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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Siebente Geistliche Lection
derhalben verzeyhe ich dir heut alle deine Sünden; und zum Zeichen der
Versohnung zwischen mir und dir/ küsse ich dich auff deinen Wangen.
Alle/ so dieses gesehen/ haben freylich mit danckbahrem Hertzen die Gütigkeit
und Barmhertzigkeit Gottes gepriesen.

5. Als besser dran/ mein Christliche Seel. Die H. Elisabeth/ ein Tochter
deß Königs in Ungarn/ ist als eine Verschwenderin der gemeinen Schatz-
Cammer von den Verwandten ihres Ehe-Herrns/ wie dann auch von ihren
selbst eigenen Unterthanen/ und so gar von den jenigen/ welchen sie vorhin gros-
se und vielfältige Gnaden und Wohlthaten erzeigt hatte/ aller Beherschung
ihrer Güter entsetzt/ und sehr übel gehalten worden: Ob nun dieses Unbill und
Schmach das gottselige Weib zur Ungedult hätte anreitzen können; so hat sie
jedoch nicht allein den geringsten Verdruß hierüber nicht gezeiget/ sondern
Gott also gebetten: Allergütigster Heyland/ ich verzeihe den jenigen von
Hertzen/ die mir unrecht gethan haben; und dich/ mein Jesu/ bitte ich demü-
tiglich/ du wollest ihnen allen ihre Sünden verzeyhen/ und denselben anne-
benst noch eine sonderbahre Wohlthat widerfahren lassen; Da sie also bettet/
erscheinet ihr der Herr; und nachdem er sie mit allem göttlichen Trost über
die massen gestärcket/ spricht er zu seiner lieben Dienerin diese Wort: O mein
liebste Tochter/ obwohln du mir bißhero viele angenehme Diensten erwie-
sen hast: dannoch hast du mir niemahlen so wohl gefallen/ und dergestalt
mein Hertz gewonnen/ als eben anjetzo/ indem du dieses Gebett für deine
Feind zu mir vergossen hast. Jm übrigen sollest du wissen/ daß du von mir
aller deiner Sünden Nachlassung erhalten habest: und wiewohl ich dich biß-
hero mit vielen Gnaden versehen habe; so will ich dich doch hinführo mit
mehrern bereichen/ und sonderbahre Sorge für dich tragen. So viel ist daran
gelegen/ daß man für seine Feind bette.

6. Warumb aber der barmhertzige GOtt allen den jenigen ihre Sünden
so leichtlich vergebe/ die gegen ihre Lästerer ein gutes Hertz tragen/ daß erläu-
tert der H. Augustinus auff folgende Weiß: Es seynd/ sagt er/ viele Arten
In En-
chir.
der Allmosen/ wann wir dieselbe üben/ so wird unsgeholffen/ daß uns unsere
Sünden vergeben werden: diese aber ist die gröste von allen/ wann wir nemb-
lich von Hertzen den jenigen verzeihen/ die gegen uns gesündiget haben. Wan
dan nach Meinung des H. Kirchen-Lehrers die Verzeyhung deß Unbills die
vortrefflichste Allmosen seynd; so ist wol zu schliessen/ dzselbige den grösten ge-
walt habe/ die Sünden zu vertilgen: und das bekräfftiget weiters der H. Chry-
In verba.
si esurie-
tis.
sostomus mit diesen Worten: wie grösser es Ubel dir dein Feind hat zugefügt/

desto

Die Siebente Geiſtliche Lection
derhalben verzeyhe ich dir heut alle deine Suͤnden; und zum Zeichen der
Verſohnung zwiſchen mir und dir/ kuͤſſe ich dich auff deinen Wangen.
Alle/ ſo dieſes geſehen/ haben freylich mit danckbahrem Hertzen die Guͤtigkeit
und Barmhertzigkeit Gottes geprieſen.

5. Als beſſer dran/ mein Chriſtliche Seel. Die H. Eliſabeth/ ein Tochter
deß Koͤnigs in Ungarn/ iſt als eine Verſchwenderin der gemeinen Schatz-
Cammer von den Verwandten ihres Ehe-Herrns/ wie dann auch von ihren
ſelbſt eigenen Unterthanen/ und ſo gar von den jenigen/ welchẽ ſie vorhin groſ-
ſe und vielfaͤltige Gnaden und Wohlthaten erzeigt hatte/ aller Beherſchung
ihrer Guͤter entſetzt/ und ſehr uͤbel gehalten worden: Ob nun dieſes Unbill und
Schmach das gottſelige Weib zur Ungedult haͤtte anreitzen koͤnnen; ſo hat ſie
jedoch nicht allein den geringſten Verdruß hieruͤber nicht gezeiget/ ſondern
Gott alſo gebetten: Allerguͤtigſter Heyland/ ich verzeihe den jenigen von
Hertzen/ die mir unrecht gethan haben; und dich/ mein Jeſu/ bitte ich demuͤ-
tiglich/ du wolleſt ihnen allen ihre Suͤnden verzeyhen/ und denſelben anne-
benſt noch eine ſonderbahre Wohlthat widerfahren laſſen; Da ſie alſo bettet/
erſcheinet ihr der Herr; und nachdem er ſie mit allem goͤttlichen Troſt uͤber
die maſſen geſtaͤrcket/ ſpricht er zu ſeiner lieben Dienerin dieſe Wort: O mein
liebſte Tochter/ obwohln du mir bißhero viele angenehme Dienſten erwie-
ſen haſt: dannoch haſt du mir niemahlen ſo wohl gefallen/ und dergeſtalt
mein Hertz gewonnen/ als eben anjetzo/ indem du dieſes Gebett fuͤr deine
Feind zu mir vergoſſen haſt. Jm uͤbrigen ſolleſt du wiſſen/ daß du von mir
aller deiner Suͤnden Nachlaſſung erhalten habeſt: und wiewohl ich dich biß-
hero mit vielen Gnaden verſehen habe; ſo will ich dich doch hinfuͤhro mit
mehrern bereichen/ und ſonderbahre Sorge fuͤr dich tragen. So viel iſt daran
gelegen/ daß man fuͤr ſeine Feind bette.

6. Warumb aber der barmhertzige GOtt allen den jenigen ihre Suͤnden
ſo leichtlich vergebe/ die gegen ihre Laͤſterer ein gutes Hertz tragen/ daß erlaͤu-
tert der H. Auguſtinus auff folgende Weiß: Es ſeynd/ ſagt er/ viele Arten
In En-
chir.
der Allmoſen/ wann wir dieſelbe uͤben/ ſo wird unsgeholffen/ daß uns unſere
Suͤnden vergeben werden: dieſe aber iſt die groͤſte von allen/ wann wir nemb-
lich von Hertzen den jenigen verzeihen/ die gegen uns geſuͤndiget haben. Wan
dan nach Meinung des H. Kirchen-Lehrers die Verzeyhung deß Unbills die
vortrefflichſte Allmoſen ſeynd; ſo iſt wol zu ſchlieſſen/ dzſelbige den groͤſten ge-
walt habe/ die Suͤnden zu vertilgen: und das bekraͤfftiget weiters der H. Chry-
In verba.
ſi eſurie-
tis.
ſoſtomus mit dieſen Worten: wie groͤſſer es Ubel dir dein Feind hat zugefuͤgt/

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[68/0096] Die Siebente Geiſtliche Lection derhalben verzeyhe ich dir heut alle deine Suͤnden; und zum Zeichen der Verſohnung zwiſchen mir und dir/ kuͤſſe ich dich auff deinen Wangen. Alle/ ſo dieſes geſehen/ haben freylich mit danckbahrem Hertzen die Guͤtigkeit und Barmhertzigkeit Gottes geprieſen. 5. Als beſſer dran/ mein Chriſtliche Seel. Die H. Eliſabeth/ ein Tochter deß Koͤnigs in Ungarn/ iſt als eine Verſchwenderin der gemeinen Schatz- Cammer von den Verwandten ihres Ehe-Herrns/ wie dann auch von ihren ſelbſt eigenen Unterthanen/ und ſo gar von den jenigen/ welchẽ ſie vorhin groſ- ſe und vielfaͤltige Gnaden und Wohlthaten erzeigt hatte/ aller Beherſchung ihrer Guͤter entſetzt/ und ſehr uͤbel gehalten worden: Ob nun dieſes Unbill und Schmach das gottſelige Weib zur Ungedult haͤtte anreitzen koͤnnen; ſo hat ſie jedoch nicht allein den geringſten Verdruß hieruͤber nicht gezeiget/ ſondern Gott alſo gebetten: Allerguͤtigſter Heyland/ ich verzeihe den jenigen von Hertzen/ die mir unrecht gethan haben; und dich/ mein Jeſu/ bitte ich demuͤ- tiglich/ du wolleſt ihnen allen ihre Suͤnden verzeyhen/ und denſelben anne- benſt noch eine ſonderbahre Wohlthat widerfahren laſſen; Da ſie alſo bettet/ erſcheinet ihr der Herr; und nachdem er ſie mit allem goͤttlichen Troſt uͤber die maſſen geſtaͤrcket/ ſpricht er zu ſeiner lieben Dienerin dieſe Wort: O mein liebſte Tochter/ obwohln du mir bißhero viele angenehme Dienſten erwie- ſen haſt: dannoch haſt du mir niemahlen ſo wohl gefallen/ und dergeſtalt mein Hertz gewonnen/ als eben anjetzo/ indem du dieſes Gebett fuͤr deine Feind zu mir vergoſſen haſt. Jm uͤbrigen ſolleſt du wiſſen/ daß du von mir aller deiner Suͤnden Nachlaſſung erhalten habeſt: und wiewohl ich dich biß- hero mit vielen Gnaden verſehen habe; ſo will ich dich doch hinfuͤhro mit mehrern bereichen/ und ſonderbahre Sorge fuͤr dich tragen. So viel iſt daran gelegen/ daß man fuͤr ſeine Feind bette. 6. Warumb aber der barmhertzige GOtt allen den jenigen ihre Suͤnden ſo leichtlich vergebe/ die gegen ihre Laͤſterer ein gutes Hertz tragen/ daß erlaͤu- tert der H. Auguſtinus auff folgende Weiß: Es ſeynd/ ſagt er/ viele Arten der Allmoſen/ wann wir dieſelbe uͤben/ ſo wird unsgeholffen/ daß uns unſere Suͤnden vergeben werden: dieſe aber iſt die groͤſte von allen/ wann wir nemb- lich von Hertzen den jenigen verzeihen/ die gegen uns geſuͤndiget haben. Wan dan nach Meinung des H. Kirchen-Lehrers die Verzeyhung deß Unbills die vortrefflichſte Allmoſen ſeynd; ſo iſt wol zu ſchlieſſen/ dzſelbige den groͤſten ge- walt habe/ die Suͤnden zu vertilgen: und das bekraͤfftiget weiters der H. Chry- ſoſtomus mit dieſen Worten: wie groͤſſer es Ubel dir dein Feind hat zugefuͤgt/ deſto In En- chir. In verba. ſi eſurie- tis.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/96>, abgerufen am 24.11.2024.