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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Vier und Füntzigste Geistliche Lection
halben fragen: was am meisten zu verwundern seye/ daß GOTT in
einer geringen Sache gewircket habe? der Fr[a]nbdling gibt zur Antwort/
daß dieses seye der Unterscheid der menschlichen Angesichter: Sintemah-
len von Anfang der Welt kein zween seynd gefunden worden/ die sich in
der Gestalt gantz und zumahlen gleich gewesen wären: Hierauff begehrt
die Königliche Tochter/ er solle ihr auch diesen Knoden aufflösen: An
welchem Orth die Erd höher seye/ als der Himmel? der Frembdling
gibt zur Antwort/ und sagt; daß dieses geschehe/ allwo die Seeligen
ihren Sitz haben/ und die Menschheit CHRJSTJ zur Rechten deß
Vatters sitzet: über allsolche kluge Antworten verwundern sich alle Hauß-
genossen mit dem Bischoff: Das Mägdlein stellet endlich die dritte Frag
daher/ wie weit nemblich die Erd vom Himmel abgelegen seye? hier auff
antwortet der Frembdling/ und sagt; gehe du zu dem/ der dich hierhin
gesandt hat/ und fragt den selbiges: dann der weiß am besten diesen Be-
griff/ den er gemessen hat/ da er vom Himmel in die Tieffe der Höllen
ist gestürtzet worden: Dieses/ sagt der Frembdling/ ist kein Weibs-
bild/ so diese Fragen vorschlaget; sondern ein höllischer Bößwicht/ wel-
cher zur Verführung deß guten Bischoffs/ die Gestalt eines Mägdlein
an sich genommen hat: da diese Unterrichtung der Diener zum Tisch ge-
bracht; hat der Teuffel ungern gesehen/ daß sein Arglist entdecket wor-
den/ derhalben ist er augenblicklich verschwunden: und der Frembdling
hat sich auch weiters nicht sehen lassen: Nachmahlen hat GOTT auff
vielfältiges Anhalten deß Bischoffs/ demselben offenbahret/ daß allsol-
cher Frembdling der H. Andreas gewesen seye/ so die eusserste Gefahr deß
Verderbens von seinem Schutz-Kind abgewendet hat.

3. Hierauß kanst du schliessen/ mein Christliche Seel/ wie grosse
Sorg die Bürger der himmlischen Statt Jerusalem für die jenige tragen/
von denen sie verehret und angeruffen werden. O wie manchmahl würden
wir in sehr grosse Sünden fallen/ wann uns nicht selbige beschützen thäten!
Es wird einsmahls die Zeit heran kommen/ daß wir klärlich sehen wer-
den (so vor unsern Augen anjetzt verborgen ist) was massen unsere H. H. Pa-
tronen von hunderterley Gefahren der ewigen Verdamnüß uns errettet haben.
Dann/ wer kan läugnen/ daß der vorgemeldte Bischoff zu Grund gan-
gen wäre/ wann nicht der H. Andreas in Gestalt eines Frembdlings/ die
vermeinte Königliche Princessin vertrieben hätte? Die Heilige GOttes
seynd nicht allein nicht undanckbahr für die Ehr/ so ihnen von uns erwie-

sen

Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
halben fragen: was am meiſten zu verwundern ſeye/ daß GOTT in
einer geringen Sache gewircket habe? der Fr[a]nbdling gibt zur Antwort/
daß dieſes ſeye der Unterſcheid der menſchlichen Angeſichter: Sintemah-
len von Anfang der Welt kein zween ſeynd gefunden worden/ die ſich in
der Geſtalt gantz und zumahlen gleich geweſen waͤren: Hierauff begehrt
die Koͤnigliche Tochter/ er ſolle ihr auch dieſen Knoden auffloͤſen: An
welchem Orth die Erd hoͤher ſeye/ als der Himmel? der Frembdling
gibt zur Antwort/ und ſagt; daß dieſes geſchehe/ allwo die Seeligen
ihren Sitz haben/ und die Menſchheit CHRJSTJ zur Rechten deß
Vatters ſitzet: uͤber allſolche kluge Antworten verwundern ſich alle Hauß-
genoſſen mit dem Biſchoff: Das Maͤgdlein ſtellet endlich die dritte Frag
daher/ wie weit nemblich die Erd vom Himmel abgelegen ſeye? hier auff
antwortet der Frembdling/ und ſagt; gehe du zu dem/ der dich hierhin
geſandt hat/ und fragt den ſelbiges: dann der weiß am beſten dieſen Be-
griff/ den er gemeſſen hat/ da er vom Himmel in die Tieffe der Hoͤllen
iſt geſtuͤrtzet worden: Dieſes/ ſagt der Frembdling/ iſt kein Weibs-
bild/ ſo dieſe Fragen vorſchlaget; ſondern ein hoͤlliſcher Boͤßwicht/ wel-
cher zur Verfuͤhrung deß guten Biſchoffs/ die Geſtalt eines Maͤgdlein
an ſich genommen hat: da dieſe Unterrichtung der Diener zum Tiſch ge-
bracht; hat der Teuffel ungern geſehen/ daß ſein Argliſt entdecket wor-
den/ derhalben iſt er augenblicklich verſchwunden: und der Frembdling
hat ſich auch weiters nicht ſehen laſſen: Nachmahlen hat GOTT auff
vielfaͤltiges Anhalten deß Biſchoffs/ demſelben offenbahret/ daß allſol-
cher Frembdling der H. Andreas geweſen ſeye/ ſo die euſſerſte Gefahr deß
Verderbens von ſeinem Schutz-Kind abgewendet hat.

3. Hierauß kanſt du ſchlieſſen/ mein Chriſtliche Seel/ wie groſſe
Sorg die Buͤrger der himmliſchen Statt Jeruſalem fuͤr die jenige tragen/
von denen ſie verehret und angeruffen werden. O wie manchmahl wuͤrden
wir in ſehr groſſe Suͤnden fallen/ wann uns nicht ſelbige beſchuͤtzen thaͤten!
Es wird einsmahls die Zeit heran kommen/ daß wir klaͤrlich ſehen wer-
den (ſo vor unſern Augen anjetzt verborgen iſt) was maſſen unſere H. H. Pa-
tronen von hunderterley Gefahren der ewigẽ Verdamnuͤß uns errettet haben.
Dann/ wer kan laͤugnen/ daß der vorgemeldte Biſchoff zu Grund gan-
gen waͤre/ wann nicht der H. Andreas in Geſtalt eines Frembdlings/ die
vermeinte Koͤnigliche Princeſſin vertrieben haͤtte? Die Heilige GOttes
ſeynd nicht allein nicht undanckbahr fuͤr die Ehr/ ſo ihnen von uns erwie-

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[702/0730] Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection halben fragen: was am meiſten zu verwundern ſeye/ daß GOTT in einer geringen Sache gewircket habe? der Franbdling gibt zur Antwort/ daß dieſes ſeye der Unterſcheid der menſchlichen Angeſichter: Sintemah- len von Anfang der Welt kein zween ſeynd gefunden worden/ die ſich in der Geſtalt gantz und zumahlen gleich geweſen waͤren: Hierauff begehrt die Koͤnigliche Tochter/ er ſolle ihr auch dieſen Knoden auffloͤſen: An welchem Orth die Erd hoͤher ſeye/ als der Himmel? der Frembdling gibt zur Antwort/ und ſagt; daß dieſes geſchehe/ allwo die Seeligen ihren Sitz haben/ und die Menſchheit CHRJSTJ zur Rechten deß Vatters ſitzet: uͤber allſolche kluge Antworten verwundern ſich alle Hauß- genoſſen mit dem Biſchoff: Das Maͤgdlein ſtellet endlich die dritte Frag daher/ wie weit nemblich die Erd vom Himmel abgelegen ſeye? hier auff antwortet der Frembdling/ und ſagt; gehe du zu dem/ der dich hierhin geſandt hat/ und fragt den ſelbiges: dann der weiß am beſten dieſen Be- griff/ den er gemeſſen hat/ da er vom Himmel in die Tieffe der Hoͤllen iſt geſtuͤrtzet worden: Dieſes/ ſagt der Frembdling/ iſt kein Weibs- bild/ ſo dieſe Fragen vorſchlaget; ſondern ein hoͤlliſcher Boͤßwicht/ wel- cher zur Verfuͤhrung deß guten Biſchoffs/ die Geſtalt eines Maͤgdlein an ſich genommen hat: da dieſe Unterrichtung der Diener zum Tiſch ge- bracht; hat der Teuffel ungern geſehen/ daß ſein Argliſt entdecket wor- den/ derhalben iſt er augenblicklich verſchwunden: und der Frembdling hat ſich auch weiters nicht ſehen laſſen: Nachmahlen hat GOTT auff vielfaͤltiges Anhalten deß Biſchoffs/ demſelben offenbahret/ daß allſol- cher Frembdling der H. Andreas geweſen ſeye/ ſo die euſſerſte Gefahr deß Verderbens von ſeinem Schutz-Kind abgewendet hat. 3. Hierauß kanſt du ſchlieſſen/ mein Chriſtliche Seel/ wie groſſe Sorg die Buͤrger der himmliſchen Statt Jeruſalem fuͤr die jenige tragen/ von denen ſie verehret und angeruffen werden. O wie manchmahl wuͤrden wir in ſehr groſſe Suͤnden fallen/ wann uns nicht ſelbige beſchuͤtzen thaͤten! Es wird einsmahls die Zeit heran kommen/ daß wir klaͤrlich ſehen wer- den (ſo vor unſern Augen anjetzt verborgen iſt) was maſſen unſere H. H. Pa- tronen von hunderterley Gefahren der ewigẽ Verdamnuͤß uns errettet haben. Dann/ wer kan laͤugnen/ daß der vorgemeldte Biſchoff zu Grund gan- gen waͤre/ wann nicht der H. Andreas in Geſtalt eines Frembdlings/ die vermeinte Koͤnigliche Princeſſin vertrieben haͤtte? Die Heilige GOttes ſeynd nicht allein nicht undanckbahr fuͤr die Ehr/ ſo ihnen von uns erwie- ſen

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/730>, abgerufen am 16.07.2024.