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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von Verehrung der Heiligen.
Sie seynd mächtig sagt er/ sie seynd treu und klug/ was ha-
ben wir uns dann zu förchten: lasset uns ihnen nur allein
folgen/ lasset uns ihnen anhangen/ und im Schirm Gottes
und deß Himmels bleiben.

2. Wie eifferig nun diese Heilige GOttes sich unser annehmen/ und für
uns wachen/ wann wir selbige verehren/ kanst du/ mein Christliche Seel/ auß
folgender Histori lernen. Ein sicher frommer Bischoff hat unter andern sei-Historia.
nen Andachten auch eine sonderliche Affection zu dem H. Apostel Andreas:
Nun geschichts/ daß der böse Feind den gottseligen Mann in eine Unzucht zu
stürtzen sich bemühet/ derhalben nimb er die Gestalt eines schönen Mägdleins
an/ und kombt zu selbigem seine Sünden zu beichten/ und sagt gleich zu An-
fang der Beicht/ sie seye von Königlichem Stammen gebohren/ und habe
Gott ihre Jungfrauschafft versprochen: und damit sie selbige erhalten/ und
nicht von ihrem Vatter gegen ihren Willen verheiratet werden möge/ habe sie
sich heimlich darvon gemacht/ und zu ihme seine Zuflucht genommen: Da
dieses der fromme Bischoff gehöret/ hat er selbiger auß Christlichem Mitlei-
den in seinem Hauß den nöthigen Unterschleiff verschaffet/ auff daß sie GOtt
daselbst ungehindert dienen könte/ und hat sie auch zu seiner Tafel/ die er für
solche Königliche Persohn besser zurichten lassen/ eingeladen: sie aber hat sich/
umb den Bischoff desto leichter zu gewinnen/ mit aller Eingezogenheit und
Höfflichkeit entschuldiget/ und gesagt/ sie seye beförchtet/ daß vielleicht geken-
net/ verrathen/ und zu ihrem Vatter wiederumb geführet werde: nachdem
aber der Bischoff sie versichert/ daß in geheimb bey ihm verbleiben würde/ hat
sie sich überreden lassen/ und ist mit zu Tisch gesessen; und hat mit liebkosen-
den Worten und holdseligem öfftern Anblick ein so grosses Feuer der unrei-
nen Liebe im Hertzen deß Bischoffs erwecket/ daß er auch umb Gelegenheit
zu sündigen sich umbgesehen: Jnzwischen hat ein Frembdling an dessen Hauß
sich anmelden lassen/ über welchen er sich entrüstet/ da er ihn in solehem seinem
Vorhaben gleichsamb verstörete: der eingeladene Gast hat auch darzu gera-
then/ daß er den ungestümmen Frembdling abweisen solte: der Bischoff aber
wurde innerlich ermahnet/ daß er einem Frembdling die ersuchte Herberg nit
weigern müsse: indem er nun in diesem Zweiffel/ fragt er das Mägdlein/
was er thun solle: diese sagt alsbald: wann der Frembdling auff meine
Fragen bequemlich antworten wird/ so wird er müssen herein gelassen wer-
den: wann nicht; so soll geschwind hinweg gewiesen werden: lasset der-

halben
T t t t 3

Von Verehrung der Heiligen.
Sie ſeynd maͤchtig ſagt er/ ſie ſeynd treu und klug/ was ha-
ben wir uns dann zu foͤrchten: laſſet uns ihnen nur allein
folgen/ laſſet uns ihnen anhangen/ und im Schirm Gottes
und deß Himmels bleiben.

2. Wie eifferig nun dieſe Heilige GOttes ſich unſer annehmen/ und fuͤr
uns wachen/ wann wir ſelbige verehren/ kanſt du/ mein Chriſtliche Seel/ auß
folgender Hiſtori lernen. Ein ſicher frommer Biſchoff hat unter andern ſei-Hiſtoria.
nen Andachten auch eine ſonderliche Affection zu dem H. Apoſtel Andreas:
Nun geſchichts/ daß der boͤſe Feind den gottſeligen Mann in eine Unzucht zu
ſtuͤrtzen ſich bemuͤhet/ derhalben nimb er die Geſtalt eines ſchoͤnen Maͤgdleins
an/ und kombt zu ſelbigem ſeine Suͤnden zu beichten/ und ſagt gleich zu An-
fang der Beicht/ ſie ſeye von Koͤniglichem Stammen gebohren/ und habe
Gott ihre Jungfrauſchafft verſprochen: und damit ſie ſelbige erhalten/ und
nicht von ihrem Vatter gegen ihren Willen verheiratet werden moͤge/ habe ſie
ſich heimlich darvon gemacht/ und zu ihme ſeine Zuflucht genommen: Da
dieſes der fromme Biſchoff gehoͤret/ hat er ſelbiger auß Chriſtlichem Mitlei-
den in ſeinem Hauß den noͤthigen Unterſchleiff verſchaffet/ auff daß ſie GOtt
daſelbſt ungehindert dienen koͤnte/ und hat ſie auch zu ſeiner Tafel/ die er fuͤr
ſolche Koͤnigliche Perſohn beſſer zurichten laſſen/ eingeladen: ſie aber hat ſich/
umb den Biſchoff deſto leichter zu gewinnen/ mit aller Eingezogenheit und
Hoͤfflichkeit entſchuldiget/ und geſagt/ ſie ſeye befoͤrchtet/ daß vielleicht geken-
net/ verrathen/ und zu ihrem Vatter wiederumb gefuͤhret werde: nachdem
aber der Biſchoff ſie verſichert/ daß in geheimb bey ihm verbleiben wuͤrde/ hat
ſie ſich uͤberreden laſſen/ und iſt mit zu Tiſch geſeſſen; und hat mit liebkoſen-
den Worten und holdſeligem oͤfftern Anblick ein ſo groſſes Feuer der unrei-
nen Liebe im Hertzen deß Biſchoffs erwecket/ daß er auch umb Gelegenheit
zu ſuͤndigen ſich umbgeſehen: Jnzwiſchen hat ein Frembdling an deſſen Hauß
ſich anmelden laſſen/ uͤber welchen er ſich entruͤſtet/ da er ihn in ſolehem ſeinem
Vorhaben gleichſamb verſtoͤrete: der eingeladene Gaſt hat auch darzu gera-
then/ daß er den ungeſtuͤmmen Frembdling abweiſen ſolte: der Biſchoff aber
wurde innerlich ermahnet/ daß er einem Frembdling die erſuchte Herberg nit
weigern muͤſſe: indem er nun in dieſem Zweiffel/ fragt er das Maͤgdlein/
was er thun ſolle: dieſe ſagt alsbald: wann der Frembdling auff meine
Fragen bequemlich antworten wird/ ſo wird er muͤſſen herein gelaſſen wer-
den: wann nicht; ſo ſoll geſchwind hinweg gewieſen werden: laſſet der-

halben
T t t t 3
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[701/0729] Von Verehrung der Heiligen. Sie ſeynd maͤchtig ſagt er/ ſie ſeynd treu und klug/ was ha- ben wir uns dann zu foͤrchten: laſſet uns ihnen nur allein folgen/ laſſet uns ihnen anhangen/ und im Schirm Gottes und deß Himmels bleiben. 2. Wie eifferig nun dieſe Heilige GOttes ſich unſer annehmen/ und fuͤr uns wachen/ wann wir ſelbige verehren/ kanſt du/ mein Chriſtliche Seel/ auß folgender Hiſtori lernen. Ein ſicher frommer Biſchoff hat unter andern ſei- nen Andachten auch eine ſonderliche Affection zu dem H. Apoſtel Andreas: Nun geſchichts/ daß der boͤſe Feind den gottſeligen Mann in eine Unzucht zu ſtuͤrtzen ſich bemuͤhet/ derhalben nimb er die Geſtalt eines ſchoͤnen Maͤgdleins an/ und kombt zu ſelbigem ſeine Suͤnden zu beichten/ und ſagt gleich zu An- fang der Beicht/ ſie ſeye von Koͤniglichem Stammen gebohren/ und habe Gott ihre Jungfrauſchafft verſprochen: und damit ſie ſelbige erhalten/ und nicht von ihrem Vatter gegen ihren Willen verheiratet werden moͤge/ habe ſie ſich heimlich darvon gemacht/ und zu ihme ſeine Zuflucht genommen: Da dieſes der fromme Biſchoff gehoͤret/ hat er ſelbiger auß Chriſtlichem Mitlei- den in ſeinem Hauß den noͤthigen Unterſchleiff verſchaffet/ auff daß ſie GOtt daſelbſt ungehindert dienen koͤnte/ und hat ſie auch zu ſeiner Tafel/ die er fuͤr ſolche Koͤnigliche Perſohn beſſer zurichten laſſen/ eingeladen: ſie aber hat ſich/ umb den Biſchoff deſto leichter zu gewinnen/ mit aller Eingezogenheit und Hoͤfflichkeit entſchuldiget/ und geſagt/ ſie ſeye befoͤrchtet/ daß vielleicht geken- net/ verrathen/ und zu ihrem Vatter wiederumb gefuͤhret werde: nachdem aber der Biſchoff ſie verſichert/ daß in geheimb bey ihm verbleiben wuͤrde/ hat ſie ſich uͤberreden laſſen/ und iſt mit zu Tiſch geſeſſen; und hat mit liebkoſen- den Worten und holdſeligem oͤfftern Anblick ein ſo groſſes Feuer der unrei- nen Liebe im Hertzen deß Biſchoffs erwecket/ daß er auch umb Gelegenheit zu ſuͤndigen ſich umbgeſehen: Jnzwiſchen hat ein Frembdling an deſſen Hauß ſich anmelden laſſen/ uͤber welchen er ſich entruͤſtet/ da er ihn in ſolehem ſeinem Vorhaben gleichſamb verſtoͤrete: der eingeladene Gaſt hat auch darzu gera- then/ daß er den ungeſtuͤmmen Frembdling abweiſen ſolte: der Biſchoff aber wurde innerlich ermahnet/ daß er einem Frembdling die erſuchte Herberg nit weigern muͤſſe: indem er nun in dieſem Zweiffel/ fragt er das Maͤgdlein/ was er thun ſolle: dieſe ſagt alsbald: wann der Frembdling auff meine Fragen bequemlich antworten wird/ ſo wird er muͤſſen herein gelaſſen wer- den: wann nicht; ſo ſoll geſchwind hinweg gewieſen werden: laſſet der- halben Hiſtoria. T t t t 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/729>, abgerufen am 22.11.2024.