Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgestorbene. auch dießmahl nicht unterlassen wollen; haben die Todten-Bein sich auff-gemacht und ihren Wohlthäter also auß den Händen seiner Feinden erret- tet. Ein ander wurde auff seiner Reise von den Finsternüssen überfallen; und weilen selbiger dem Gebett für die Abgestorbene sehr zugethan ware/ hat er unvermuthet zwey brennende Fackulen hinter ihm folgen gesehen/ und die- se Stimm gehört: Gehe hin im Frieden; wir seynd Seelen auß dem Feg- Feur/ und wollen dir für dein Gebett danckbar seyn: Wir haben aber dir nit allein geleuchtet; sondern auch dein Leben errettet: in dem wir den jenigen/ der dich hat tödten wollen/ durch unsere Gegenwart verhindert haben. Hierauß und andern unzahlbaren Exempeln kan man die sorgfältige Danck- barkeit der Seelen gnugsamb ermessen. Dahero hat die heilige Brigitta einsmahls diese Stimm deren Seelen gehört: O HErr! gib denenL. 4. Rc- vel. c. 7. die Liebe/ so da haben eine geistliche Gewalt; auff daß wir deß Gebetts mehr theilhafftig werden: vergelte es de- nen/ die uns zu Hulffkommen/ hundertfältiglich in ihrem Leben. 8. Ob zwarn nun sehr viele Werck und Ubungen seynd/ krafft deren wir 9. Wei- M m m m 2
Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene. auch dießmahl nicht unterlaſſen wollen; haben die Todten-Bein ſich auff-gemacht und ihren Wohlthaͤter alſo auß den Haͤnden ſeiner Feinden erret- tet. Ein ander wurde auff ſeiner Reiſe von den Finſternuͤſſen uͤberfallen; und weilen ſelbiger dem Gebett fuͤr die Abgeſtorbene ſehr zugethan ware/ hat er unvermuthet zwey brennende Fackulen hinter ihm folgen geſehen/ und die- ſe Stimm gehoͤrt: Gehe hin im Frieden; wir ſeynd Seelen auß dem Feg- Feur/ und wollen dir fuͤr dein Gebett danckbar ſeyn: Wir haben aber dir nit allein geleuchtet; ſondern auch dein Leben errettet: in dem wir den jenigen/ der dich hat toͤdten wollen/ durch unſere Gegenwart verhindert haben. Hierauß und andern unzahlbaren Exempeln kan man die ſorgfaͤltige Danck- barkeit der Seelen gnugſamb ermeſſen. Dahero hat die heilige Brigitta einsmahls dieſe Stimm deren Seelen gehoͤrt: O HErr! gib denenL. 4. Rc- vel. c. 7. die Liebe/ ſo da haben eine geiſtliche Gewalt; auff daß wir deß Gebetts mehr theilhafftig werden: vergelte es de- nen/ die uns zu Hůlffkommen/ hundertfaͤltiglich in ihrem Leben. 8. Ob zwarn nun ſehr viele Werck und Ubungen ſeynd/ krafft deren wir 9. Wei- M m m m 2
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Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
auch dießmahl nicht unterlaſſen wollen; haben die Todten-Bein ſich auff-
gemacht und ihren Wohlthaͤter alſo auß den Haͤnden ſeiner Feinden erret-
tet. Ein ander wurde auff ſeiner Reiſe von den Finſternuͤſſen uͤberfallen;
und weilen ſelbiger dem Gebett fuͤr die Abgeſtorbene ſehr zugethan ware/ hat
er unvermuthet zwey brennende Fackulen hinter ihm folgen geſehen/ und die-
ſe Stimm gehoͤrt: Gehe hin im Frieden; wir ſeynd Seelen auß dem Feg-
Feur/ und wollen dir fuͤr dein Gebett danckbar ſeyn: Wir haben aber dir nit
allein geleuchtet; ſondern auch dein Leben errettet: in dem wir den jenigen/
der dich hat toͤdten wollen/ durch unſere Gegenwart verhindert haben.
Hierauß und andern unzahlbaren Exempeln kan man die ſorgfaͤltige Danck-
barkeit der Seelen gnugſamb ermeſſen. Dahero hat die heilige Brigitta
einsmahls dieſe Stimm deren Seelen gehoͤrt: O HErr! gib denen
die Liebe/ ſo da haben eine geiſtliche Gewalt; auff daß
wir deß Gebetts mehr theilhafftig werden: vergelte es de-
nen/ die uns zu Hůlffkommen/ hundertfaͤltiglich in ihrem
Leben.
L. 4. Rc-
vel. c. 7.
8. Ob zwarn nun ſehr viele Werck und Ubungen ſeynd/ krafft deren wir
den verlaſſenen Seelen die huͤlffliche Hand reichen koͤnnen; als nemblich
das Gebet/ die Gewinnung der Ablaſſen/ das Faſten/ und andere Abtoͤd-
tungen deß Leibs: ſo hat doch unter ſelbigem dieſes den Vorzug; wann nem-
lich der Menſch den Nutzen oder Lohn ſeiner taͤglichen guten Werck/ durch
welchen er GOtt fuͤr ſich ſelbſten gnugthun koͤnte/ denſelben uͤberlaſſet: zu-
mahlen dieſes ein Werck der allerhoͤchſten Liebe/ und folglich zu Errettung
der Seelen ſehr kraͤfftig iſt. Dieweilen aber einige der Meynung ſeynd/
es ſeye rathſamber/ fuͤr die Bekehrung der Suͤnder zu betten/ und andere
Werck der Andacht zu verrichten/ damit ſelbige den Gefahren deß ewigen
Verderbens entzogen werden: derhalben hab ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ in
dieſem Fall mit folgendem Unterricht an die Hand gehen wollen. Der H.
Ludovicus Bertrandus iſt auch dieſer obgeſetzten Meinung geweſen; hat
hat aber ſelbige bald geaͤndert/ nachdem er von einer ſolchen Seel/ die
ihm erſchienen/ uͤber ſeinen Fehler iſt unterwieſen worden: Sintemahlen
dieſes eintzige beſtand gnug iſt/ die obgedachte Meynung zu vernichtigen;
daß nemblich der jenige/ welcher mit dieſer Jntention die Seelen erloͤſet/
auff daß ſelbige Nachmahlen im Himmel umb die Bekehrung der Suͤnder
bey GOtt anhalten moͤgen; daß/ ſag ich/ der jenige den ſuͤndigen Menſchen
ein weit kraͤfftigere Huͤlff leiſte/ als wann er ſelbſt fuͤr ſie gebetten/ oder andere
gute Werck verrichtet haͤtte.
9. Wei-
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/671>, abgerufen am 16.07.2024. |