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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgestorbene.
worden. Oeffters ist sie auch in grosse Kesselen/ so mit siedenden Wasser
erfüllet waren/ biß an die Nieren/ oder Brüst gestanden; die übrige Glie-
der deß Leibs aber hat sie mit dem heissen Wasser übergossen/ und in denen
Peynen geruffen/ wie ein gebährendes Weib. Sie ist auch zu Zeiten sechs
Tag lang unterm Eyß verblieben. Sie hat sich zwischen die gehenckte
Mörder und Missethäter mit einem Strick selbst auffgehenckt/ und hat also
zwey oder drey Tage gehangen. Wie vielmahl ist sie in die Gräber der
Todten hineingangen/ und hat aldorten die Sünden der Menschen be-
weynet? und endlich/ wie viele dergleichen Buß-Werck hat sie mit höchstem
Schmertzen zwar verrichtet; und ist gleichwohl am Leib niemahl verletzet
worden/ auff daß sie also mehr und mehr leyden mögte: dahero ist sie auch
die wunderbarliche Christina genennet worden.

3. Dieweilen wir nun dieser Christinä solche Wunder nachzuthun nicht
bestandt seynd; so last uns/ mein Christliche Seel den jenigen nachfolgen
so nach ihrem Vermögen den armen Seelen im Feg-Feur behülfflich ge-
wesen. Unter welche sonderbahr zu zehlen ist der Ehrwürdige und Geist-
reiche Joannes a S. Guilelmo auß dem H. Augustiner Barfüsser Orden:
welcher auch auffm Bett ligend sich also pflegte anzureden: Wie reymbt
sich das Joannes? du ligst allhier so gemächlich/ und die arme Seelen im
Feg-Feur leyden inzwischen so erdärmlich; und gedenckst derselben so wenig?
Auff dann du fauler Joannes/ stehe auff/ und züchtige den gemächlichen
Leib für die arme Kinder; hör/ wie sie ruffen: Erbarmt euch/ er-
barmbt euch unser/
&c. Hörstu Joannes; morgen frühe solstu für
selbige Meeß lesen/ und mit mögliehem Fleiß daran seyn/ daß dieses auch
von andern geschehe. Also stunde er gar hurtig vom Bett auff/ und schluge
so hefftig und lang auff seinen Leib/ biß selbiger mit seinem Blut zumahlen
gefarbt ware. Auch pflegte er das Ambt der Abgestorbenen täglich zu betten:
und das zwarn billig: dieweilen er von seinem allerheiligsten Vatter geler-
net hatte/ daß das Betten für die Abgestorbene deren Brüder und SchwesterHom. 16.
inter.
59.

wir seynd/ daß Meß lesen für selbige/ und das Allmussen geben/ eins von den
heiligsten Wercken und fürnehmsten Andachten seye/ in denen der Mensch
sich in diesem Leben üben kan. Lasset uns derhalben für unsere Mit-Glieder
allen möglichen Fleiß anwenden/ und uns annebens versichern/ daß uns
sothaner Fleiß und brüderliche Lieb nicht allein nachmahlen reichlich werde
vergolten werden; sondern auch/ daß unsere Sünden außgetilget werden:
wie der Göttliche Prophet Daniel in seinem wohlmeinenden. Rath dem
König Nabuchodonosor zu erkennen gegeben und gesagt: Löse deine4. 14.

Sun-

Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
worden. Oeffters iſt ſie auch in groſſe Keſſelen/ ſo mit ſiedenden Waſſer
erfuͤllet waren/ biß an die Nieren/ oder Bruͤſt geſtanden; die uͤbrige Glie-
der deß Leibs aber hat ſie mit dem heiſſen Waſſer uͤbergoſſen/ und in denen
Peynen geruffen/ wie ein gebaͤhrendes Weib. Sie iſt auch zu Zeiten ſechs
Tag lang unterm Eyß verblieben. Sie hat ſich zwiſchen die gehenckte
Moͤrder und Miſſethaͤter mit einem Strick ſelbſt auffgehenckt/ und hat alſo
zwey oder drey Tage gehangen. Wie vielmahl iſt ſie in die Graͤber der
Todten hineingangen/ und hat aldorten die Suͤnden der Menſchen be-
weynet? und endlich/ wie viele dergleichen Buß-Werck hat ſie mit hoͤchſtem
Schmertzen zwar verrichtet; und iſt gleichwohl am Leib niemahl verletzet
worden/ auff daß ſie alſo mehr und mehr leyden moͤgte: dahero iſt ſie auch
die wunderbarliche Chriſtina genennet worden.

3. Dieweilen wir nun dieſer Chriſtinaͤ ſolche Wunder nachzuthun nicht
beſtandt ſeynd; ſo laſt uns/ mein Chriſtliche Seel den jenigen nachfolgen
ſo nach ihrem Vermoͤgen den armen Seelen im Feg-Feur behuͤlfflich ge-
weſen. Unter welche ſonderbahr zu zehlen iſt der Ehrwuͤrdige und Geiſt-
reiche Joannes à S. Guilelmo auß dem H. Auguſtiner Barfuͤſſer Orden:
welcher auch auffm Bett ligend ſich alſo pflegte anzureden: Wie reymbt
ſich das Joannes? du ligſt allhier ſo gemaͤchlich/ und die arme Seelen im
Feg-Feur leyden inzwiſchen ſo erdaͤrmlich; und gedenckſt derſelben ſo wenig?
Auff dann du fauler Joannes/ ſtehe auff/ und zuͤchtige den gemaͤchlichen
Leib fuͤr die arme Kinder; hoͤr/ wie ſie ruffen: Erbarmt euch/ er-
barmbt euch unſer/
&c. Hoͤrſtu Joannes; morgen fruͤhe ſolſtu fuͤr
ſelbige Meeß leſen/ und mit moͤgliehem Fleiß daran ſeyn/ daß dieſes auch
von andern geſchehe. Alſo ſtunde er gar hurtig vom Bett auff/ und ſchluge
ſo hefftig und lang auff ſeinen Leib/ biß ſelbiger mit ſeinem Blut zumahlen
gefarbt ware. Auch pflegte er das Ambt der Abgeſtorbenen taͤglich zu betten:
und das zwarn billig: dieweilen er von ſeinem allerheiligſten Vatter geler-
net hatte/ daß das Betten fuͤr die Abgeſtorbene deren Bruͤder und SchweſterHom. 16.
inter.
59.

wir ſeynd/ daß Meß leſen fuͤr ſelbige/ und das Allmuſſen geben/ eins von den
heiligſten Wercken und fuͤrnehmſten Andachten ſeye/ in denen der Menſch
ſich in dieſem Leben uͤben kan. Laſſet uns derhalben fuͤr unſere Mit-Glieder
allen moͤglichen Fleiß anwenden/ und uns annebens verſichern/ daß uns
ſothaner Fleiß und bruͤderliche Lieb nicht allein nachmahlen reichlich werde
vergolten werden; ſondern auch/ daß unſere Suͤnden außgetilget werden:
wie der Goͤttliche Prophet Daniel in ſeinem wohlmeinenden. Rath dem
Koͤnig Nabuchodonoſor zu erkennen gegeben und geſagt: Loͤſe deine4. 14.

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[639/0667] Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene. worden. Oeffters iſt ſie auch in groſſe Keſſelen/ ſo mit ſiedenden Waſſer erfuͤllet waren/ biß an die Nieren/ oder Bruͤſt geſtanden; die uͤbrige Glie- der deß Leibs aber hat ſie mit dem heiſſen Waſſer uͤbergoſſen/ und in denen Peynen geruffen/ wie ein gebaͤhrendes Weib. Sie iſt auch zu Zeiten ſechs Tag lang unterm Eyß verblieben. Sie hat ſich zwiſchen die gehenckte Moͤrder und Miſſethaͤter mit einem Strick ſelbſt auffgehenckt/ und hat alſo zwey oder drey Tage gehangen. Wie vielmahl iſt ſie in die Graͤber der Todten hineingangen/ und hat aldorten die Suͤnden der Menſchen be- weynet? und endlich/ wie viele dergleichen Buß-Werck hat ſie mit hoͤchſtem Schmertzen zwar verrichtet; und iſt gleichwohl am Leib niemahl verletzet worden/ auff daß ſie alſo mehr und mehr leyden moͤgte: dahero iſt ſie auch die wunderbarliche Chriſtina genennet worden. 3. Dieweilen wir nun dieſer Chriſtinaͤ ſolche Wunder nachzuthun nicht beſtandt ſeynd; ſo laſt uns/ mein Chriſtliche Seel den jenigen nachfolgen ſo nach ihrem Vermoͤgen den armen Seelen im Feg-Feur behuͤlfflich ge- weſen. Unter welche ſonderbahr zu zehlen iſt der Ehrwuͤrdige und Geiſt- reiche Joannes à S. Guilelmo auß dem H. Auguſtiner Barfuͤſſer Orden: welcher auch auffm Bett ligend ſich alſo pflegte anzureden: Wie reymbt ſich das Joannes? du ligſt allhier ſo gemaͤchlich/ und die arme Seelen im Feg-Feur leyden inzwiſchen ſo erdaͤrmlich; und gedenckſt derſelben ſo wenig? Auff dann du fauler Joannes/ ſtehe auff/ und zuͤchtige den gemaͤchlichen Leib fuͤr die arme Kinder; hoͤr/ wie ſie ruffen: Erbarmt euch/ er- barmbt euch unſer/ &c. Hoͤrſtu Joannes; morgen fruͤhe ſolſtu fuͤr ſelbige Meeß leſen/ und mit moͤgliehem Fleiß daran ſeyn/ daß dieſes auch von andern geſchehe. Alſo ſtunde er gar hurtig vom Bett auff/ und ſchluge ſo hefftig und lang auff ſeinen Leib/ biß ſelbiger mit ſeinem Blut zumahlen gefarbt ware. Auch pflegte er das Ambt der Abgeſtorbenen taͤglich zu betten: und das zwarn billig: dieweilen er von ſeinem allerheiligſten Vatter geler- net hatte/ daß das Betten fuͤr die Abgeſtorbene deren Bruͤder und Schweſter wir ſeynd/ daß Meß leſen fuͤr ſelbige/ und das Allmuſſen geben/ eins von den heiligſten Wercken und fuͤrnehmſten Andachten ſeye/ in denen der Menſch ſich in dieſem Leben uͤben kan. Laſſet uns derhalben fuͤr unſere Mit-Glieder allen moͤglichen Fleiß anwenden/ und uns annebens verſichern/ daß uns ſothaner Fleiß und bruͤderliche Lieb nicht allein nachmahlen reichlich werde vergolten werden; ſondern auch/ daß unſere Suͤnden außgetilget werden: wie der Goͤttliche Prophet Daniel in ſeinem wohlmeinenden. Rath dem Koͤnig Nabuchodonoſor zu erkennen gegeben und geſagt: Loͤſe deine Sůn- Hom. 16. inter. 59. 4. 14.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/667>, abgerufen am 23.11.2024.