Jünglinge und Jungfrauen! gedencket doch an Sit- tim, das lustige Gefilde im Vorparadis: da das junge Jsrael noch erst an den heiligen Grentzen Canaans von den Midianitischen Töchtern verlocket, in Vergessen- heit aller der herrlichen Wunder, Plagen und Gerich- te gebracht, mit der Freß- und Saufflust gefangen, darauf vom Hurerey-Geist verstricket, dem Rach- Schwerdt göttlicher Gerechtigkeit überliefert, hart an den Thoren Jerusalems hingerichtet, und der köstlich- sten Früchte des verheissenen Landes beraubet worden! Hier heißts: Behalt was du hast, damit niemand deine Crone nehme. Wer sich düncken läßt, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle. Wie wehe thuts, wann man eine Viertelstunde nur nach verschlos- sener Stadtpforte daher schleichende kommt, und man alsdann die gantze Nacht draussen vor Angst zittern und in Reue heulen muß, weil man sich etwa an schäd- lichen oder sonst nichtswerthen oder auch scheinbaren Dingen verweilet hat! Man wäre etwa schier tüchtig worden zum Erbtheil der Heiligen im Licht, und es hätte fast nichts gefehlet, so wäre man noch ins Hoch- zeithaus hineinkommen; aber leider man hat der Träg- heit und Unachtsamkeit nachgehenget!
Ein zur himmlischen Hochzeitfreude Beruffener und auf dem Weg dahin begriffener kann sich doch noch leichtlich von ein wenig kothiger fleischeslust vergifften, einnehmen, bezaubern, und sein Ziel verrücken lassen: daß er am Ende seines Weges in einen feurig brennen- den Schwefelofen geworfen wird; ist das nicht ein Jammer, und ewig zu bedauren? Jsts nicht unsinnig, um des thierischen Kitzels Willen, die ewige Pein und Schmach für die ewige Freude und Herrlichkeit hin- zunehmen? Wie wirds alsdenn einem solchen unerbittli- chen und leichtsinnigen Lüstlinge ergehen? Uber sich hat er das grausamste Brüllen der gewaltigsten Donnerschlä- ge der allerheiligsten und gerechtesten Urtheile wegen sei- nes Verfalls; Unter sich die zitternde Erde; Neben sich Heulen und Schreyen gemarterter Leute; Jn sich
die
(II. Th.) Theologiſche Betrachtung.
Juͤnglinge und Jungfrauen! gedencket doch an Sit- tim, das luſtige Gefilde im Vorparadis: da das junge Jſrael noch erſt an den heiligen Grentzen Canaans von den Midianitiſchen Toͤchtern verlocket, in Vergeſſen- heit aller der herrlichen Wunder, Plagen und Gerich- te gebracht, mit der Freß- und Sauffluſt gefangen, darauf vom Hurerey-Geiſt verſtricket, dem Rach- Schwerdt goͤttlicher Gerechtigkeit uͤberliefert, hart an den Thoren Jeruſalems hingerichtet, und der koͤſtlich- ſten Fruͤchte des verheiſſenen Landes beraubet worden! Hier heißts: Behalt was du haſt, damit niemand deine Crone nehme. Wer ſich duͤncken laͤßt, er ſtehe, der ſehe zu, daß er nicht falle. Wie wehe thuts, wann man eine Viertelſtunde nur nach verſchloſ- ſener Stadtpforte daher ſchleichende kommt, und man alsdann die gantze Nacht drauſſen vor Angſt zittern und in Reue heulen muß, weil man ſich etwa an ſchaͤd- lichen oder ſonſt nichtswerthen oder auch ſcheinbaren Dingen verweilet hat! Man waͤre etwa ſchier tuͤchtig worden zum Erbtheil der Heiligen im Licht, und es haͤtte faſt nichts gefehlet, ſo waͤre man noch ins Hoch- zeithaus hineinkommen; aber leider man hat der Traͤg- heit und Unachtſamkeit nachgehenget!
Ein zur himmliſchen Hochzeitfreude Beruffener und auf dem Weg dahin begriffener kann ſich doch noch leichtlich von ein wenig kothiger fleiſchesluſt vergifften, einnehmen, bezaubern, und ſein Ziel verruͤcken laſſen: daß er am Ende ſeines Weges in einen feurig brennen- den Schwefelofen geworfen wird; iſt das nicht ein Jammer, und ewig zu bedauren? Jſts nicht unſinnig, um des thieriſchen Kitzels Willen, die ewige Pein und Schmach fuͤr die ewige Freude und Herrlichkeit hin- zunehmen? Wie wirds alsdenn einem ſolchen unerbittli- chen und leichtſinnigen Luͤſtlinge ergehen? Uber ſich hat er das grauſamſte Bruͤllen der gewaltigſten Donnerſchlaͤ- ge der allerheiligſten und gerechteſten Urtheile wegen ſei- nes Verfalls; Unter ſich die zitternde Erde; Neben ſich Heulen und Schreyen gemarterter Leute; Jn ſich
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(II. Th.) Theologiſche Betrachtung.
Juͤnglinge und Jungfrauen! gedencket doch an Sit-
tim, das luſtige Gefilde im Vorparadis: da das junge
Jſrael noch erſt an den heiligen Grentzen Canaans von
den Midianitiſchen Toͤchtern verlocket, in Vergeſſen-
heit aller der herrlichen Wunder, Plagen und Gerich-
te gebracht, mit der Freß- und Sauffluſt gefangen,
darauf vom Hurerey-Geiſt verſtricket, dem Rach-
Schwerdt goͤttlicher Gerechtigkeit uͤberliefert, hart an
den Thoren Jeruſalems hingerichtet, und der koͤſtlich-
ſten Fruͤchte des verheiſſenen Landes beraubet worden!
Hier heißts: Behalt was du haſt, damit niemand
deine Crone nehme. Wer ſich duͤncken laͤßt, er
ſtehe, der ſehe zu, daß er nicht falle. Wie wehe
thuts, wann man eine Viertelſtunde nur nach verſchloſ-
ſener Stadtpforte daher ſchleichende kommt, und man
alsdann die gantze Nacht drauſſen vor Angſt zittern
und in Reue heulen muß, weil man ſich etwa an ſchaͤd-
lichen oder ſonſt nichtswerthen oder auch ſcheinbaren
Dingen verweilet hat! Man waͤre etwa ſchier tuͤchtig
worden zum Erbtheil der Heiligen im Licht, und es
haͤtte faſt nichts gefehlet, ſo waͤre man noch ins Hoch-
zeithaus hineinkommen; aber leider man hat der Traͤg-
heit und Unachtſamkeit nachgehenget!
Ein zur himmliſchen Hochzeitfreude Beruffener und
auf dem Weg dahin begriffener kann ſich doch noch
leichtlich von ein wenig kothiger fleiſchesluſt vergifften,
einnehmen, bezaubern, und ſein Ziel verruͤcken laſſen:
daß er am Ende ſeines Weges in einen feurig brennen-
den Schwefelofen geworfen wird; iſt das nicht ein
Jammer, und ewig zu bedauren? Jſts nicht unſinnig,
um des thieriſchen Kitzels Willen, die ewige Pein und
Schmach fuͤr die ewige Freude und Herrlichkeit hin-
zunehmen? Wie wirds alsdenn einem ſolchen unerbittli-
chen und leichtſinnigen Luͤſtlinge ergehen? Uber ſich hat
er das grauſamſte Bruͤllen der gewaltigſten Donnerſchlaͤ-
ge der allerheiligſten und gerechteſten Urtheile wegen ſei-
nes Verfalls; Unter ſich die zitternde Erde; Neben
ſich Heulen und Schreyen gemarterter Leute; Jn ſich
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Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/370>, abgerufen am 16.02.2025.
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