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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ein und Fünfftzigste Geistliche Lection
Knecht; daß er solle eingehen in die Freud seines Herrn: warumb sagt er
nicht; die Freud deß Herrn soll zu dir/ zu deinem Hertzen eingehen/ so da ist
der rechte Ort der Freude? Die Frag beantwortet der H. Anselmus und
sagt/ daß die Außerwählte von GOtt so grosse Freud haben/ daß selbige
in dem Menschen nicht könne verschlossen werden/ sondern der Mensch
müsse in sothane Freud eingehen/ und also werde der Mensch von den Freu-
den erfüllet und umbgeben/ daß nicht der Mensch die Freuden/ sondern die
Freuden den Menschen gantz und zumahlen einnehmen. Diese überauß
grosse Freud entspringt auß einem dreyflüssigen Brunnen. Erstlich er-
freuen sich die Seelige über das Göttliche Allmächtige Gut/ und unendli-
chen Wohlstand GOttes: Zumahlen ein wahre Freundschafft (wie da
ist die Liebe) sich über das Wohlergehen seines guten Freunds erfreuet.
Zum andern erfreuen sie sich über ihre selbst eigene Glückseeligkeit/ indem
sie ihres GOttes geniessen/ als ihres eigenen und höchsten Guts. Zum drit-
ten erfreuen sie sich über die Ersprießligkeit anderer Außerwählten; bey denen/
wie die Wort deß heil. Gregorii lauten/ wegen der ungleichen Klarheit keine
Mißgunst seyn wird/ dieweilen bey allen herschet die Einigkeit der Liebe: da-
hero/ weilen einer den andern liebet als sich selbsten/ wird ein jeder so grosse
Freud haben von dem Wohlstand eines jeden/ als von den Seinigen; zu-
mahlen er das jenige Gut/ so er selbst nicht hat/ in den andern besitzet. So
ist dann gewiß/ daß sie alle und jede so viel Freuden werden haben/ als sie Ge-
sellen haben: und alle und jede Freuden seynd so viel bey jeden/ als ihre eige-
ne Freud. Dieweilen nun ein jeder GOtt mehr liebet/ als sich selbsten/
und alle andere mit ihm/ so erfreuet er sich mehr über den Wohlstand Got-
tes/ als über den Seinigen/ und aller andern mit ihm. Wann dann eines
jeden Hertz kaum fasset seine eigene Freud/ wie kan selbiges dann fassen so
viele und grosse Freuden? Derhalben stehet geschrieben: Gehe ein in
die Freud deines HErrn/
und nicht: Die Freud deines
HErrn gehe in dich:
Dieweilen selbige nicht könte gefasset werden.

11. So sagt dann recht der gemeldte heilige Kirchen-Lehrer an einem an-
einem andern Orth: Wann wir betrachten/ wie herrliche Dinge uns ver-
sprochen werden im Himmel/ so wird uns alles zu wider/ was wir haben
auff Erden: zumahlen die irrdische Güter in Vergleichung der ewigen
Glückseeligkeit mehr ein schwärer Last ist/ dann Ergetzligkeit: Wann
man das zeitliche Leben gegen das Ewige stellet/ und beyde beschauet/ schei-
net das erste/ in Ansehung deß andern mehr ein Todt/ als Leben zu seyn. Da-
hero pflegte der heil. Jgnatius in Beschauung deß Himmels über laut zu

ruffen:

Die Ein und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Knecht; daß er ſolle eingehen in die Freud ſeines Herrn: warumb ſagt er
nicht; die Freud deß Herrn ſoll zu dir/ zu deinem Hertzen eingehen/ ſo da iſt
der rechte Ort der Freude? Die Frag beantwortet der H. Anſelmus und
ſagt/ daß die Außerwaͤhlte von GOtt ſo groſſe Freud haben/ daß ſelbige
in dem Menſchen nicht koͤnne verſchloſſen werden/ ſondern der Menſch
muͤſſe in ſothane Freud eingehen/ und alſo werde der Menſch von den Freu-
den erfuͤllet und umbgeben/ daß nicht der Menſch die Freuden/ ſondern die
Freuden den Menſchen gantz und zumahlen einnehmen. Dieſe uͤberauß
groſſe Freud entſpringt auß einem dreyfluͤſſigen Brunnen. Erſtlich er-
freuen ſich die Seelige uͤber das Goͤttliche Allmaͤchtige Gut/ und unendli-
chen Wohlſtand GOttes: Zumahlen ein wahre Freundſchafft (wie da
iſt die Liebe) ſich uͤber das Wohlergehen ſeines guten Freunds erfreuet.
Zum andern erfreuen ſie ſich uͤber ihre ſelbſt eigene Gluͤckſeeligkeit/ indem
ſie ihres GOttes genieſſen/ als ihres eigenen und hoͤchſten Guts. Zum drit-
ten erfreuen ſie ſich uͤber die Erſprießligkeit anderer Außerwaͤhlten; bey denen/
wie die Wort deß heil. Gregorii lauten/ wegen der ungleichen Klarheit keine
Mißgunſt ſeyn wird/ dieweilen bey allen herſchet die Einigkeit der Liebe: da-
hero/ weilen einer den andern liebet als ſich ſelbſten/ wird ein jeder ſo groſſe
Freud haben von dem Wohlſtand eines jeden/ als von den Seinigen; zu-
mahlen er das jenige Gut/ ſo er ſelbſt nicht hat/ in den andern beſitzet. So
iſt dann gewiß/ daß ſie alle und jede ſo viel Freuden werden haben/ als ſie Ge-
ſellen haben: und alle und jede Freuden ſeynd ſo viel bey jeden/ als ihre eige-
ne Freud. Dieweilen nun ein jeder GOtt mehr liebet/ als ſich ſelbſten/
und alle andere mit ihm/ ſo erfreuet er ſich mehr uͤber den Wohlſtand Got-
tes/ als uͤber den Seinigen/ und aller andern mit ihm. Wann dann eines
jeden Hertz kaum faſſet ſeine eigene Freud/ wie kan ſelbiges dann faſſen ſo
viele und groſſe Freuden? Derhalben ſtehet geſchrieben: Gehe ein in
die Freud deines HErrn/
und nicht: Die Freud deines
HErrn gehe in dich:
Dieweilen ſelbige nicht koͤnte gefaſſet werden.

11. So ſagt dann recht der gemeldte heilige Kirchen-Lehrer an einem an-
einem andern Orth: Wann wir betrachten/ wie herrliche Dinge uns ver-
ſprochen werden im Himmel/ ſo wird uns alles zu wider/ was wir haben
auff Erden: zumahlen die irrdiſche Guͤter in Vergleichung der ewigen
Gluͤckſeeligkeit mehr ein ſchwaͤrer Laſt iſt/ dann Ergetzligkeit: Wann
man das zeitliche Leben gegen das Ewige ſtellet/ und beyde beſchauet/ ſchei-
net das erſte/ in Anſehung deß andern mehr ein Todt/ als Leben zu ſeyn. Da-
hero pflegte der heil. Jgnatius in Beſchauung deß Himmels uͤber laut zu

ruffen:
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[656/0684] Die Ein und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection Knecht; daß er ſolle eingehen in die Freud ſeines Herrn: warumb ſagt er nicht; die Freud deß Herrn ſoll zu dir/ zu deinem Hertzen eingehen/ ſo da iſt der rechte Ort der Freude? Die Frag beantwortet der H. Anſelmus und ſagt/ daß die Außerwaͤhlte von GOtt ſo groſſe Freud haben/ daß ſelbige in dem Menſchen nicht koͤnne verſchloſſen werden/ ſondern der Menſch muͤſſe in ſothane Freud eingehen/ und alſo werde der Menſch von den Freu- den erfuͤllet und umbgeben/ daß nicht der Menſch die Freuden/ ſondern die Freuden den Menſchen gantz und zumahlen einnehmen. Dieſe uͤberauß groſſe Freud entſpringt auß einem dreyfluͤſſigen Brunnen. Erſtlich er- freuen ſich die Seelige uͤber das Goͤttliche Allmaͤchtige Gut/ und unendli- chen Wohlſtand GOttes: Zumahlen ein wahre Freundſchafft (wie da iſt die Liebe) ſich uͤber das Wohlergehen ſeines guten Freunds erfreuet. Zum andern erfreuen ſie ſich uͤber ihre ſelbſt eigene Gluͤckſeeligkeit/ indem ſie ihres GOttes genieſſen/ als ihres eigenen und hoͤchſten Guts. Zum drit- ten erfreuen ſie ſich uͤber die Erſprießligkeit anderer Außerwaͤhlten; bey denen/ wie die Wort deß heil. Gregorii lauten/ wegen der ungleichen Klarheit keine Mißgunſt ſeyn wird/ dieweilen bey allen herſchet die Einigkeit der Liebe: da- hero/ weilen einer den andern liebet als ſich ſelbſten/ wird ein jeder ſo groſſe Freud haben von dem Wohlſtand eines jeden/ als von den Seinigen; zu- mahlen er das jenige Gut/ ſo er ſelbſt nicht hat/ in den andern beſitzet. So iſt dann gewiß/ daß ſie alle und jede ſo viel Freuden werden haben/ als ſie Ge- ſellen haben: und alle und jede Freuden ſeynd ſo viel bey jeden/ als ihre eige- ne Freud. Dieweilen nun ein jeder GOtt mehr liebet/ als ſich ſelbſten/ und alle andere mit ihm/ ſo erfreuet er ſich mehr uͤber den Wohlſtand Got- tes/ als uͤber den Seinigen/ und aller andern mit ihm. Wann dann eines jeden Hertz kaum faſſet ſeine eigene Freud/ wie kan ſelbiges dann faſſen ſo viele und groſſe Freuden? Derhalben ſtehet geſchrieben: Gehe ein in die Freud deines HErrn/ und nicht: Die Freud deines HErrn gehe in dich: Dieweilen ſelbige nicht koͤnte gefaſſet werden. 11. So ſagt dann recht der gemeldte heilige Kirchen-Lehrer an einem an- einem andern Orth: Wann wir betrachten/ wie herrliche Dinge uns ver- ſprochen werden im Himmel/ ſo wird uns alles zu wider/ was wir haben auff Erden: zumahlen die irrdiſche Guͤter in Vergleichung der ewigen Gluͤckſeeligkeit mehr ein ſchwaͤrer Laſt iſt/ dann Ergetzligkeit: Wann man das zeitliche Leben gegen das Ewige ſtellet/ und beyde beſchauet/ ſchei- net das erſte/ in Anſehung deß andern mehr ein Todt/ als Leben zu ſeyn. Da- hero pflegte der heil. Jgnatius in Beſchauung deß Himmels uͤber laut zu ruffen:

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/684>, abgerufen am 22.11.2024.