Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neun und Viertzigste Geistliche Lection befilcht/ auff daß man nicht genöthiget werde/ so grausame Tormenten auß-zustehen? Betrachte derhalben zum Schluß mit mir/ mein Christliche Seel/ was ein Haubt-Thorheit diese seye; daß nemblich der Mensch den sinnlichen Bigierligkeiten den Zaum zu lassen; seinen GOtt gantz keck und vermessen zu erzürnen/ und zur billigen Rach zu reitzen/ sich nicht förchte; da er doch ver- sichert ist/ daß auch die allergeringste Schuld nicht unbezahlt verbleiben; son- dern mit gezimmender Straff werde belohnet werden. Zum andern geden- cke/ wie blind und unachtsamb die Menschen seyn/ in dem sie mit gar ge- ringen Peynen dieses Lebens vernichtigen können viel grössere Qualen deß künfftigen/ dannoch die Wercke der Buß biß zur andern Welt verschieben/ alwo man gar genau rechnet/ und alles zum letzten Augenblick/ mit dem uner- träglichen höllischen Feur so scharff gestraffet wird/ in dessen Vergleichnuß das unserige nur die Eigenschafften eines gemahlten Feurs gewinnet. Dieses überlege vernünfftlich/ und mache endlich diesen Schluß bey dir: daß/ wann du den grausamen Peynen deß Feg-Feurs entgehen wollest; sehr weit von der Todt-Sünd müssest entfernet/ und also beschaffen seyn/ daß du auch eine läßliche Sünd williglich und auffsetzlich zu begehen/ ein grosses Abscheu- en tragest: die übrige aber/ so da auß Unwissenheit/ Unachtsambkeit/ Ein- schleichung/ &c. begangen hast/ zu vertilgen trachtest durch die Ubungen der Tugenten; fürnemblich aber durch eine vollkommene Resignation in den Willen GOttes/ und durch die täglich Betrachtung deß bittern Leydens JEsu Christi: deren Krafft zu Erlöschung der verdienten Straffen du auß den vorhergehenden Lectionen an gebührenden Oertern ohne zweiffel wirst vernommen haben. Neben diesen seynd auch zu solchem Ziel zwey mächti- ge Helfferinnen: das kindliche Vertrauen zu GOtt; und die verübte würckliche Barmhertzigkeit gegen die Seelen im Feg-Feur dahero folgt: Die
Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection befilcht/ auff daß man nicht genoͤthiget werde/ ſo grauſame Tormenten auß-zuſtehen? Betrachte derhalben zum Schluß mit mir/ mein Chriſtliche Seel/ was ein Haubt-Thorheit dieſe ſeye; daß nemblich der Menſch den ſinnlichen Bigierligkeiten den Zaum zu laſſen; ſeinen GOtt gantz keck und vermeſſen zu erzuͤrnen/ und zur billigen Rach zu reitzen/ ſich nicht foͤrchte; da er doch ver- ſichert iſt/ daß auch die allergeringſte Schuld nicht unbezahlt verbleiben; ſon- dern mit gezimmender Straff werde belohnet werden. Zum andern geden- cke/ wie blind und unachtſamb die Menſchen ſeyn/ in dem ſie mit gar ge- ringen Peynen dieſes Lebens vernichtigen koͤnnen viel groͤſſere Qualen deß kuͤnfftigen/ dannoch die Wercke der Buß biß zur andern Welt verſchieben/ alwo man gar genau rechnet/ und alles zum letzten Augenblick/ mit dem uner- traͤglichen hoͤlliſchen Feur ſo ſcharff geſtraffet wird/ in deſſen Vergleichnuß das unſerige nur die Eigenſchafften eines gemahlten Feurs gewinnet. Dieſes uͤberlege vernuͤnfftlich/ und mache endlich dieſen Schluß bey dir: daß/ wann du den grauſamen Peynen deß Feg-Feurs entgehen wolleſt; ſehr weit von der Todt-Suͤnd muͤſſeſt entfernet/ und alſo beſchaffen ſeyn/ daß du auch eine laͤßliche Suͤnd williglich und auffſetzlich zu begehen/ ein groſſes Abſcheu- en trageſt: die uͤbrige aber/ ſo da auß Unwiſſenheit/ Unachtſambkeit/ Ein- ſchleichung/ &c. begangen haſt/ zu vertilgen trachteſt durch die Ubungen der Tugenten; fuͤrnemblich aber durch eine vollkommene Reſignation in den Willen GOttes/ und durch die taͤglich Betrachtung deß bittern Leydens JEſu Chriſti: deren Krafft zu Erloͤſchung der verdienten Straffen du auß den vorhergehenden Lectionen an gebuͤhrenden Oertern ohne zweiffel wirſt vernommen haben. Neben dieſen ſeynd auch zu ſolchem Ziel zwey maͤchti- ge Helfferinnen: das kindliche Vertrauen zu GOtt; und die veruͤbte wuͤrckliche Barmhertzigkeit gegen die Seelen im Feg-Feur dahero folgt: Die
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Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
befilcht/ auff daß man nicht genoͤthiget werde/ ſo grauſame Tormenten auß-
zuſtehen? Betrachte derhalben zum Schluß mit mir/ mein Chriſtliche Seel/
was ein Haubt-Thorheit dieſe ſeye; daß nemblich der Menſch den ſinnlichen
Bigierligkeiten den Zaum zu laſſen; ſeinen GOtt gantz keck und vermeſſen zu
erzuͤrnen/ und zur billigen Rach zu reitzen/ ſich nicht foͤrchte; da er doch ver-
ſichert iſt/ daß auch die allergeringſte Schuld nicht unbezahlt verbleiben; ſon-
dern mit gezimmender Straff werde belohnet werden. Zum andern geden-
cke/ wie blind und unachtſamb die Menſchen ſeyn/ in dem ſie mit gar ge-
ringen Peynen dieſes Lebens vernichtigen koͤnnen viel groͤſſere Qualen deß
kuͤnfftigen/ dannoch die Wercke der Buß biß zur andern Welt verſchieben/
alwo man gar genau rechnet/ und alles zum letzten Augenblick/ mit dem uner-
traͤglichen hoͤlliſchen Feur ſo ſcharff geſtraffet wird/ in deſſen Vergleichnuß
das unſerige nur die Eigenſchafften eines gemahlten Feurs gewinnet. Dieſes
uͤberlege vernuͤnfftlich/ und mache endlich dieſen Schluß bey dir: daß/ wann
du den grauſamen Peynen deß Feg-Feurs entgehen wolleſt; ſehr weit von
der Todt-Suͤnd muͤſſeſt entfernet/ und alſo beſchaffen ſeyn/ daß du auch
eine laͤßliche Suͤnd williglich und auffſetzlich zu begehen/ ein groſſes Abſcheu-
en trageſt: die uͤbrige aber/ ſo da auß Unwiſſenheit/ Unachtſambkeit/ Ein-
ſchleichung/ &c. begangen haſt/ zu vertilgen trachteſt durch die Ubungen der
Tugenten; fuͤrnemblich aber durch eine vollkommene Reſignation in den
Willen GOttes/ und durch die taͤglich Betrachtung deß bittern Leydens
JEſu Chriſti: deren Krafft zu Erloͤſchung der verdienten Straffen du auß
den vorhergehenden Lectionen an gebuͤhrenden Oertern ohne zweiffel wirſt
vernommen haben. Neben dieſen ſeynd auch zu ſolchem Ziel zwey maͤchti-
ge Helfferinnen: das kindliche Vertrauen zu GOtt; und die veruͤbte
wuͤrckliche Barmhertzigkeit gegen die Seelen im Feg-Feur
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