Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Viertzigste Geistliche Lection gesehen hat/ wann er selbigen nicht abwischet: also kan dem Menschennichts nutzen/ daß er das Wort der heiligen Schrifft oder deß Predi- gers anhöret/ es sey dann/ daß er das jenige/ so er mit den Ohren höret/ mit dem Werck vollbringe. Soll nun einem frembd vorkom- men/ daß der heilige Jacobus von einem Mann melde/ der sich im Spiegel beschauet; da doch den Weibern gemein ist/ daß sie sich Stun- den lang im Spiegel besichtigen: der höre die Ursach/ daß nemblich anders ein Mann/ und anders ein Weib sich im Spiegel betrachte. Ein Mann schauet sich im Spiegel nur obenhin ohne Sorgfalt/ und achtet wenig/ ob etwas im Angesicht oder Kleidern zu bessern seye/ und gehet gemeiniglich vom Spiegel wie er darzu kommen ist. Gantz an- ders machts das Frauen-Zimmer; diese besehen gar genau alle Fleck- lein/ kampeln und streichen alle Haaren/ &c. auff das ja nichts an der schönen Gestalt ermangle. Dieses Weiber-Geschmeiß soll in diesem Fall nachfolgen ein jeder Anhörer deß Worts GOTTES/ und auff alle Weiß zu bessern trachten/ was der Prediger immer sündhafft und Gebrechlich gleich wie in einem Spiegel zeiget. So wird dann der Zu- hörer deß Worts GOTTES/ welcher nur ein Zuhörer ist/ und kein Thäter desselben/ ein Beschauer/ und nicht ein Außbesserer/ selbi- ger/ sag ich/ wird von dem Apostel einem Mann verglichen. Dieweilen wir nun zum End verlangen/ als hab ichs/ mein Christliche Seel/ bey diesem wenigen wollen beruhen lassen/ und dir das übrige zu betrachten anheim stellen. Die
Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection geſehen hat/ wann er ſelbigen nicht abwiſchet: alſo kan dem Menſchennichts nutzen/ daß er das Wort der heiligen Schrifft oder deß Predi- gers anhoͤret/ es ſey dann/ daß er das jenige/ ſo er mit den Ohren hoͤret/ mit dem Werck vollbringe. Soll nun einem frembd vorkom- men/ daß der heilige Jacobus von einem Mann melde/ der ſich im Spiegel beſchauet; da doch den Weibern gemein iſt/ daß ſie ſich Stun- den lang im Spiegel beſichtigen: der hoͤre die Urſach/ daß nemblich anders ein Mann/ und anders ein Weib ſich im Spiegel betrachte. Ein Mann ſchauet ſich im Spiegel nur obenhin ohne Sorgfalt/ und achtet wenig/ ob etwas im Angeſicht oder Kleidern zu beſſern ſeye/ und gehet gemeiniglich vom Spiegel wie er darzu kommen iſt. Gantz an- ders machts das Frauen-Zimmer; dieſe beſehen gar genau alle Fleck- lein/ kampeln und ſtreichen alle Haaren/ &c. auff das ja nichts an der ſchoͤnen Geſtalt ermangle. Dieſes Weiber-Geſchmeiß ſoll in dieſem Fall nachfolgen ein jeder Anhoͤrer deß Worts GOTTES/ und auff alle Weiß zu beſſern trachten/ was der Prediger immer ſuͤndhafft und Gebrechlich gleich wie in einem Spiegel zeiget. So wird dann der Zu- hoͤrer deß Worts GOTTES/ welcher nur ein Zuhoͤrer iſt/ und kein Thaͤter deſſelben/ ein Beſchauer/ und nicht ein Außbeſſerer/ ſelbi- ger/ ſag ich/ wird von dem Apoſtel einem Mann verglichen. Dieweilen wir nun zum End verlangen/ als hab ichs/ mein Chriſtliche Seel/ bey dieſem wenigen wollen beruhen laſſen/ und dir das uͤbrige zu betrachten anheim ſtellen. Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0580" n="552"/><fw place="top" type="header">Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/> geſehen hat/ wann er ſelbigen nicht abwiſchet: alſo kan dem Menſchen<lb/> nichts nutzen/ daß er das Wort der heiligen Schrifft oder deß Predi-<lb/> gers anhoͤret/ es ſey dann/ daß er das jenige/ ſo er mit den Ohren<lb/> hoͤret/ mit dem Werck vollbringe. Soll nun einem frembd vorkom-<lb/> men/ daß der heilige Jacobus von einem Mann melde/ der ſich im<lb/> Spiegel beſchauet; da doch den Weibern gemein iſt/ daß ſie ſich Stun-<lb/> den lang im Spiegel beſichtigen: der hoͤre die Urſach/ daß nemblich<lb/> anders ein Mann/ und anders ein Weib ſich im Spiegel betrachte.<lb/> Ein Mann ſchauet ſich im Spiegel nur obenhin ohne Sorgfalt/ und<lb/> achtet wenig/ ob etwas im Angeſicht oder Kleidern zu beſſern ſeye/ und<lb/> gehet gemeiniglich vom Spiegel wie er darzu kommen iſt. Gantz an-<lb/> ders machts das Frauen-Zimmer; dieſe beſehen gar genau alle Fleck-<lb/> lein/ kampeln und ſtreichen alle Haaren/ <hi rendition="#aq">&c.</hi> auff das ja nichts an der<lb/> ſchoͤnen Geſtalt ermangle. Dieſes Weiber-Geſchmeiß ſoll in dieſem<lb/> Fall nachfolgen ein jeder Anhoͤrer deß Worts GOTTES/ und auff<lb/> alle Weiß zu beſſern trachten/ was der Prediger immer ſuͤndhafft und<lb/> Gebrechlich gleich wie in einem Spiegel zeiget. So wird dann der Zu-<lb/> hoͤrer deß Worts GOTTES/ welcher nur ein Zuhoͤrer iſt/ und<lb/> kein Thaͤter deſſelben/ ein Beſchauer/ und nicht ein Außbeſſerer/ ſelbi-<lb/> ger/ ſag ich/ wird von dem Apoſtel einem Mann verglichen. Dieweilen<lb/> wir nun zum End verlangen/ als hab ichs/ mein Chriſtliche Seel/<lb/><hi rendition="#c">bey dieſem wenigen wollen beruhen laſſen/ und dir das<lb/> uͤbrige zu betrachten anheim ſtellen.</hi></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/> </body> </text> </TEI> [552/0580]
Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
geſehen hat/ wann er ſelbigen nicht abwiſchet: alſo kan dem Menſchen
nichts nutzen/ daß er das Wort der heiligen Schrifft oder deß Predi-
gers anhoͤret/ es ſey dann/ daß er das jenige/ ſo er mit den Ohren
hoͤret/ mit dem Werck vollbringe. Soll nun einem frembd vorkom-
men/ daß der heilige Jacobus von einem Mann melde/ der ſich im
Spiegel beſchauet; da doch den Weibern gemein iſt/ daß ſie ſich Stun-
den lang im Spiegel beſichtigen: der hoͤre die Urſach/ daß nemblich
anders ein Mann/ und anders ein Weib ſich im Spiegel betrachte.
Ein Mann ſchauet ſich im Spiegel nur obenhin ohne Sorgfalt/ und
achtet wenig/ ob etwas im Angeſicht oder Kleidern zu beſſern ſeye/ und
gehet gemeiniglich vom Spiegel wie er darzu kommen iſt. Gantz an-
ders machts das Frauen-Zimmer; dieſe beſehen gar genau alle Fleck-
lein/ kampeln und ſtreichen alle Haaren/ &c. auff das ja nichts an der
ſchoͤnen Geſtalt ermangle. Dieſes Weiber-Geſchmeiß ſoll in dieſem
Fall nachfolgen ein jeder Anhoͤrer deß Worts GOTTES/ und auff
alle Weiß zu beſſern trachten/ was der Prediger immer ſuͤndhafft und
Gebrechlich gleich wie in einem Spiegel zeiget. So wird dann der Zu-
hoͤrer deß Worts GOTTES/ welcher nur ein Zuhoͤrer iſt/ und
kein Thaͤter deſſelben/ ein Beſchauer/ und nicht ein Außbeſſerer/ ſelbi-
ger/ ſag ich/ wird von dem Apoſtel einem Mann verglichen. Dieweilen
wir nun zum End verlangen/ als hab ichs/ mein Chriſtliche Seel/
bey dieſem wenigen wollen beruhen laſſen/ und dir das
uͤbrige zu betrachten anheim ſtellen.
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/580 |
Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/580>, abgerufen am 16.07.2024. |