werden. So soll dann ein Christ mit nicht gerin- ger Andacht bey der Taffel sitzen, und vor dem Angesicht GOttes essen und trincken, als wie ein frommer Priester sein Opfer bey dem Altar des HErrn verrichtet. Bloß wegen des Geschmacks, oder um der Annehmlichkeit und seltener Kostbar- keit der Speisen willen zu essen, gehöret unter die betrieglichen Lüste des alten Menschen, dadurch er sich verdirbet; in dem er sich nicht nur der göttli- chen Kost des himmlischen Mahls beraubet, sinte- mal bey einem vollen Tisch die höchstseligen Aus- flüsse des heiligen Geistes gewaltig gehemmet wer- den,) sondern der Mensch schlinget wircklich un- vorsichtiger weise den Unsegen, und allerley Kranck- heiten ja den Tod selber nach und nach in sich.
Die heilige Schrift setzt zwar keine allgemeine Regel, was und wie viel ein jeglicher essen solle: allermassen die Naturen sehr verschieden. Luthe- rus schreidt: Jch habe im Closter einen Frater ge- sehen, der konte fünf Semmeln auf einmal aufes- sen, da ich an einer genug hatte. Wenn nun der Prior demselben Bruder geboten hätte, daß er ihm auch an| einer Semmel solte genügen lassen; oder wo er mir hätte geboten, daß ich so viel Semmeln solte aufessen wie jener: so hätte |jener Hungers sterben müssen, und ich wäre von vielem Fressen verdorben. GOtt gönnet dir Speise und Tranck wie viel dir noth ist; nur daß du dir nicht selbst entweder an der Gesundheit oder am Himmel schadest. Es ist auch nicht angezeichnet, wie viel oder wenig dieser oder jener Heilige gegessen und getruncken: nur wird die schlechte Lebensart am Daniel und seinen Gesellen angemercket, die sich mit Gemüse behalfen; und am Johanne dem Täuf- fer, der an Heuschrecken und wildem Honig genug
hat-
Quellen der Unreinigkeit.
werden. So ſoll dann ein Chriſt mit nicht gerin- ger Andacht bey der Taffel ſitzen, und vor dem Angeſicht GOttes eſſen und trincken, als wie ein frommer Prieſter ſein Opfer bey dem Altar des HErrn verrichtet. Bloß wegen des Geſchmacks, oder um der Annehmlichkeit und ſeltener Koſtbar- keit der Speiſen willen zu eſſen, gehoͤret unter die betrieglichen Luͤſte des alten Menſchen, dadurch er ſich verdirbet; in dem er ſich nicht nur der goͤttli- chen Koſt des himmliſchen Mahls beraubet, ſinte- mal bey einem vollen Tiſch die hoͤchſtſeligen Aus- fluͤſſe des heiligen Geiſtes gewaltig gehemmet wer- den,) ſondern der Menſch ſchlinget wircklich un- vorſichtiger weiſe den Unſegen, und allerley Kranck- heiten ja den Tod ſelber nach und nach in ſich.
Die heilige Schrift ſetzt zwar keine allgemeine Regel, was und wie viel ein jeglicher eſſen ſolle: allermaſſen die Naturen ſehr verſchieden. Luthe- rus ſchreidt: Jch habe im Cloſter einen Frater ge- ſehen, der konte fuͤnf Semmeln auf einmal aufeſ- ſen, da ich an einer genug hatte. Wenn nun der Prior demſelben Bruder geboten haͤtte, daß er ihm auch an| einer Semmel ſolte genuͤgen laſſen; oder wo er mir haͤtte geboten, daß ich ſo viel Semmeln ſolte aufeſſen wie jener: ſo haͤtte |jener Hungers ſterben muͤſſen, und ich waͤre von vielem Freſſen verdorben. GOtt goͤnnet dir Speiſe und Tranck wie viel dir noth iſt; nur daß du dir nicht ſelbſt entweder an der Geſundheit oder am Himmel ſchadeſt. Es iſt auch nicht angezeichnet, wie viel oder wenig dieſer oder jener Heilige gegeſſen und getruncken: nur wird die ſchlechte Lebensart am Daniel und ſeinen Geſellen angemercket, die ſich mit Gemuͤſe behalfen; und am Johanne dem Taͤuf- fer, der an Heuſchrecken und wildem Honig genug
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Quellen der Unreinigkeit.
werden. So ſoll dann ein Chriſt mit nicht gerin-
ger Andacht bey der Taffel ſitzen, und vor dem
Angeſicht GOttes eſſen und trincken, als wie ein
frommer Prieſter ſein Opfer bey dem Altar des
HErrn verrichtet. Bloß wegen des Geſchmacks,
oder um der Annehmlichkeit und ſeltener Koſtbar-
keit der Speiſen willen zu eſſen, gehoͤret unter die
betrieglichen Luͤſte des alten Menſchen, dadurch er
ſich verdirbet; in dem er ſich nicht nur der goͤttli-
chen Koſt des himmliſchen Mahls beraubet, ſinte-
mal bey einem vollen Tiſch die hoͤchſtſeligen Aus-
fluͤſſe des heiligen Geiſtes gewaltig gehemmet wer-
den,) ſondern der Menſch ſchlinget wircklich un-
vorſichtiger weiſe den Unſegen, und allerley Kranck-
heiten ja den Tod ſelber nach und nach in ſich.
Die heilige Schrift ſetzt zwar keine allgemeine
Regel, was und wie viel ein jeglicher eſſen ſolle:
allermaſſen die Naturen ſehr verſchieden. Luthe-
rus ſchreidt: Jch habe im Cloſter einen Frater ge-
ſehen, der konte fuͤnf Semmeln auf einmal aufeſ-
ſen, da ich an einer genug hatte. Wenn nun der
Prior demſelben Bruder geboten haͤtte, daß er ihm
auch an| einer Semmel ſolte genuͤgen laſſen; oder
wo er mir haͤtte geboten, daß ich ſo viel Semmeln
ſolte aufeſſen wie jener: ſo haͤtte |jener Hungers
ſterben muͤſſen, und ich waͤre von vielem Freſſen
verdorben. GOtt goͤnnet dir Speiſe und Tranck
wie viel dir noth iſt; nur daß du dir nicht ſelbſt
entweder an der Geſundheit oder am Himmel
ſchadeſt. Es iſt auch nicht angezeichnet, wie viel
oder wenig dieſer oder jener Heilige gegeſſen und
getruncken: nur wird die ſchlechte Lebensart am
Daniel und ſeinen Geſellen angemercket, die ſich
mit Gemuͤſe behalfen; und am Johanne dem Taͤuf-
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/577>, abgerufen am 27.11.2024.
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