werden &#x017F;ie von ihres him&#x0304;li&#x017F;chen Vaters<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b b 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ti&#x017F;ch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[761/0781] C. 4. Mittel wieder die Unreinigkeit. Lotterfalle geſtellet, darein er auch unvorſichtiger Weiſe gerieth. Wer haͤtte gedacht, daß ein ſo hei- liger, in GOttes Liebe ſo geuͤbter, und in der Gnade und heiligen Salbung ſo befeſtigter Mann capable ſeyn ſolte, Ehebruch und Mord zu begehen, und daß noch ein ſo abſcheulicher Unrath in ihm heim- lich ſteckte? Allein, weil er auf ſich ſelbſt bauete, ſo erlaubte er ſeinen Augen, die nackete Bathſeba zu erblicken, meinte wol nicht, daß er, ein ſo beruͤhm- ter Gottesmann, Schaden davon kriegen wuͤrde. Darum iſt das Mittagsluͤftlein ſehr gefaͤhr- lich, wann man in allem wohl auf iſt, in der Glau- bensfreudigkeit, und in der empfindlichen Liebe- brunſt; da iſt man gar hoch erhaben im hellen Gnadenlicht: daher iſt der Fall deſto tieffer, und die geringſte Untreue wird deſto ſtrenger gerochen. Wenn eine arme Bettelmagd von einem groſſen Koͤnig ſo hoch begnadiget wuͤrde, daß er ſie zu ſeiner Brant erkieſen moͤchte, und ſie alsdann ſich einbil- dete, eine geringe Untreue, etwa ein Nebenblick, koͤnne ſie nicht aus der hohen Gunſt in Ungnade ſtuͤrtzen: ſo muͤſte ſie durch Verſtoſſung in ihren vo- rigen Bettelſtand wol inne werden, daß ein ſo ro- her Leichtſinn dem Koͤnige ſein Hertz tieffer verwun- det, als die groͤſte Miſſethat eines gemeinen Unter- thanen. Eben alſo iſt bey einem Chriſten ein un- vorſichtiger Kuß oder Anruͤhren des Fingers aus rei- tzender Luſt viel ſtraͤflicher, und Chriſto an einem er- leuchteten Kinde GOttes unertraͤglicher, als Hurerey und Ehebruch eines rohen Weltmenſchen. Dan- nenhero auch dieſer in ſeinem Gewiſſen bey weitem nicht ſo ſcharf gegeiſſelt wird, als Chriſti Freunde uͤber gering ſcheinende Verbrechen. Wenn Kinder GOttes, die ins Gnadenreich aufgenommen ſind, gegen die Erinnerung des Geiſtes der Kindſchaft angehen: ſo werden ſie von ihres him̄liſchen Vaters Tiſch B b b 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/781
Zitationshilfe: Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/781>, abgerufen am 24.11.2024.