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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem besondern Gericht.
deren er würdig ist: alles ist ihm viel zu gering: Dann gleich wie die
Herrligkeit GOttes/ Krafft und Würde nach aller Vollkommenheit un-
endlich seynd/ also ist er einer unermessenen Ehr würdig. Dahero kön-
nen uns alle unsere Werck/ so da gut und vollkommen zu seyn scheinen/ ver-
dächtig seyn; zumahlen selbige gemeiniglich mit dieser oder jener Unsauber-
keit besudlet werden/ und also den allerreinesten GOtt zu gering seynd.
Solche Betrachtung können uns wohl bey der Crden/ und in Forcht hal-
ten/ wann wir uns derselben öffters gebrauchen/ und annebens die Rech-
nung vor der Zeit machen/ damit wir zur Zeit deß Gerichts bestehen mögen.
Das beste Mittel aber eine gute Rechnung zu machen/ ist dieses/ mein
Christliche Seel/ daß du nemblich die Sünden mit allem Ernst fliehest/ und
deinen GOtt täglich bittest/ daß er dir seine hülffliche Hand nicht entzie-
he: Dann der heilige Thomas mit allen Gelehrten sagt also: Auff1. 2 9. 109.
art.
10.

daß der Mensch/ so da in der Gnade GOTTES
ist/ biß zum End seines Lebens verharre; hat er
eine sonderbahre Hülff GOTTES vonnöthen/
krafft deren er fur dem Anlauff der Versuchungen
beschützet werde: Zumahlen die Gnad vielen ge-
geben wird/ denen doch nicht allen gegeben wird/
in derselben zu verharren.
Diese sonderliche Gnad kan
uns GOTT unangesehen aller unser Verdiensten recht mässig
weigern/ und sagen: Jch bin dir nichts schuldig. Sin-
temahlen eine Gnad keine Schuld ist/ sondern eine gantz freywillige Gaab/
die wir mit stetem Gebett von unserm GOtt begehren müssen. Zum Ex-
empel: Ein Fürst schenckt einem Edelman ein Schloß mit dem Geding/
wann er ihm treue Diensten leisten werde: Selbiger aber versündiget sich
gröblich gegen seinen Fürsten/ und stellet sich also in Gefahr/ nicht
allein das Schloß/ sondern auch das Leben zu verliehren. Also
gehets her mit denen/ welche ihren GOTT gröblich beleidigen:
sie waren in Gnaden/ der Himmel war ihnen versprochen: Die-
weilen sie aber den Versprecher erzürnet haben/ so haben sie die
Gnad und den Himmel zugleich verlohren. Solte nun der Fürst
dem Edelman solche Gnad thun/ vermög deren er niemahlen auß
der Gnad kommen mögte; Diese Gnad wäre sicherlich die aller-
fürtrefflichste Gnad unter allen Gnaden/ und solte kaum einem
unter tausenden widerfahren. Solcher massen hat GOTT

sehr
G g g g 2

Von dem beſondern Gericht.
deren er wuͤrdig iſt: alles iſt ihm viel zu gering: Dann gleich wie die
Herrligkeit GOttes/ Krafft und Wuͤrde nach aller Vollkommenheit un-
endlich ſeynd/ alſo iſt er einer unermeſſenen Ehr wuͤrdig. Dahero koͤn-
nen uns alle unſere Werck/ ſo da gut und vollkommen zu ſeyn ſcheinen/ ver-
daͤchtig ſeyn; zumahlen ſelbige gemeiniglich mit dieſer oder jener Unſauber-
keit beſudlet werden/ und alſo den allerreineſten GOtt zu gering ſeynd.
Solche Betrachtung koͤnnen uns wohl bey der Crden/ und in Forcht hal-
ten/ wann wir uns derſelben oͤffters gebrauchen/ und annebens die Rech-
nung vor der Zeit machen/ damit wir zur Zeit deß Gerichts beſtehen moͤgen.
Das beſte Mittel aber eine gute Rechnung zu machen/ iſt dieſes/ mein
Chriſtliche Seel/ daß du nemblich die Suͤnden mit allem Ernſt flieheſt/ und
deinen GOtt taͤglich bitteſt/ daß er dir ſeine huͤlffliche Hand nicht entzie-
he: Dann der heilige Thomas mit allen Gelehrten ſagt alſo: Auff1. 2 9. 109.
art.
10.

daß der Menſch/ ſo da in der Gnade GOTTES
iſt/ biß zum End ſeines Lebens verharre; hat er
eine ſonderbahre Hülff GOTTES vonnoͤthen/
krafft deren er fůr dem Anlauff der Verſuchungen
beſchützet werde: Zumahlen die Gnad vielen ge-
geben wird/ denen doch nicht allen gegeben wird/
in derſelben zu verharren.
Dieſe ſonderliche Gnad kan
uns GOTT unangeſehen aller unſer Verdienſten recht maͤſſig
weigern/ und ſagen: Jch bin dir nichts ſchuldig. Sin-
temahlen eine Gnad keine Schuld iſt/ ſondern eine gantz freywillige Gaab/
die wir mit ſtetem Gebett von unſerm GOtt begehren muͤſſen. Zum Ex-
empel: Ein Fuͤrſt ſchenckt einem Edelman ein Schloß mit dem Geding/
wann er ihm treue Dienſten leiſten werde: Selbiger aber verſuͤndiget ſich
groͤblich gegen ſeinen Fuͤrſten/ und ſtellet ſich alſo in Gefahr/ nicht
allein das Schloß/ ſondern auch das Leben zu verliehren. Alſo
gehets her mit denen/ welche ihren GOTT groͤblich beleidigen:
ſie waren in Gnaden/ der Himmel war ihnen verſprochen: Die-
weilen ſie aber den Verſprecher erzuͤrnet haben/ ſo haben ſie die
Gnad und den Himmel zugleich verlohren. Solte nun der Fuͤrſt
dem Edelman ſolche Gnad thun/ vermoͤg deren er niemahlen auß
der Gnad kommen moͤgte; Dieſe Gnad waͤre ſicherlich die aller-
fuͤrtrefflichſte Gnad unter allen Gnaden/ und ſolte kaum einem
unter tauſenden widerfahren. Solcher maſſen hat GOTT

ſehr
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[603/0631] Von dem beſondern Gericht. deren er wuͤrdig iſt: alles iſt ihm viel zu gering: Dann gleich wie die Herrligkeit GOttes/ Krafft und Wuͤrde nach aller Vollkommenheit un- endlich ſeynd/ alſo iſt er einer unermeſſenen Ehr wuͤrdig. Dahero koͤn- nen uns alle unſere Werck/ ſo da gut und vollkommen zu ſeyn ſcheinen/ ver- daͤchtig ſeyn; zumahlen ſelbige gemeiniglich mit dieſer oder jener Unſauber- keit beſudlet werden/ und alſo den allerreineſten GOtt zu gering ſeynd. Solche Betrachtung koͤnnen uns wohl bey der Crden/ und in Forcht hal- ten/ wann wir uns derſelben oͤffters gebrauchen/ und annebens die Rech- nung vor der Zeit machen/ damit wir zur Zeit deß Gerichts beſtehen moͤgen. Das beſte Mittel aber eine gute Rechnung zu machen/ iſt dieſes/ mein Chriſtliche Seel/ daß du nemblich die Suͤnden mit allem Ernſt flieheſt/ und deinen GOtt taͤglich bitteſt/ daß er dir ſeine huͤlffliche Hand nicht entzie- he: Dann der heilige Thomas mit allen Gelehrten ſagt alſo: Auff daß der Menſch/ ſo da in der Gnade GOTTES iſt/ biß zum End ſeines Lebens verharre; hat er eine ſonderbahre Hülff GOTTES vonnoͤthen/ krafft deren er fůr dem Anlauff der Verſuchungen beſchützet werde: Zumahlen die Gnad vielen ge- geben wird/ denen doch nicht allen gegeben wird/ in derſelben zu verharren. Dieſe ſonderliche Gnad kan uns GOTT unangeſehen aller unſer Verdienſten recht maͤſſig weigern/ und ſagen: Jch bin dir nichts ſchuldig. Sin- temahlen eine Gnad keine Schuld iſt/ ſondern eine gantz freywillige Gaab/ die wir mit ſtetem Gebett von unſerm GOtt begehren muͤſſen. Zum Ex- empel: Ein Fuͤrſt ſchenckt einem Edelman ein Schloß mit dem Geding/ wann er ihm treue Dienſten leiſten werde: Selbiger aber verſuͤndiget ſich groͤblich gegen ſeinen Fuͤrſten/ und ſtellet ſich alſo in Gefahr/ nicht allein das Schloß/ ſondern auch das Leben zu verliehren. Alſo gehets her mit denen/ welche ihren GOTT groͤblich beleidigen: ſie waren in Gnaden/ der Himmel war ihnen verſprochen: Die- weilen ſie aber den Verſprecher erzuͤrnet haben/ ſo haben ſie die Gnad und den Himmel zugleich verlohren. Solte nun der Fuͤrſt dem Edelman ſolche Gnad thun/ vermoͤg deren er niemahlen auß der Gnad kommen moͤgte; Dieſe Gnad waͤre ſicherlich die aller- fuͤrtrefflichſte Gnad unter allen Gnaden/ und ſolte kaum einem unter tauſenden widerfahren. Solcher maſſen hat GOTT ſehr 1. 2 9. 109. art. 10. G g g g 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/631>, abgerufen am 22.11.2024.