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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Viertzigste Geistliche Lection
Blinden: wan aber ein Blinder den anderen fuhret/ so fallen
sie beyde in die Gruben.
Was sich bey dieser Histori hat zugetra-
gen/ ist zu förchten/ daß vielen widerfahren werde [:] dan ein Fehler kombt auß
dem anderen; und wann der Hirt (wie ein Beichts-Vatter seyn solte) böse
und gefährliche Weeg eingehet/ so muß er auch die Schaaff notwendiglich
in Gefahr stellen. Hierüber sagt der H. Gregorius/ daß ein guter Seelen-
Luc. 10.
a Gloss.
cit.
Artz dem Evangelischen Samaritan nachfolge/ welcher dem verletzten
Wandersman auffm Weeg seine Wunden verbunden/ und mit Oehl und
Wein versehen hat. Der heilige Vatter Augustinus sagt: Er hat seine
Wundenverbunden/ das ist/ er hat mit der Bestraffung
die Sunden geheminet. Wie aber hat er sie verbunden:
Jndem er Oel und Wein hinzugegossen/ also die Schärffe
mit der Sanfftmütigkeit vergesellschafftet.
Derhalben un-
terrichtet der H Gregorius die Priester also und sagt: Durch den Wein
sollen die Wunden gebissen/ und durch das Oel gesenfftet
werden: die Lindigkeit muß mit der Strenge vermischet
werden: der Ernst muß gebraucht werden/ soll aber nicht
herb seyn: imgleichen ist gut der Eiffer/ er muß aber mit zu
wüten: die Gute muß auch da gebraucht werden/ wo sie
dienlich ist.
Dahero fehlendie Beichs- Vätter zum ersten/ wann sie
mit Streichen und Schmieren einen gefährlig erkränckten Menschen zu
heilen sich unterstehen/ da doch in solchem Fall schärffere Mittel vonnöthen
seynd/ und das Ubel mit Schneiden und Brennen muß vertrieben werden.
Wehe den Beichs-Vättern/ so diese Lehr vernachlässigen: dann/ wie der
Prophet Ezechiel spricht: wann solche nicht reden/ daß sie sich von ihren
gottlosen Weegen und leben abwenden/ so werden sie mit den Gottlosen
gleicher Weiß gestrafft werden/ der Artzt wird mit den Krancken zu Grund
gehen/ dessen Blut von seiner Hand wird gefordert werden. Recht und
wohl vermercke der H. Albertus Magnus/ daß/ da Christus den Sohn der
Luc. 7.Wittwe zum Leben erwecken wolle/ gesagthabe/ Jch sage dir/ Jüng-
ling stehe auff:
Damit der Beichs-Vatter/ ehe er sage/ stehe auff/
nemblich/ absolvo te, ich spreche dich loß; nach dem Exempel deß
Heylands erstlich die Todten-Baar anrühre/ und heisse stehen die jenige/
so den Leichnam tragen. Rühre an/ sagt der H. Vatter/ die Baar/ das
L. de
Dogn.
Eccl. c.
54
ist das Gewissen/ durch die Bestraffung: laß die Träger/ nemblich die Ge-
legenheiten zu sündigen still stehen: zumahlen/ nach Zeugnüß deß Heil.
Augustini/ die Gnugthuung der Buß bestehet darin/ daß man die Ursach

der

Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Blinden: wan aber ein Blinder den anderen fůhret/ ſo fallen
ſie beyde in die Gruben.
Was ſich bey dieſer Hiſtori hat zugetra-
gen/ iſt zu foͤrchten/ daß vielen widerfahren werde [:] dan ein Fehler kombt auß
dem anderen; und wann der Hirt (wie ein Beichts-Vatter ſeyn ſolte) boͤſe
und gefaͤhrliche Weeg eingehet/ ſo muß er auch die Schaaff notwendiglich
in Gefahr ſtellen. Hieruͤber ſagt der H. Gregorius/ daß ein guter Seelen-
Luc. 10.
à Gloſſ.
cit.
Artz dem Evangeliſchen Samaritan nachfolge/ welcher dem verletzten
Wandersman auffm Weeg ſeine Wunden verbunden/ und mit Oehl und
Wein verſehen hat. Der heilige Vatter Auguſtinus ſagt: Er hat ſeine
Wundenverbunden/ das iſt/ er hat mit der Beſtraffung
die Sůnden geheminet. Wie aber hat er ſie verbunden:
Jndem er Oel und Wein hinzugegoſſen/ alſo die Schaͤrffe
mit der Sanfftmütigkeit vergeſellſchafftet.
Derhalben un-
terrichtet der H Gregorius die Prieſter alſo und ſagt: Durch den Wein
ſollen die Wunden gebiſſen/ und durch das Oel geſenfftet
werden: die Lindigkeit muß mit der Strenge vermiſchet
werden: der Ernſt muß gebraucht werden/ ſoll aber nicht
herb ſeyn: imgleichen iſt gut der Eiffer/ er muß aber mit zu
wüten: die Gůte muß auch da gebraucht werden/ wo ſie
dienlich iſt.
Dahero fehlendie Beichs- Vaͤtter zum erſten/ wann ſie
mit Streichen und Schmieren einen gefaͤhrlig erkraͤnckten Menſchen zu
heilen ſich unterſtehen/ da doch in ſolchem Fall ſchaͤrffere Mittel vonnoͤthen
ſeynd/ und das Ubel mit Schneiden und Brennen muß vertrieben werden.
Wehe den Beichs-Vaͤttern/ ſo dieſe Lehr vernachlaͤſſigen: dann/ wie der
Prophet Ezechiel ſpricht: wann ſolche nicht reden/ daß ſie ſich von ihren
gottloſen Weegen und leben abwenden/ ſo werden ſie mit den Gottloſen
gleicher Weiß geſtrafft werden/ der Artzt wird mit den Krancken zu Grund
gehen/ deſſen Blut von ſeiner Hand wird gefordert werden. Recht und
wohl vermercke der H. Albertus Magnus/ daß/ da Chriſtus den Sohn der
Luc. 7.Wittwe zum Leben erwecken wolle/ geſagthabe/ Jch ſage dir/ Jüng-
ling ſtehe auff:
Damit der Beichs-Vatter/ ehe er ſage/ ſtehe auff/
nemblich/ abſolvo te, ich ſpreche dich loß; nach dem Exempel deß
Heylands erſtlich die Todten-Baar anruͤhre/ und heiſſe ſtehen die jenige/
ſo den Leichnam tragen. Ruͤhre an/ ſagt der H. Vatter/ die Baar/ das
L. de
Dogn.
Eccl. c.
54
iſt das Gewiſſen/ durch die Beſtraffung: laß die Traͤger/ nemblich die Ge-
legenheiten zu ſuͤndigen ſtill ſtehen: zumahlen/ nach Zeugnuͤß deß Heil.
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[512/0540] Die Viertzigſte Geiſtliche Lection Blinden: wan aber ein Blinder den anderen fůhret/ ſo fallen ſie beyde in die Gruben. Was ſich bey dieſer Hiſtori hat zugetra- gen/ iſt zu foͤrchten/ daß vielen widerfahren werde : dan ein Fehler kombt auß dem anderen; und wann der Hirt (wie ein Beichts-Vatter ſeyn ſolte) boͤſe und gefaͤhrliche Weeg eingehet/ ſo muß er auch die Schaaff notwendiglich in Gefahr ſtellen. Hieruͤber ſagt der H. Gregorius/ daß ein guter Seelen- Artz dem Evangeliſchen Samaritan nachfolge/ welcher dem verletzten Wandersman auffm Weeg ſeine Wunden verbunden/ und mit Oehl und Wein verſehen hat. Der heilige Vatter Auguſtinus ſagt: Er hat ſeine Wundenverbunden/ das iſt/ er hat mit der Beſtraffung die Sůnden geheminet. Wie aber hat er ſie verbunden: Jndem er Oel und Wein hinzugegoſſen/ alſo die Schaͤrffe mit der Sanfftmütigkeit vergeſellſchafftet. Derhalben un- terrichtet der H Gregorius die Prieſter alſo und ſagt: Durch den Wein ſollen die Wunden gebiſſen/ und durch das Oel geſenfftet werden: die Lindigkeit muß mit der Strenge vermiſchet werden: der Ernſt muß gebraucht werden/ ſoll aber nicht herb ſeyn: imgleichen iſt gut der Eiffer/ er muß aber mit zu wüten: die Gůte muß auch da gebraucht werden/ wo ſie dienlich iſt. Dahero fehlendie Beichs- Vaͤtter zum erſten/ wann ſie mit Streichen und Schmieren einen gefaͤhrlig erkraͤnckten Menſchen zu heilen ſich unterſtehen/ da doch in ſolchem Fall ſchaͤrffere Mittel vonnoͤthen ſeynd/ und das Ubel mit Schneiden und Brennen muß vertrieben werden. Wehe den Beichs-Vaͤttern/ ſo dieſe Lehr vernachlaͤſſigen: dann/ wie der Prophet Ezechiel ſpricht: wann ſolche nicht reden/ daß ſie ſich von ihren gottloſen Weegen und leben abwenden/ ſo werden ſie mit den Gottloſen gleicher Weiß geſtrafft werden/ der Artzt wird mit den Krancken zu Grund gehen/ deſſen Blut von ſeiner Hand wird gefordert werden. Recht und wohl vermercke der H. Albertus Magnus/ daß/ da Chriſtus den Sohn der Wittwe zum Leben erwecken wolle/ geſagthabe/ Jch ſage dir/ Jüng- ling ſtehe auff: Damit der Beichs-Vatter/ ehe er ſage/ ſtehe auff/ nemblich/ abſolvo te, ich ſpreche dich loß; nach dem Exempel deß Heylands erſtlich die Todten-Baar anruͤhre/ und heiſſe ſtehen die jenige/ ſo den Leichnam tragen. Ruͤhre an/ ſagt der H. Vatter/ die Baar/ das iſt das Gewiſſen/ durch die Beſtraffung: laß die Traͤger/ nemblich die Ge- legenheiten zu ſuͤndigen ſtill ſtehen: zumahlen/ nach Zeugnuͤß deß Heil. Auguſtini/ die Gnugthuung der Buß beſtehet darin/ daß man die Urſach der Luc. 10. à Gloſſ. cit. Luc. 7. L. de Dogn. Eccl. c. 54

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/540>, abgerufen am 25.11.2024.