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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von Anhörung und Lesung der geistlichen Dingen.
H. Simeon Stylites sich selbsten vorgelesen: seelig seyen die Armen im Geist/
dan ihnen ist das Reich der Himmelen &c. verursachet/ daß er achtzig Jahr
lang auff einer Seulen gestanden/ allzeit gebettet/ schier ohne Speiß und
Tranck gelebt/ und mehr für einen Engel/ als Menschen ist angesehen wor-
den. Jmgleichen/ da der H. Vatter Augustinus über die Aenderung seines
Stands und Lebens im zweiffel gestanden/ und diese Stimm gehört hat:
schlag auff/ und lese: hat er die Bibel auffgeschlagen/ und da er diese Wort:
Nicht in Fressen und Sauffen &c. gelesen/ ist solches Licht und gros-
se Klarheit in dessen Hertzen auffgangen/ daß aller zweiffel und wanckelmuch
zur Stund seye flüchtig worden/ und er zu einem vollkommnesten Heili-
gen/ und wahren grösten Licht der Catholischen Kirchen ist worden. Was
hat den H. Jgnatium Lojolam zu einer solchen vollkommenen Heiligkeit an-
ders erholen/ als das Lesen der Nachfolgung Christi/ und der Leben der Hei-
ligen? Jch bin der Meinung/ daß/ wann wir mit halb so grossem Eiffer das
Wort GOTTES würden anhören/ als wir newe Zeitungen/
kurtzweilige Reden/ Verleumbdungen und Narren-Bossen gern er-
zehlen hören/ dannoch unseren Seelen mercklichen Nutzen schaffen
könten: nun aber wohnen wir demselben bey/ oder auß Noth/ die-
weilen wir darzu gezwungen werden/ oder auß Gewonheit/ oder auß
menschlichem Respect: und gedencken nicht/ daß/ gleich wie der Leib durch
Speiß muß erhalten werden; also die Seel ohne das Wort Gottes gantz
schwach und krafftloß werde/ und endlich auß Mangel der nötigen Nahrung
jämmerlich dahin sterbe. Dahero hat der H. Ephrem vor seiner vollkom-
mentlichen Bekehrung im Gebett diese Wort gehört: Ephrem esse: und da
er fragte/ was er essen solle; hat er zur Antwort bekommen: gehe hin zum
Basilius/ der wird dich unterrichten/ und wird dir das ewige Brod reichen.
Da stunde Ephrem alsobald auff/ suchte den Basilium/ und funde selbigen
in der Kirchen auff der Cantzel stehen und predigen. Hierauß hat mein gu-
ter Ephrem nun vernunfftlich abgenommen/ daß das Wort Gottes die jeni-
ge Speiß seye/ die ihm zu essen befohlen worden: sonderbar weil er sahe/ daß
selbigem der heiliger Geist in Gestalt einer Tauben alles/ was er vorbringen
solte/ in die Ohren bliese. Jn dem der Königliche Prophet diese Geistliche
Speiß genossen/ ist er in deren Süssigkeit dergestalt verliebt worden; daß er
überlaut geruffen: Wie suß seynd deine Wort meinem Kachen;Ps. 118.
103.

sie seynd meinem Mund susser dann hönig.

3. Auch ist das Wort Gottes eine Leucht/ welche uns den Weeg zum
ewigen Leben zeiget: dan so du/ mein Christen-Mensch/ das Wort Gottes

Von Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen.
H. Simeon Stylites ſich ſelbſten vorgeleſen: ſeelig ſeyen die Armen im Geiſt/
dan ihnen iſt das Reich der Himmelen &c. verurſachet/ daß er achtzig Jahr
lang auff einer Seulen geſtanden/ allzeit gebettet/ ſchier ohne Speiß und
Tranck gelebt/ und mehr fuͤr einen Engel/ als Menſchen iſt angeſehen wor-
den. Jmgleichen/ da der H. Vatter Auguſtinus uͤber die Aenderung ſeines
Stands und Lebens im zweiffel geſtanden/ und dieſe Stimm gehoͤrt hat:
ſchlag auff/ und leſe: hat er die Bibel auffgeſchlagen/ und da er dieſe Wort:
Nicht in Freſſen und Sauffen &c. geleſen/ iſt ſolches Licht und groſ-
ſe Klarheit in deſſen Hertzen auffgangen/ daß aller zweiffel und wanckelmuch
zur Stund ſeye fluͤchtig worden/ und er zu einem vollkommneſten Heili-
gen/ und wahren groͤſten Licht der Catholiſchen Kirchen iſt worden. Was
hat den H. Jgnatium Lojolam zu einer ſolchen vollkommenen Heiligkeit an-
ders erholen/ als das Leſen der Nachfolgung Chriſti/ und der Leben der Hei-
ligen? Jch bin der Meinung/ daß/ wann wir mit halb ſo groſſem Eiffer das
Wort GOTTES wuͤrden anhoͤren/ als wir newe Zeitungen/
kurtzweilige Reden/ Verleumbdungen und Narren-Boſſen gern er-
zehlen hoͤren/ dannoch unſeren Seelen mercklichen Nutzen ſchaffen
koͤnten: nun aber wohnen wir demſelben bey/ oder auß Noth/ die-
weilen wir darzu gezwungen werden/ oder auß Gewonheit/ oder auß
menſchlichem Reſpect: und gedencken nicht/ daß/ gleich wie der Leib durch
Speiß muß erhalten werden; alſo die Seel ohne das Wort Gottes gantz
ſchwach und krafftloß werde/ und endlich auß Mangel der noͤtigen Nahrung
jaͤmmerlich dahin ſterbe. Dahero hat der H. Ephrem vor ſeiner vollkom-
mentlichen Bekehrung im Gebett dieſe Wort gehoͤrt: Ephrem eſſe: und da
er fragte/ was er eſſen ſolle; hat er zur Antwort bekommen: gehe hin zum
Baſilius/ der wird dich unterrichten/ und wird dir das ewige Brod reichen.
Da ſtunde Ephrem alſobald auff/ ſuchte den Baſilium/ und funde ſelbigen
in der Kirchen auff der Cantzel ſtehen und predigen. Hierauß hat mein gu-
ter Ephrem nun vernunfftlich abgenommen/ daß das Wort Gottes die jeni-
ge Speiß ſeye/ die ihm zu eſſen befohlen worden: ſonderbar weil er ſahe/ daß
ſelbigem der heiliger Geiſt in Geſtalt einer Tauben alles/ was er vorbringen
ſolte/ in die Ohren blieſe. Jn dem der Koͤnigliche Prophet dieſe Geiſtliche
Speiß genoſſen/ iſt er in deren Suͤſſigkeit dergeſtalt verliebt worden; daß er
uͤberlaut geruffen: Wie ſůß ſeynd deine Wort meinem Kachen;Pſ. 118.
103.

ſie ſeynd meinem Mund ſuſſer dann hoͤnig.

3. Auch iſt das Wort Gottes eine Leucht/ welche uns den Weeg zum
ewigen Leben zeiget: dan ſo du/ mein Chriſten-Menſch/ das Wort Gottes

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[545/0573] Von Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen. H. Simeon Stylites ſich ſelbſten vorgeleſen: ſeelig ſeyen die Armen im Geiſt/ dan ihnen iſt das Reich der Himmelen &c. verurſachet/ daß er achtzig Jahr lang auff einer Seulen geſtanden/ allzeit gebettet/ ſchier ohne Speiß und Tranck gelebt/ und mehr fuͤr einen Engel/ als Menſchen iſt angeſehen wor- den. Jmgleichen/ da der H. Vatter Auguſtinus uͤber die Aenderung ſeines Stands und Lebens im zweiffel geſtanden/ und dieſe Stimm gehoͤrt hat: ſchlag auff/ und leſe: hat er die Bibel auffgeſchlagen/ und da er dieſe Wort: Nicht in Freſſen und Sauffen &c. geleſen/ iſt ſolches Licht und groſ- ſe Klarheit in deſſen Hertzen auffgangen/ daß aller zweiffel und wanckelmuch zur Stund ſeye fluͤchtig worden/ und er zu einem vollkommneſten Heili- gen/ und wahren groͤſten Licht der Catholiſchen Kirchen iſt worden. Was hat den H. Jgnatium Lojolam zu einer ſolchen vollkommenen Heiligkeit an- ders erholen/ als das Leſen der Nachfolgung Chriſti/ und der Leben der Hei- ligen? Jch bin der Meinung/ daß/ wann wir mit halb ſo groſſem Eiffer das Wort GOTTES wuͤrden anhoͤren/ als wir newe Zeitungen/ kurtzweilige Reden/ Verleumbdungen und Narren-Boſſen gern er- zehlen hoͤren/ dannoch unſeren Seelen mercklichen Nutzen ſchaffen koͤnten: nun aber wohnen wir demſelben bey/ oder auß Noth/ die- weilen wir darzu gezwungen werden/ oder auß Gewonheit/ oder auß menſchlichem Reſpect: und gedencken nicht/ daß/ gleich wie der Leib durch Speiß muß erhalten werden; alſo die Seel ohne das Wort Gottes gantz ſchwach und krafftloß werde/ und endlich auß Mangel der noͤtigen Nahrung jaͤmmerlich dahin ſterbe. Dahero hat der H. Ephrem vor ſeiner vollkom- mentlichen Bekehrung im Gebett dieſe Wort gehoͤrt: Ephrem eſſe: und da er fragte/ was er eſſen ſolle; hat er zur Antwort bekommen: gehe hin zum Baſilius/ der wird dich unterrichten/ und wird dir das ewige Brod reichen. Da ſtunde Ephrem alſobald auff/ ſuchte den Baſilium/ und funde ſelbigen in der Kirchen auff der Cantzel ſtehen und predigen. Hierauß hat mein gu- ter Ephrem nun vernunfftlich abgenommen/ daß das Wort Gottes die jeni- ge Speiß ſeye/ die ihm zu eſſen befohlen worden: ſonderbar weil er ſahe/ daß ſelbigem der heiliger Geiſt in Geſtalt einer Tauben alles/ was er vorbringen ſolte/ in die Ohren blieſe. Jn dem der Koͤnigliche Prophet dieſe Geiſtliche Speiß genoſſen/ iſt er in deren Suͤſſigkeit dergeſtalt verliebt worden; daß er uͤberlaut geruffen: Wie ſůß ſeynd deine Wort meinem Kachen; ſie ſeynd meinem Mund ſuſſer dann hoͤnig. Pſ. 118. 103. 3. Auch iſt das Wort Gottes eine Leucht/ welche uns den Weeg zum ewigen Leben zeiget: dan ſo du/ mein Chriſten-Menſch/ das Wort Gottes

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/573>, abgerufen am 22.11.2024.