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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Brüderlichen Liebe.
Der andere Theil.

5. Es ist genugsamb bekand/ was massen Kayser/ König/ Fürsten und an-
dere mit gewissem Art der Kleidern ihre Diener zu verschen pflegen (welche
man Liberey nennet) damit sie vor andern können erkennet werden. Weil
nun diesem also; so zweiffele ich nicht/ es werde der König aller Königen/ und
Herscher aller Herschenden CHristus JESUS seinen Diener mit einer
neuen/ und von andern unterscheidender solchen Himmels-König gebühren-
der Liberey bekleiden: Was kan aber anders diese seyn/ als eben die Liebe deß
Nechstens? mich gedüncket/ daß der Heyland selbst dieses erklähret/ mit denen
außtrücklichen Worten: Dabey wird jederman erkennen/ daßJoan. 13.
v.
35.

ihr meine Junger seyd/ wann ihr die Liebe untereinander
haben werdet:
Sintemahlen keiner ein Diener deß himmlischen Königs
seyn kan/ es seye dann/ daß er ihn liebe: wie wird er aber GOtt lieben können
ohne die Liebe des Nechsten? dahero spricht der Heyl. Joannes: Wann ei-Epist. 1 c.
4. v.
20.

ner wird sagen/ ich liebe GOtt/ und seinen Bruder hasset/
der ist ein Lugner.
Dann der seinen Bruder nicht liebet/ den er siehet/
wie wird derselbige GOtt lieben/ den er nicht siehet? und dieses Gebott haben
wir von GOtt; daß der jenige/ so GOtt liebet/ auch liebet seinen Bruder:
wer dann mit diesem güldenen Kleid versehen zu werden/ und unter die Zahl
der göttlichen Leibeigenen gezehlet zu werden verlanget; der liebe seinen Bru-
der mit auffrichtiger Liebe/ damit er deß versprochenen Lohns theilhafftig wer-
de. O Wiewohl ware dieses dem geliebten Apostel Joanni bekennt! der-
halben bestunden seine treuhertzige Ermahnungen mehrentheils in diesen
Worten: Meine Kindelein liebet euch untereinander: So
gar auch/ daß seine anwesende Brüder und Jünger auß so offt widerholter
Zusprach mit grosser Verdrießlichkeit sagten? Meister warumb predigest du
immer und allezeit diese Wort? denen er zur Antwort gabe; weilen es der
Befelch Gottes ist/ und wann dieses allein geschicht/ so ists gnug.

6. Jm übrigen wann wir nun wollen sehen/ was diese stattliche Liberey
deß Herrn vor Wirckung thue; so werden wir erfahren/ daß sie die Seel der-
gestalt erwarme/ daß von selbiger alle natürliche und schädliche Läwigkeit
flüchtig/ und sie hergegen mit dem Fewer der göttlichen Liebe müsse noth-
wendiger Weiß entzündet werden. Der also brennet/ ist glückseelig/
dieweilen dieses Fewer alles/ was schon in sich beschwärlich und bitter
ist/ verleichteret und versüsset/ nach dem gemeinen Sprichwort: Dem
Liebenden ist nichts beschwärlich. Weiters bedecket dieses herrliche Kleid

alle
H 2
Von der Bruͤderlichen Liebe.
Der andere Theil.

5. Es iſt genugſamb bekand/ was maſſen Kayſer/ Koͤnig/ Fuͤrſten und an-
dere mit gewiſſem Art der Kleidern ihre Diener zu verſchen pflegen (welche
man Liberey nennet) damit ſie vor andern koͤnnen erkennet werden. Weil
nun dieſem alſo; ſo zweiffele ich nicht/ es werde der Koͤnig aller Koͤnigen/ und
Herſcher aller Herſchenden CHriſtus JESUS ſeinen Diener mit einer
neuen/ und von andern unterſcheidender ſolchen Himmels-Koͤnig gebuͤhren-
der Liberey bekleiden: Was kan aber anders dieſe ſeyn/ als eben die Liebe deß
Nechſtens? mich geduͤncket/ daß der Heyland ſelbſt dieſes erklaͤhret/ mit denen
außtruͤcklichen Worten: Dabey wird jederman erkennen/ daßJoan. 13.
v.
35.

ihr meine Jůnger ſeyd/ wann ihr die Liebe untereinander
haben werdet:
Sintemahlen keiner ein Diener deß himmliſchen Koͤnigs
ſeyn kan/ es ſeye dann/ daß er ihn liebe: wie wird er aber GOtt lieben koͤnnen
ohne die Liebe des Nechſten? dahero ſpricht der Heyl. Joannes: Wann ei-Epiſt. 1 c.
4. v.
20.

ner wird ſagen/ ich liebe GOtt/ und ſeinen Bruder haſſet/
der iſt ein Lůgner.
Dann der ſeinen Bruder nicht liebet/ den er ſiehet/
wie wird derſelbige GOtt lieben/ den er nicht ſiehet? und dieſes Gebott haben
wir von GOtt; daß der jenige/ ſo GOtt liebet/ auch liebet ſeinen Bruder:
wer dann mit dieſem guͤldenen Kleid verſehen zu werden/ und unter die Zahl
der goͤttlichen Leibeigenen gezehlet zu werden verlanget; der liebe ſeinen Bru-
der mit auffrichtiger Liebe/ damit er deß verſprochenen Lohns theilhafftig wer-
de. O Wiewohl ware dieſes dem geliebten Apoſtel Joanni bekennt! der-
halben beſtunden ſeine treuhertzige Ermahnungen mehrentheils in dieſen
Worten: Meine Kindelein liebet euch untereinander: So
gar auch/ daß ſeine anweſende Bruͤder und Juͤnger auß ſo offt widerholter
Zuſprach mit groſſer Verdrießlichkeit ſagten? Meiſter warumb predigeſt du
immer und allezeit dieſe Wort? denen er zur Antwort gabe; weilen es der
Befelch Gottes iſt/ und wann dieſes allein geſchicht/ ſo iſts gnug.

6. Jm uͤbrigen wann wir nun wollen ſehen/ was dieſe ſtattliche Liberey
deß Herrn vor Wirckung thue; ſo werden wir erfahren/ daß ſie die Seel der-
geſtalt erwarme/ daß von ſelbiger alle natuͤrliche und ſchaͤdliche Laͤwigkeit
fluͤchtig/ und ſie hergegen mit dem Fewer der goͤttlichen Liebe muͤſſe noth-
wendiger Weiß entzuͤndet werden. Der alſo brennet/ iſt gluͤckſeelig/
dieweilen dieſes Fewer alles/ was ſchon in ſich beſchwaͤrlich und bitter
iſt/ verleichteret und verſuͤſſet/ nach dem gemeinen Sprichwort: Dem
Liebenden iſt nichts beſchwaͤrlich. Weiters bedecket dieſes herrliche Kleid

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H 2
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[59/0087] Von der Bruͤderlichen Liebe. Der andere Theil. 5. Es iſt genugſamb bekand/ was maſſen Kayſer/ Koͤnig/ Fuͤrſten und an- dere mit gewiſſem Art der Kleidern ihre Diener zu verſchen pflegen (welche man Liberey nennet) damit ſie vor andern koͤnnen erkennet werden. Weil nun dieſem alſo; ſo zweiffele ich nicht/ es werde der Koͤnig aller Koͤnigen/ und Herſcher aller Herſchenden CHriſtus JESUS ſeinen Diener mit einer neuen/ und von andern unterſcheidender ſolchen Himmels-Koͤnig gebuͤhren- der Liberey bekleiden: Was kan aber anders dieſe ſeyn/ als eben die Liebe deß Nechſtens? mich geduͤncket/ daß der Heyland ſelbſt dieſes erklaͤhret/ mit denen außtruͤcklichen Worten: Dabey wird jederman erkennen/ daß ihr meine Jůnger ſeyd/ wann ihr die Liebe untereinander haben werdet: Sintemahlen keiner ein Diener deß himmliſchen Koͤnigs ſeyn kan/ es ſeye dann/ daß er ihn liebe: wie wird er aber GOtt lieben koͤnnen ohne die Liebe des Nechſten? dahero ſpricht der Heyl. Joannes: Wann ei- ner wird ſagen/ ich liebe GOtt/ und ſeinen Bruder haſſet/ der iſt ein Lůgner. Dann der ſeinen Bruder nicht liebet/ den er ſiehet/ wie wird derſelbige GOtt lieben/ den er nicht ſiehet? und dieſes Gebott haben wir von GOtt; daß der jenige/ ſo GOtt liebet/ auch liebet ſeinen Bruder: wer dann mit dieſem guͤldenen Kleid verſehen zu werden/ und unter die Zahl der goͤttlichen Leibeigenen gezehlet zu werden verlanget; der liebe ſeinen Bru- der mit auffrichtiger Liebe/ damit er deß verſprochenen Lohns theilhafftig wer- de. O Wiewohl ware dieſes dem geliebten Apoſtel Joanni bekennt! der- halben beſtunden ſeine treuhertzige Ermahnungen mehrentheils in dieſen Worten: Meine Kindelein liebet euch untereinander: So gar auch/ daß ſeine anweſende Bruͤder und Juͤnger auß ſo offt widerholter Zuſprach mit groſſer Verdrießlichkeit ſagten? Meiſter warumb predigeſt du immer und allezeit dieſe Wort? denen er zur Antwort gabe; weilen es der Befelch Gottes iſt/ und wann dieſes allein geſchicht/ ſo iſts gnug. Joan. 13. v. 35. Epiſt. 1 c. 4. v. 20. 6. Jm uͤbrigen wann wir nun wollen ſehen/ was dieſe ſtattliche Liberey deß Herrn vor Wirckung thue; ſo werden wir erfahren/ daß ſie die Seel der- geſtalt erwarme/ daß von ſelbiger alle natuͤrliche und ſchaͤdliche Laͤwigkeit fluͤchtig/ und ſie hergegen mit dem Fewer der goͤttlichen Liebe muͤſſe noth- wendiger Weiß entzuͤndet werden. Der alſo brennet/ iſt gluͤckſeelig/ dieweilen dieſes Fewer alles/ was ſchon in ſich beſchwaͤrlich und bitter iſt/ verleichteret und verſuͤſſet/ nach dem gemeinen Sprichwort: Dem Liebenden iſt nichts beſchwaͤrlich. Weiters bedecket dieſes herrliche Kleid alle H 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/87>, abgerufen am 25.11.2024.