Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Sacramentalischen Beicht. vermercket der Küster/ daß die Erd den Leichnamb von sich geworffen hatte;welches er dann alsbald dem Abten deß Klosters [b]edeutet hat. Dieser rufft alle Geistliche zusammen/ und befilcht ihnen/ sie sollen mit ihm die Göttli- che Miltigkeit anruffen und bitten/ sie wolle doch anzeigen/ wie man sich mit deß Pelagii Leichnamb verhalten solle. Nach verrichtetem Gebett wendet sich der Abt zum Verstorbenen und sagt: Pelagi/ dieweilen wir dich im- mer als einen gehorsamen Geistlichen gekennet haben/ so befehle ich dir auch anjetzo/ daß du uns dein Verlangen andeutest: ob dich villeicht GOtt an einem andern Ort will ligen haben/ daß offenbahre du uns/ damit wir dem Göttlichen Willen nachleben mögen. Hierauff seufftzet der Ver- storbene auß dem innersten seines Hertzen/ und sagt: Ach/ ich armseelige Creatur! wegen einer eintzigen in der Beicht verschwiegenen Sünde bin ich in alle Ewigkeit verlohren: komm zu mir/ und siehe meinen Leichnamb: der Abt tritt hinzu/ und sicht/ daß der Leib einem glüenden Eysen gleich seye: und da er wiederumb zurück schreitet/ sagt ihm der Verstorbene: gehe nicht hinweg/ sondern nehme mit dir/ was du in meinem Mund finden wirst. Der Abt nahet mehr hinzu/ und findet die H. Hostie/ so dem Armseeligen vor seinem Todt/ zum Reiß-Pfenning ware gegeben worden: nimbt selbige noch unverwesen auß dem Mund herauß/ und hat sie zum Gedenck-Zeichen dieser grausamen Tragödi an einem heiligen Ort absonderlich auffbehalten. Der Verstorbene hat auch außgesagt/ daß GOtt seinen faulen und stincken- den Leib nicht wolle in der geheiligten Erd/ sondern in der Mist-Gruben li- gen haben: dahero hat der Abt denselbigen an ein ungeweihetes und verwürff- liches Ort begraben lassen. O wie leichtlich hätte dieser armseelige Mensch seine Sünd beichten/ und also dem unwiderrüfflichem Urtheil der ewigen Verdamnuß entgehen können! Dieweilen er aber solches vernachlässiget/ so hat er keinem andern/ als sich selbsten die Schuld seines Verderbens auff- zumessen. 12. Wann nun schon auch einer alle seine Sünden in der Beicht offen- fünff T t t 3
Von der Sacramentaliſchen Beicht. vermercket der Kuͤſter/ daß die Erd den Leichnamb von ſich geworffen hatte;welches er dann alsbald dem Abten deß Kloſters [b]edeutet hat. Dieſer rufft alle Geiſtliche zuſammen/ und befilcht ihnen/ ſie ſollen mit ihm die Goͤttli- che Miltigkeit anruffen und bitten/ ſie wolle doch anzeigen/ wie man ſich mit deß Pelagii Leichnamb verhalten ſolle. Nach verrichtetem Gebett wendet ſich der Abt zum Verſtorbenen und ſagt: Pelagi/ dieweilen wir dich im- mer als einen gehorſamen Geiſtlichen gekennet haben/ ſo befehle ich dir auch anjetzo/ daß du uns dein Verlangen andeuteſt: ob dich villeicht GOtt an einem andern Ort will ligen haben/ daß offenbahre du uns/ damit wir dem Goͤttlichen Willen nachleben moͤgen. Hierauff ſeufftzet der Ver- ſtorbene auß dem innerſten ſeines Hertzen/ und ſagt: Ach/ ich armſeelige Creatur! wegen einer eintzigen in der Beicht verſchwiegenen Suͤnde bin ich in alle Ewigkeit verlohren: komm zu mir/ und ſiehe meinen Leichnamb: der Abt tritt hinzu/ und ſicht/ daß der Leib einem gluͤenden Eyſen gleich ſeye: und da er wiederumb zuruͤck ſchreitet/ ſagt ihm der Verſtorbene: gehe nicht hinweg/ ſondern nehme mit dir/ was du in meinem Mund finden wirſt. Der Abt nahet mehr hinzu/ und findet die H. Hoſtie/ ſo dem Armſeeligen vor ſeinem Todt/ zum Reiß-Pfenning ware gegeben worden: nimbt ſelbige noch unverweſen auß dem Mund herauß/ und hat ſie zum Gedenck-Zeichen dieſer grauſamen Tragoͤdi an einem heiligen Ort abſonderlich auffbehalten. Der Verſtorbene hat auch außgeſagt/ daß GOtt ſeinen faulen und ſtincken- den Leib nicht wolle in der geheiligten Erd/ ſondern in der Miſt-Gruben li- gen haben: dahero hat der Abt denſelbigen an ein ungeweihetes und verwuͤrff- liches Ort begraben laſſen. O wie leichtlich haͤtte dieſer armſeelige Menſch ſeine Suͤnd beichten/ und alſo dem unwiderruͤfflichem Urtheil der ewigen Verdamnuß entgehen koͤnnen! Dieweilen er aber ſolches vernachlaͤſſiget/ ſo hat er keinem andern/ als ſich ſelbſten die Schuld ſeines Verderbens auff- zumeſſen. 12. Wann nun ſchon auch einer alle ſeine Suͤnden in der Beicht offen- fuͤnff T t t 3
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Von der Sacramentaliſchen Beicht.
vermercket der Kuͤſter/ daß die Erd den Leichnamb von ſich geworffen hatte;
welches er dann alsbald dem Abten deß Kloſters bedeutet hat. Dieſer rufft
alle Geiſtliche zuſammen/ und befilcht ihnen/ ſie ſollen mit ihm die Goͤttli-
che Miltigkeit anruffen und bitten/ ſie wolle doch anzeigen/ wie man ſich mit
deß Pelagii Leichnamb verhalten ſolle. Nach verrichtetem Gebett wendet
ſich der Abt zum Verſtorbenen und ſagt: Pelagi/ dieweilen wir dich im-
mer als einen gehorſamen Geiſtlichen gekennet haben/ ſo befehle ich dir auch
anjetzo/ daß du uns dein Verlangen andeuteſt: ob dich villeicht GOtt
an einem andern Ort will ligen haben/ daß offenbahre du uns/ damit wir
dem Goͤttlichen Willen nachleben moͤgen. Hierauff ſeufftzet der Ver-
ſtorbene auß dem innerſten ſeines Hertzen/ und ſagt: Ach/ ich armſeelige
Creatur! wegen einer eintzigen in der Beicht verſchwiegenen Suͤnde bin
ich in alle Ewigkeit verlohren: komm zu mir/ und ſiehe meinen Leichnamb:
der Abt tritt hinzu/ und ſicht/ daß der Leib einem gluͤenden Eyſen gleich
ſeye: und da er wiederumb zuruͤck ſchreitet/ ſagt ihm der Verſtorbene: gehe
nicht hinweg/ ſondern nehme mit dir/ was du in meinem Mund finden wirſt.
Der Abt nahet mehr hinzu/ und findet die H. Hoſtie/ ſo dem Armſeeligen
vor ſeinem Todt/ zum Reiß-Pfenning ware gegeben worden: nimbt ſelbige
noch unverweſen auß dem Mund herauß/ und hat ſie zum Gedenck-Zeichen
dieſer grauſamen Tragoͤdi an einem heiligen Ort abſonderlich auffbehalten.
Der Verſtorbene hat auch außgeſagt/ daß GOtt ſeinen faulen und ſtincken-
den Leib nicht wolle in der geheiligten Erd/ ſondern in der Miſt-Gruben li-
gen haben: dahero hat der Abt denſelbigen an ein ungeweihetes und verwuͤrff-
liches Ort begraben laſſen. O wie leichtlich haͤtte dieſer armſeelige Menſch
ſeine Suͤnd beichten/ und alſo dem unwiderruͤfflichem Urtheil der ewigen
Verdamnuß entgehen koͤnnen! Dieweilen er aber ſolches vernachlaͤſſiget/
ſo hat er keinem andern/ als ſich ſelbſten die Schuld ſeines Verderbens auff-
zumeſſen.
12. Wann nun ſchon auch einer alle ſeine Suͤnden in der Beicht offen-
bahret/ und hat kein veſtes Vorhaben/ dieſelbe ernſtlich zu beſſeren/ ſo wird
die Beicht nichtig/ und ſo gar auch Gottes-laͤſteriſch. Durch Erman-
glung dieſes noͤtigen Fuͤrſatzes eilen leyder! ſehr viele Chriſtglaubige zur
Hoͤllen/ wie der folgende Diſcurs dich lehret. Die Theologi oder Schrifft-
gelehrten fragen einander/ ob der meiſte Theil der Catholiſchen ſeelig oder
verdambt werden Hieruͤber gibts zwarn unterſcheidliche Meinungen ab:
es halten aber die meiſte darfuͤr/ daß von den Glaubigen mehr verdambt als
ſeelig werden: dergeſtalt/ daß unter zwantzig der obgemelten Gelehrten/ nur
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/545>, abgerufen am 01.07.2024. |