Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Füntzigste Geistliche Lection Diese Wort widerholet der jetzt-gemeldte Evangelist am 22. Cap. und sagt:Bindet ihm Händ und Füß/ und werffet ihn in die eusser- ste Finsternüsse: dann viel seynd beruffen/ aber wenig außerwählet. Wann nun in der gantzen heiligen Schrifft kein anders Beweißthumb würde gefunden werden/ als diese zwey angezogene Sprü- che/ so hätte doch ein jeder gnugsame Ursach sich zu entsetzen: zumahlen Christus gar klärlich bedeutet/ daß viele zum wahren Glauben beruffen seyn/ auß denen doch wenige zur ewigen Seeligkeit gelangen werden. Unter diese Beruffene zehlet Christus nicht die Heyden und Ketzer/ sondern die je- nige allein/ so den wahren Glauben haben: dann die Heyden und Ketzer seynd noch nicht beruffen/ sondern werden täglich beruffen/ auff daß sie ihre Blindheit verlassen/ und zum Licht deß wahren Glaubens kommen mögen. Derhalben/ das Christus sagt: Viele seynd beruffen/ aber wenig außerwählet: heisset eben so viel/ als wolte er sagen: Viele seynd/ so da haben den wahren Glauben; unter denen aber werden wenige gefunden/ welche seelig werden. 2. Noch erschröcklicher ist/ was er bey dem Evangelist Matt. am 7. Cap. Him-
Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection Dieſe Wort widerholet der jetzt-gemeldte Evangeliſt am 22. Cap. und ſagt:Bindet ihm Haͤnd und Füß/ und werffet ihn in die euſſer- ſte Finſternüſſe: dann viel ſeynd beruffen/ aber wenig außerwaͤhlet. Wann nun in der gantzen heiligen Schrifft kein anders Beweißthumb wuͤrde gefunden werden/ als dieſe zwey angezogene Spruͤ- che/ ſo haͤtte doch ein jeder gnugſame Urſach ſich zu entſetzen: zumahlen Chriſtus gar klaͤrlich bedeutet/ daß viele zum wahren Glauben beruffen ſeyn/ auß denen doch wenige zur ewigen Seeligkeit gelangen werden. Unter dieſe Beruffene zehlet Chriſtus nicht die Heyden und Ketzer/ ſondern die je- nige allein/ ſo den wahren Glauben haben: dann die Heyden und Ketzer ſeynd noch nicht beruffen/ ſondern werden taͤglich beruffen/ auff daß ſie ihre Blindheit verlaſſen/ und zum Licht deß wahren Glaubens kommen moͤgen. Derhalben/ das Chriſtus ſagt: Viele ſeynd beruffen/ aber wenig außerwaͤhlet: heiſſet eben ſo viel/ als wolte er ſagen: Viele ſeynd/ ſo da haben den wahren Glauben; unter denen aber werden wenige gefunden/ welche ſeelig werden. 2. Noch erſchroͤcklicher iſt/ was er bey dem Evangeliſt Matt. am 7. Cap. Him-
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Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Dieſe Wort widerholet der jetzt-gemeldte Evangeliſt am 22. Cap. und ſagt:
Bindet ihm Haͤnd und Füß/ und werffet ihn in die euſſer-
ſte Finſternüſſe: dann viel ſeynd beruffen/ aber wenig
außerwaͤhlet. Wann nun in der gantzen heiligen Schrifft kein anders
Beweißthumb wuͤrde gefunden werden/ als dieſe zwey angezogene Spruͤ-
che/ ſo haͤtte doch ein jeder gnugſame Urſach ſich zu entſetzen: zumahlen
Chriſtus gar klaͤrlich bedeutet/ daß viele zum wahren Glauben beruffen ſeyn/
auß denen doch wenige zur ewigen Seeligkeit gelangen werden. Unter
dieſe Beruffene zehlet Chriſtus nicht die Heyden und Ketzer/ ſondern die je-
nige allein/ ſo den wahren Glauben haben: dann die Heyden und Ketzer
ſeynd noch nicht beruffen/ ſondern werden taͤglich beruffen/ auff daß ſie ihre
Blindheit verlaſſen/ und zum Licht deß wahren Glaubens kommen moͤgen.
Derhalben/ das Chriſtus ſagt: Viele ſeynd beruffen/ aber wenig
außerwaͤhlet: heiſſet eben ſo viel/ als wolte er ſagen: Viele ſeynd/ ſo
da haben den wahren Glauben; unter denen aber werden wenige gefunden/
welche ſeelig werden.
2. Noch erſchroͤcklicher iſt/ was er bey dem Evangeliſt Matt. am 7. Cap.
mit dieſen nachtruͤcklichen Worten ſagt: Gehet hinein durch die
enge Pforte/ dann die Pforte iſt weit/ und der Weeg iſt
breit/ ſo zum Verderben führet/ und ihrer ſeynd viel wel-
che dadurch eingehen. Dahero ſeufftzete der Heyland auß dem
innerſten ſeines Hertzen und ſagt: O wie eng iſt die Pforte/ und
wie ſchmal iſt der Weeg/ welcher zum Leben einführet/
und ihrer ſeynd wenig/ die ihn finden. Was kan doch grau-
ſamer geſagt werden/ als eben dieſes? und wie kan ein kraͤfftigeres zeugnuß
gegeben werden/ daß nemblich viele werden verdambt/ und ſehr wenig ſee-
lig werden/ als mit dieſen Worten? Wann ſolche einer auß den Kirchen-
Lehrern/ oder ein ander Heiliger Mann geſprochen haͤtte/ ſo wuͤrden wir
demſelben keinen Glauben beymeſſen: weilen aber die unbetriegliche ewige
Warheit ſothanes Urtheil ſelbſt gefaͤhlet hat/ ſo koͤnnen wir demſelben im
geringſten nicht widerſprechen. Damit du auch beſſer erkenneſt/ wie we-
nige außerwaͤhlet werden; ſo mercke auff/ daß Chriſtus in den angezogenen
Worten nicht geſagt habe/ daß wenig ſeyen/ ſo auff dem Weeg gen Himmel
wandern; ſondern daß er gantz klaͤrlich geſagt habe; daß wenig gefun-
den werden/ welche dieſen engen Weeg finden: Der Weeg iſt
ſchmal/ ſagt Er/ der zum Leben führet/ und wenig ſeynd/
ſo denſelben finden: als wolt er außtruͤcklich ſagen: Der Weeg zum
Him-
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