massen verfinstert, verkehret, und von seinem seligen Mittelpunet verrückt, daß er seinen Polarstern auf keine weise wieder finden konte. Er ward sich selbst und den seinigen unerträglich. Auf einen Tag gieng er mit sei- ner Schwester nach dem Mittagessen spatzieren in dem Baumgarten, und legte sich schlaffen. Bald aber fuhr er im Schrecken auf, und sagte seiner Schwester, ihm habe getraumt, es sey ein Sarg daher getragen worden, darauf er seinen Namen gar deutlich gelesen. Sie sag- te ihm, sie wisse kein besser Mittel für ihn, als er solte sich bekehren und darnach ringen, daß er wieder in sei- nen vorigen guten Zustand komme. Er antwortete: Jch kann, ich kann nicht mehr; es ist mir als wenn mir Hände und Füsse gebunden wären. Er hub seine Stimme auf, und weinete bitterlich; seine Schwe- ster weinete auch mit ihrem elenden Bruder: konte ihm aber nicht wieder aufhelffen. Etwa acht Tage nach diesem Traum begleitete er seinen Bruder, der auf Murten verreisete, und machte sich dort brav lustig. Jm heimfahren führete er das Steuerruder: der Ring aber zerriß und er stürtzete in See und ertranck nahe beym Land, also daß man ihn im Wasser sahe und herauszog aber todt. Und das war sein Ende! Was ich euch sa- ge, das sage ich allen: wachet. Marc. 13, 37.
Wachsam- keit.
Die Wachsamkeit ist eine unumgänglich nö- thige Sache in dieser Mordgrube, darinnen wir schweben. Dazu ermuntert uns unser HErr JEsus Christus und seine heiligen Apostel. Die Unkeuschheit ist ein fertiger, listiger, plötzlicher und tückischer Feind: ehe man sichs vermuthet, ist er der Seele auf der Hauben, und stürtzet sie jäm- merlich in die Befleckung. Hie muß man also die Versuchungsörter und Gelegenheiten sorgfäl- tig meiden. Ein jeder weiß bey sich selbst am al- lerbesten, was ihn reitzen kann. Es ist zwar unmöglich allen Reitzungen zu entfliehen: doch aber solls seyn, so viel man mit GOttes Hülfe kann, als da sind Müßiggang, Ueberladung des Magens, vieles Schlaffen, Gemächlichkeit, üppi- ge Gesellschafft, schlimme Bücher, ausschweiffen
der
Anhang zum dritten Theil,
maſſen verfinſtert, verkehret, und von ſeinem ſeligen Mittelpunet verruͤckt, daß er ſeinen Polarſtern auf keine weiſe wieder finden konte. Er ward ſich ſelbſt und den ſeinigen unertraͤglich. Auf einen Tag gieng er mit ſei- ner Schweſter nach dem Mittageſſen ſpatzieren in dem Baumgarten, und legte ſich ſchlaffen. Bald aber fuhr er im Schrecken auf, und ſagte ſeiner Schweſter, ihm habe getraumt, es ſey ein Sarg daher getragen worden, darauf er ſeinen Namen gar deutlich geleſen. Sie ſag- te ihm, ſie wiſſe kein beſſer Mittel fuͤr ihn, als er ſolte ſich bekehren und darnach ringen, daß er wieder in ſei- nen vorigen guten Zuſtand komme. Er antwortete: Jch kann, ich kann nicht mehr; es iſt mir als wenn mir Haͤnde und Fuͤſſe gebunden waͤren. Er hub ſeine Stimme auf, und weinete bitterlich; ſeine Schwe- ſter weinete auch mit ihrem elenden Bruder: konte ihm aber nicht wieder aufhelffen. Etwa acht Tage nach dieſem Traum begleitete er ſeinen Bruder, der auf Murten verreiſete, und machte ſich dort brav luſtig. Jm heimfahren fuͤhrete er das Steuerruder: der Ring aber zerriß und er ſtuͤrtzete in See und ertranck nahe beym Land, alſo daß man ihn im Waſſer ſahe und herauszog aber todt. Und das war ſein Ende! Was ich euch ſa- ge, das ſage ich allen: wachet. Marc. 13, 37.
Wachſam- keit.
Die Wachſamkeit iſt eine unumgaͤnglich noͤ- thige Sache in dieſer Mordgrube, darinnen wir ſchweben. Dazu ermuntert uns unſer HErr JEſus Chriſtus und ſeine heiligen Apoſtel. Die Unkeuſchheit iſt ein fertiger, liſtiger, ploͤtzlicher und tuͤckiſcher Feind: ehe man ſichs vermuthet, iſt er der Seele auf der Hauben, und ſtuͤrtzet ſie jaͤm- merlich in die Befleckung. Hie muß man alſo die Verſuchungsoͤrter und Gelegenheiten ſorgfaͤl- tig meiden. Ein jeder weiß bey ſich ſelbſt am al- lerbeſten, was ihn reitzen kann. Es iſt zwar unmoͤglich allen Reitzungen zu entfliehen: doch aber ſolls ſeyn, ſo viel man mit GOttes Huͤlfe kann, als da ſind Muͤßiggang, Ueberladung des Magens, vieles Schlaffen, Gemaͤchlichkeit, uͤppi- ge Geſellſchafft, ſchlimme Buͤcher, ausſchweiffen
der
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[634/0654]
Anhang zum dritten Theil,
maſſen verfinſtert, verkehret, und von ſeinem ſeligen
Mittelpunet verruͤckt, daß er ſeinen Polarſtern auf keine
weiſe wieder finden konte. Er ward ſich ſelbſt und den
ſeinigen unertraͤglich. Auf einen Tag gieng er mit ſei-
ner Schweſter nach dem Mittageſſen ſpatzieren in dem
Baumgarten, und legte ſich ſchlaffen. Bald aber fuhr
er im Schrecken auf, und ſagte ſeiner Schweſter, ihm
habe getraumt, es ſey ein Sarg daher getragen worden,
darauf er ſeinen Namen gar deutlich geleſen. Sie ſag-
te ihm, ſie wiſſe kein beſſer Mittel fuͤr ihn, als er ſolte
ſich bekehren und darnach ringen, daß er wieder in ſei-
nen vorigen guten Zuſtand komme. Er antwortete:
Jch kann, ich kann nicht mehr; es iſt mir als wenn
mir Haͤnde und Fuͤſſe gebunden waͤren. Er hub
ſeine Stimme auf, und weinete bitterlich; ſeine Schwe-
ſter weinete auch mit ihrem elenden Bruder: konte ihm
aber nicht wieder aufhelffen. Etwa acht Tage nach
dieſem Traum begleitete er ſeinen Bruder, der auf
Murten verreiſete, und machte ſich dort brav luſtig. Jm
heimfahren fuͤhrete er das Steuerruder: der Ring aber
zerriß und er ſtuͤrtzete in See und ertranck nahe beym
Land, alſo daß man ihn im Waſſer ſahe und herauszog
aber todt. Und das war ſein Ende! Was ich euch ſa-
ge, das ſage ich allen: wachet. Marc. 13, 37.
Die Wachſamkeit iſt eine unumgaͤnglich noͤ-
thige Sache in dieſer Mordgrube, darinnen wir
ſchweben. Dazu ermuntert uns unſer HErr
JEſus Chriſtus und ſeine heiligen Apoſtel. Die
Unkeuſchheit iſt ein fertiger, liſtiger, ploͤtzlicher und
tuͤckiſcher Feind: ehe man ſichs vermuthet, iſt er
der Seele auf der Hauben, und ſtuͤrtzet ſie jaͤm-
merlich in die Befleckung. Hie muß man alſo
die Verſuchungsoͤrter und Gelegenheiten ſorgfaͤl-
tig meiden. Ein jeder weiß bey ſich ſelbſt am al-
lerbeſten, was ihn reitzen kann. Es iſt zwar
unmoͤglich allen Reitzungen zu entfliehen: doch
aber ſolls ſeyn, ſo viel man mit GOttes Huͤlfe
kann, als da ſind Muͤßiggang, Ueberladung des
Magens, vieles Schlaffen, Gemaͤchlichkeit, uͤppi-
ge Geſellſchafft, ſchlimme Buͤcher, ausſchweiffen
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/654>, abgerufen am 16.07.2024.
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