nicht wahr: Die Gegenwart anderer, ja der blosse Argwohn und Furcht gesehen zu werden, vermag Sie auf der Stelle zurück zu halten, und ihre Begierden zu zähmen, wenn Sie auch schon starck entflammet wären?
Es gibt Menschen in der Welt, welche, wenn man alles, was sie aus Trieb ihrer viehischen Lüste begangen, wüste, und alle ihre garstige und unflätige Gedancken und Begierden mit Augen sehen könnte, solches mit allem ihrem Gut gerne, wo möglich, erkauften. Ja sie könten nicht länger unter den Leuten herum gehen; sie erkühnten sich nicht, sich sehen zu lassen; und würden vor Scham in ein ander Land ziehen, worinn ihre Schandthat unbekant, und die Gänge und Wege ihrer Gedancken nicht könten gesehen werden. Vermag die Furcht vor Men- schen so viel: wie, kann denn die Furcht GOttes solche Unmenschen von dieser Sünde nicht ab- schrecken? Thut man es nicht vor Menschen: wie unterstehet man sich denn, sie vor den Au- gen GOttes des Allerhöchsten und Gerechtesten zu begehen, der alles siehet, was wir thun und dencken, und dem die Unreinigkeit unendlich mehr verhaßt seyn muß, als allen Menschen zu- sammen? Jst dieses nicht eine erschreckliche Be- leidigung der höchsten Majestät GOttes, daß man sich weniger scheuet vor ihm, als vor ei- nem Menschen, ja vor einem Kinde? Stehet das einem vernünftigen Menschen wohl an, daß er eine Scham und Scheu noch wol vor Men- schen träget: aber wenn ihn die nicht mehr se-
hen,
Betrachtung der Unreinigkeit.
nicht wahr: Die Gegenwart anderer, ja der bloſſe Argwohn und Furcht geſehen zu werden, vermag Sie auf der Stelle zuruͤck zu halten, und ihre Begierden zu zaͤhmen, wenn Sie auch ſchon ſtarck entflammet waͤren?
Es gibt Menſchen in der Welt, welche, wenn man alles, was ſie aus Trieb ihrer viehiſchen Luͤſte begangen, wuͤſte, und alle ihre garſtige und unflaͤtige Gedancken und Begierden mit Augen ſehen koͤnnte, ſolches mit allem ihrem Gut gerne, wo moͤglich, erkauften. Ja ſie koͤnten nicht laͤnger unter den Leuten herum gehen; ſie erkuͤhnten ſich nicht, ſich ſehen zu laſſen; und wuͤrden vor Scham in ein ander Land ziehen, worinn ihre Schandthat unbekant, und die Gaͤnge und Wege ihrer Gedancken nicht koͤnten geſehen werden. Vermag die Furcht vor Men- ſchen ſo viel: wie, kann denn die Furcht GOttes ſolche Unmenſchen von dieſer Suͤnde nicht ab- ſchrecken? Thut man es nicht vor Menſchen: wie unterſtehet man ſich denn, ſie vor den Au- gen GOttes des Allerhoͤchſten und Gerechteſten zu begehen, der alles ſiehet, was wir thun und dencken, und dem die Unreinigkeit unendlich mehr verhaßt ſeyn muß, als allen Menſchen zu- ſammen? Jſt dieſes nicht eine erſchreckliche Be- leidigung der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes, daß man ſich weniger ſcheuet vor ihm, als vor ei- nem Menſchen, ja vor einem Kinde? Stehet das einem vernuͤnftigen Menſchen wohl an, daß er eine Scham und Scheu noch wol vor Men- ſchen traͤget: aber wenn ihn die nicht mehr ſe-
hen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="141"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Betrachtung der Unreinigkeit.</hi></fw><lb/>
nicht wahr: Die Gegenwart anderer, ja der<lb/>
bloſſe Argwohn und Furcht geſehen zu werden,<lb/>
vermag Sie auf der Stelle zuruͤck zu halten,<lb/>
und ihre Begierden zu zaͤhmen, wenn Sie auch<lb/>ſchon ſtarck entflammet waͤren?</p><lb/><p>Es gibt Menſchen in der Welt, welche, wenn<lb/>
man alles, was ſie aus Trieb ihrer viehiſchen<lb/>
Luͤſte begangen, wuͤſte, und alle ihre garſtige<lb/>
und unflaͤtige Gedancken und Begierden mit<lb/>
Augen ſehen koͤnnte, ſolches mit allem ihrem Gut<lb/>
gerne, wo moͤglich, erkauften. Ja ſie koͤnten<lb/>
nicht laͤnger unter den Leuten herum gehen; ſie<lb/>
erkuͤhnten ſich nicht, ſich ſehen zu laſſen; und<lb/>
wuͤrden vor Scham in ein ander Land ziehen,<lb/>
worinn ihre Schandthat unbekant, und die<lb/>
Gaͤnge und Wege ihrer Gedancken nicht koͤnten<lb/>
geſehen werden. Vermag die Furcht vor Men-<lb/>ſchen ſo viel: wie, kann denn die Furcht GOttes<lb/>ſolche Unmenſchen von dieſer Suͤnde nicht ab-<lb/>ſchrecken? Thut man es nicht vor Menſchen:<lb/>
wie unterſtehet man ſich denn, ſie vor den Au-<lb/>
gen GOttes des Allerhoͤchſten und Gerechteſten<lb/>
zu begehen, der alles ſiehet, was wir thun und<lb/>
dencken, und dem die Unreinigkeit unendlich<lb/>
mehr verhaßt ſeyn muß, als allen Menſchen zu-<lb/>ſammen? Jſt dieſes nicht eine erſchreckliche Be-<lb/>
leidigung der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes, daß<lb/>
man ſich weniger ſcheuet vor ihm, als vor ei-<lb/>
nem Menſchen, ja vor einem Kinde? Stehet<lb/>
das einem vernuͤnftigen Menſchen wohl an, daß<lb/>
er eine Scham und Scheu noch wol vor Men-<lb/>ſchen traͤget: aber wenn ihn die nicht mehr ſe-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">hen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[141/0161]
Betrachtung der Unreinigkeit.
nicht wahr: Die Gegenwart anderer, ja der
bloſſe Argwohn und Furcht geſehen zu werden,
vermag Sie auf der Stelle zuruͤck zu halten,
und ihre Begierden zu zaͤhmen, wenn Sie auch
ſchon ſtarck entflammet waͤren?
Es gibt Menſchen in der Welt, welche, wenn
man alles, was ſie aus Trieb ihrer viehiſchen
Luͤſte begangen, wuͤſte, und alle ihre garſtige
und unflaͤtige Gedancken und Begierden mit
Augen ſehen koͤnnte, ſolches mit allem ihrem Gut
gerne, wo moͤglich, erkauften. Ja ſie koͤnten
nicht laͤnger unter den Leuten herum gehen; ſie
erkuͤhnten ſich nicht, ſich ſehen zu laſſen; und
wuͤrden vor Scham in ein ander Land ziehen,
worinn ihre Schandthat unbekant, und die
Gaͤnge und Wege ihrer Gedancken nicht koͤnten
geſehen werden. Vermag die Furcht vor Men-
ſchen ſo viel: wie, kann denn die Furcht GOttes
ſolche Unmenſchen von dieſer Suͤnde nicht ab-
ſchrecken? Thut man es nicht vor Menſchen:
wie unterſtehet man ſich denn, ſie vor den Au-
gen GOttes des Allerhoͤchſten und Gerechteſten
zu begehen, der alles ſiehet, was wir thun und
dencken, und dem die Unreinigkeit unendlich
mehr verhaßt ſeyn muß, als allen Menſchen zu-
ſammen? Jſt dieſes nicht eine erſchreckliche Be-
leidigung der hoͤchſten Majeſtaͤt GOttes, daß
man ſich weniger ſcheuet vor ihm, als vor ei-
nem Menſchen, ja vor einem Kinde? Stehet
das einem vernuͤnftigen Menſchen wohl an, daß
er eine Scham und Scheu noch wol vor Men-
ſchen traͤget: aber wenn ihn die nicht mehr ſe-
hen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sarganeck, Georg: Ueberzeugende und bewegliche Warnung vor allen Sünden der Unreinigkeit und Heimlichen Unzucht. Züllichau, 1740, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sarganeck_unzucht_1740/161>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.