Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740.(II. Th.) Theologische Betrachtung ten GOtt, unangesehen er seinen Jammer vor Au-gen siehet; daß sein Leib und Gemüth einem verheer- ten und verworrenen Garten gleich siehet, da kein le- bendiges Licht und Lebenskräfte empor wachsen können. Der siderische Sternenleib, nemlich die subtilesten Leibessäffte und die stärcksten Lebens- und Gemüths- kräfte werden allzugeschwind aufgebraucht und abgenutzt, indem das leuchtende Lebensöl so die äussere Sinnen tüchtig machen solte, die Geschöpfe der sichtbaren Welt mit erwünschter Vergnügsamkeit zu spüren und ihrer zu geniessen mehr verschüttet, als allgemach im an- muthigen Gebrauch nach des Schöpfers allergütigster Jntention und Absicht in langwierigem Leuchten und Brennen verzehret wird. Da man bis ins späte Al- ter hätte sehr wohl hören, sehen, essen, trincken, schlaffen, arbeiten, singen und springen können: da fühlet man im Gegentheil, daß allbereit im männli- chen Alter die wunderangenehme Anmuth, so die äussere Welt mit Farben, Klingen, Tönen, Ge- schmack, Geruch etc. in den Sinnen erwecket, merck- lich abgenommen; so, daß auch in der Empfindung selbst nicht mehr das angenehme Leben, sondern da- gegen vielmehr eine verächtliche Erstorbenheit zu spü- ren ist. Aber, wie gemeldet, ob wol ein Unkeuscher den einbrechenden Tod vor sich siehet, und ob er gleich mit dem Kayser Tiberio in der allerstärcksten Ueberzeu- gung sagen muß: Vivus, vidensque pereo. Jch lauf mit Lust zum Tode hin, Jch seh's; Ach GOtt! wo ist mein Sinn? So kan er doch nicht davor seyn, er drehe und wen- man-
(II. Th.) Theologiſche Betrachtung ten GOtt, unangeſehen er ſeinen Jammer vor Au-gen ſiehet; daß ſein Leib und Gemuͤth einem verheer- ten und verworrenen Garten gleich ſiehet, da kein le- bendiges Licht und Lebenskraͤfte empor wachſen koͤnnen. Der ſideriſche Sternenleib, nemlich die ſubtileſten Leibesſaͤffte und die ſtaͤrckſten Lebens- und Gemuͤths- kraͤfte werden allzugeſchwind aufgebraucht und abgenutzt, indem das leuchtende Lebensoͤl ſo die aͤuſſere Sinnen tuͤchtig machen ſolte, die Geſchoͤpfe der ſichtbaren Welt mit erwuͤnſchter Vergnuͤgſamkeit zu ſpuͤren und ihrer zu genieſſen mehr verſchuͤttet, als allgemach im an- muthigen Gebrauch nach des Schoͤpfers allerguͤtigſter Jntention und Abſicht in langwierigem Leuchten und Brennen verzehret wird. Da man bis ins ſpaͤte Al- ter haͤtte ſehr wohl hoͤren, ſehen, eſſen, trincken, ſchlaffen, arbeiten, ſingen und ſpringen koͤnnen: da fuͤhlet man im Gegentheil, daß allbereit im maͤnnli- chen Alter die wunderangenehme Anmuth, ſo die aͤuſſere Welt mit Farben, Klingen, Toͤnen, Ge- ſchmack, Geruch ꝛc. in den Sinnen erwecket, merck- lich abgenommen; ſo, daß auch in der Empfindung ſelbſt nicht mehr das angenehme Leben, ſondern da- gegen vielmehr eine veraͤchtliche Erſtorbenheit zu ſpuͤ- ren iſt. Aber, wie gemeldet, ob wol ein Unkeuſcher den einbrechenden Tod vor ſich ſiehet, und ob er gleich mit dem Kayſer Tiberio in der allerſtaͤrckſten Ueberzeu- gung ſagen muß: Vivus, vidensquè pereo. Jch lauf mit Luſt zum Tode hin, Jch ſeh’s; Ach GOtt! wo iſt mein Sinn? So kan er doch nicht davor ſeyn, er drehe und wen- man-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0330" n="310"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">II.</hi> Th.) <hi rendition="#b">Theologiſche Betrachtung</hi></fw><lb/> ten GOtt, unangeſehen er ſeinen Jammer vor Au-<lb/> gen ſiehet; daß ſein Leib und Gemuͤth einem verheer-<lb/> ten und verworrenen Garten gleich ſiehet, da kein le-<lb/> bendiges Licht und Lebenskraͤfte empor wachſen koͤnnen.<lb/> Der ſideriſche Sternenleib, nemlich die ſubtileſten<lb/> Leibesſaͤffte und die ſtaͤrckſten Lebens- und Gemuͤths-<lb/> kraͤfte werden allzugeſchwind aufgebraucht und abgenutzt,<lb/> indem das leuchtende Lebensoͤl ſo die aͤuſſere Sinnen<lb/> tuͤchtig machen ſolte, die Geſchoͤpfe der ſichtbaren Welt<lb/> mit erwuͤnſchter Vergnuͤgſamkeit zu ſpuͤren und ihrer<lb/> zu genieſſen mehr verſchuͤttet, als allgemach im an-<lb/> muthigen Gebrauch nach des Schoͤpfers allerguͤtigſter<lb/> Jntention und Abſicht in langwierigem Leuchten und<lb/> Brennen verzehret wird. Da man bis ins ſpaͤte Al-<lb/> ter haͤtte ſehr wohl hoͤren, ſehen, eſſen, trincken,<lb/> ſchlaffen, arbeiten, ſingen und ſpringen koͤnnen: da<lb/> fuͤhlet man im Gegentheil, daß allbereit im maͤnnli-<lb/> chen Alter die wunderangenehme Anmuth, ſo die<lb/> aͤuſſere Welt mit Farben, Klingen, Toͤnen, Ge-<lb/> ſchmack, Geruch ꝛc. in den Sinnen erwecket, merck-<lb/> lich abgenommen; ſo, daß auch in der Empfindung<lb/> ſelbſt nicht mehr das angenehme Leben, ſondern da-<lb/> gegen vielmehr eine veraͤchtliche Erſtorbenheit zu ſpuͤ-<lb/> ren iſt. Aber, wie gemeldet, ob wol ein Unkeuſcher<lb/> den einbrechenden Tod vor ſich ſiehet, und ob er gleich<lb/> mit dem Kayſer Tiberio in der allerſtaͤrckſten Ueberzeu-<lb/> gung ſagen muß:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Vivus, vidensquè pereo.</hi> </l><lb/> <l>Jch lauf mit Luſt zum Tode hin,</l><lb/> <l>Jch ſeh’s; Ach GOtt! wo iſt mein Sinn?</l> </lg><lb/> <p>So kan er doch nicht davor ſeyn, er drehe und wen-<lb/> de ſich ſo lang er immer mag, bis er auch die letzten<lb/> Hefen der Straffen ausgetruncken, und ſtatt eines<lb/> baldigen Schandtodes ein viel hundertmal peinlicher,<lb/> ſchimpflicher und jaͤmmerlicheres Schandleben an den<lb/> Hals bekommen, ſo ihn GOttes Erbarmung nicht er-<lb/> rettet. Geſetzt aber, der zeitliche Schaden ſey bey<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0330]
(II. Th.) Theologiſche Betrachtung
ten GOtt, unangeſehen er ſeinen Jammer vor Au-
gen ſiehet; daß ſein Leib und Gemuͤth einem verheer-
ten und verworrenen Garten gleich ſiehet, da kein le-
bendiges Licht und Lebenskraͤfte empor wachſen koͤnnen.
Der ſideriſche Sternenleib, nemlich die ſubtileſten
Leibesſaͤffte und die ſtaͤrckſten Lebens- und Gemuͤths-
kraͤfte werden allzugeſchwind aufgebraucht und abgenutzt,
indem das leuchtende Lebensoͤl ſo die aͤuſſere Sinnen
tuͤchtig machen ſolte, die Geſchoͤpfe der ſichtbaren Welt
mit erwuͤnſchter Vergnuͤgſamkeit zu ſpuͤren und ihrer
zu genieſſen mehr verſchuͤttet, als allgemach im an-
muthigen Gebrauch nach des Schoͤpfers allerguͤtigſter
Jntention und Abſicht in langwierigem Leuchten und
Brennen verzehret wird. Da man bis ins ſpaͤte Al-
ter haͤtte ſehr wohl hoͤren, ſehen, eſſen, trincken,
ſchlaffen, arbeiten, ſingen und ſpringen koͤnnen: da
fuͤhlet man im Gegentheil, daß allbereit im maͤnnli-
chen Alter die wunderangenehme Anmuth, ſo die
aͤuſſere Welt mit Farben, Klingen, Toͤnen, Ge-
ſchmack, Geruch ꝛc. in den Sinnen erwecket, merck-
lich abgenommen; ſo, daß auch in der Empfindung
ſelbſt nicht mehr das angenehme Leben, ſondern da-
gegen vielmehr eine veraͤchtliche Erſtorbenheit zu ſpuͤ-
ren iſt. Aber, wie gemeldet, ob wol ein Unkeuſcher
den einbrechenden Tod vor ſich ſiehet, und ob er gleich
mit dem Kayſer Tiberio in der allerſtaͤrckſten Ueberzeu-
gung ſagen muß:
Vivus, vidensquè pereo.
Jch lauf mit Luſt zum Tode hin,
Jch ſeh’s; Ach GOtt! wo iſt mein Sinn?
So kan er doch nicht davor ſeyn, er drehe und wen-
de ſich ſo lang er immer mag, bis er auch die letzten
Hefen der Straffen ausgetruncken, und ſtatt eines
baldigen Schandtodes ein viel hundertmal peinlicher,
ſchimpflicher und jaͤmmerlicheres Schandleben an den
Hals bekommen, ſo ihn GOttes Erbarmung nicht er-
rettet. Geſetzt aber, der zeitliche Schaden ſey bey
man-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |