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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Betrachtung deß Leyden Christi.
Geheimnuß deß Leydens in derselben Hertz dergestalt eingedruckt verblieben/
das Speiß und Tranck in Gedächtnuß dieses Leydens ihr bitter vorkommen;
und was sie gesehen/ verstanden und geredet/ mit der Gall deß Creutzes
Christi besprengt zu seyn geglaubet worden. Dahero hat man nach ihrem
Todt alle Jnfirumenten deß Leydens/ sambt dem geereutzigten Christo in
derselben Hertz getruckt befunden.

7. Der H. Bernardus gabe Zeugnüß von sich selbsten; daß er von An-Bern.
Sup.
Cant.

fang seiner Conversation an statt der Verdiensten/ deren er sich entblöset be-
funden/ ein Büschlein auß allen Schmertzen/ Aengsten und Bitterkeiten
seines Herren zusammen gebunden habe. Erstlich/ sagt er/ hab ich ver-
sammlet die Gebrechen und Notthdurfften deß unmündigen Kindleins:
nachmahlen die Mühe und Arbeit im Predigen; die Ermüdungen im hin-
und her reisen; das Wachen im Gebett; die Versuchungen im Fasten/
die Zähren im Mit-Leyden: die Nachstellungen der Phariseer im Fragen:
und endlich die Gefahren in falschen Brüdern: die Schelt und Schmäh-
Wort/ das Verspeyhen/ Verhönen/ die Backen-Streich/ die Verweiß-
thumben/ die Nägel und dergleichen. Solche Ubung vermeinet der Heili-
ge Vatter/ daß einem jeden Christ-liebenden Menschen nachzufolgen/ wohl
anstehe. Tygranes ein König wird mit seiner Gemahlin von dem Cyro
König in Persien gefangen/ und von selbigem gefragt/ was er zu Errettung
seines Weibs geben wolle; gib aber zur Antwort/ daß er sein Leben für selbi-
ge zu verlieren bereit wäre. Diese resolute Antwort hat dem Cyro dermas-
sen gefallen; daß er den gefangenen König sambt der Königin alsbald auff
freyen Fuß gestellet. Nun trägt sichs zu/ daß Tygranes in der Ruck-Reiß
seine Gemahlin fraget/ wie ihr der Cyrus gefallen habe: darauff selbige ant-
wortet/ daß sie solches nicht wisse; zumahlen sie von dem Augenblick/ in dem
er Tygranes sein Leben für seine Gemahlin dargebotten/ auff keinen andern
ihre Augen geschlagen habe/ als eben auff den jenigen/ dessen Lieb sie mit
hertzlichein Vergnügen erfahren. Wie viel höher seynd wir dann nicht ver-
bunden/ unsere Augen stets auff den jenigen zu wenden; der nicht mit dem
Willen; sondern auch mit der That selbsten sein Leben auff so grausame Weiß
für uns verlieren wollen? Der uns auch nicht auß der Gewalt eines irrdi-
schen Königs/ sondern auß der Selaverey deß höllischen Tyrannen erret-
tet/ und in die guldene Freyheit der Kinder GOttes gesetzt hat? Dahin
scheinet der H. Petrus gezielet zu haben mit diesen Worten: Dieweil1. Pet. 4.
v.
1.

Christus im Fleisch gelitten hatt/ so waffnet ihr euch auch
mit denselbigen Gedancken.

8. Jm

Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
Geheimnuß deß Leydens in derſelben Hertz dergeſtalt eingedruckt verblieben/
das Speiß und Tranck in Gedaͤchtnuß dieſes Leydens ihr bitter vorkommen;
und was ſie geſehen/ verſtanden und geredet/ mit der Gall deß Creutzes
Chriſti beſprengt zu ſeyn geglaubet worden. Dahero hat man nach ihrem
Todt alle Jnfirumenten deß Leydens/ ſambt dem geereutzigten Chriſto in
derſelben Hertz getruckt befunden.

7. Der H. Bernardus gabe Zeugnuͤß von ſich ſelbſten; daß er von An-Bern.
Sup.
Cant.

fang ſeiner Converſation an ſtatt der Verdienſten/ deren er ſich entbloͤſet be-
funden/ ein Buͤſchlein auß allen Schmertzen/ Aengſten und Bitterkeiten
ſeines Herren zuſammen gebunden habe. Erſtlich/ ſagt er/ hab ich ver-
ſammlet die Gebrechen und Notthdurfften deß unmuͤndigen Kindleins:
nachmahlen die Muͤhe und Arbeit im Predigen; die Ermuͤdungen im hin-
und her reiſen; das Wachen im Gebett; die Verſuchungen im Faſten/
die Zaͤhren im Mit-Leyden: die Nachſtellungen der Phariſeer im Fragen:
und endlich die Gefahren in falſchen Bruͤdern: die Schelt und Schmaͤh-
Wort/ das Verſpeyhen/ Verhoͤnen/ die Backen-Streich/ die Verweiß-
thumben/ die Naͤgel und dergleichen. Solche Ubung vermeinet der Heili-
ge Vatter/ daß einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen nachzufolgen/ wohl
anſtehe. Tygranes ein Koͤnig wird mit ſeiner Gemahlin von dem Cyro
Koͤnig in Perſien gefangen/ und von ſelbigem gefragt/ was er zu Errettung
ſeines Weibs geben wolle; gib aber zur Antwort/ daß er ſein Leben fuͤr ſelbi-
ge zu verlieren bereit waͤre. Dieſe reſolute Antwort hat dem Cyro dermaſ-
ſen gefallen; daß er den gefangenen Koͤnig ſambt der Koͤnigin alsbald auff
freyen Fuß geſtellet. Nun traͤgt ſichs zu/ daß Tygranes in der Ruck-Reiß
ſeine Gemahlin fraget/ wie ihr der Cyrus gefallen habe: darauff ſelbige ant-
wortet/ daß ſie ſolches nicht wiſſe; zumahlen ſie von dem Augenblick/ in dem
er Tygranes ſein Leben fuͤr ſeine Gemahlin dargebotten/ auff keinen andern
ihre Augen geſchlagen habe/ als eben auff den jenigen/ deſſen Lieb ſie mit
hertzlichein Vergnuͤgen erfahren. Wie viel hoͤher ſeynd wir dann nicht ver-
bunden/ unſere Augen ſtets auff den jenigen zu wenden; der nicht mit dem
Willen; ſondern auch mit der That ſelbſten ſein Leben auff ſo grauſame Weiß
fuͤr uns verlieren wollen? Der uns auch nicht auß der Gewalt eines irrdi-
ſchen Koͤnigs/ ſondern auß der Selaverey deß hoͤlliſchen Tyrannen erret-
tet/ und in die guldene Freyheit der Kinder GOttes geſetzt hat? Dahin
ſcheinet der H. Petrus gezielet zu haben mit dieſen Worten: Dieweil1. Pet. 4.
v.
1.

Chriſtus im Fleiſch gelitten hatt/ ſo waffnet ihr euch auch
mit denſelbigen Gedancken.

8. Jm
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[487/0515] Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti. Geheimnuß deß Leydens in derſelben Hertz dergeſtalt eingedruckt verblieben/ das Speiß und Tranck in Gedaͤchtnuß dieſes Leydens ihr bitter vorkommen; und was ſie geſehen/ verſtanden und geredet/ mit der Gall deß Creutzes Chriſti beſprengt zu ſeyn geglaubet worden. Dahero hat man nach ihrem Todt alle Jnfirumenten deß Leydens/ ſambt dem geereutzigten Chriſto in derſelben Hertz getruckt befunden. 7. Der H. Bernardus gabe Zeugnuͤß von ſich ſelbſten; daß er von An- fang ſeiner Converſation an ſtatt der Verdienſten/ deren er ſich entbloͤſet be- funden/ ein Buͤſchlein auß allen Schmertzen/ Aengſten und Bitterkeiten ſeines Herren zuſammen gebunden habe. Erſtlich/ ſagt er/ hab ich ver- ſammlet die Gebrechen und Notthdurfften deß unmuͤndigen Kindleins: nachmahlen die Muͤhe und Arbeit im Predigen; die Ermuͤdungen im hin- und her reiſen; das Wachen im Gebett; die Verſuchungen im Faſten/ die Zaͤhren im Mit-Leyden: die Nachſtellungen der Phariſeer im Fragen: und endlich die Gefahren in falſchen Bruͤdern: die Schelt und Schmaͤh- Wort/ das Verſpeyhen/ Verhoͤnen/ die Backen-Streich/ die Verweiß- thumben/ die Naͤgel und dergleichen. Solche Ubung vermeinet der Heili- ge Vatter/ daß einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen nachzufolgen/ wohl anſtehe. Tygranes ein Koͤnig wird mit ſeiner Gemahlin von dem Cyro Koͤnig in Perſien gefangen/ und von ſelbigem gefragt/ was er zu Errettung ſeines Weibs geben wolle; gib aber zur Antwort/ daß er ſein Leben fuͤr ſelbi- ge zu verlieren bereit waͤre. Dieſe reſolute Antwort hat dem Cyro dermaſ- ſen gefallen; daß er den gefangenen Koͤnig ſambt der Koͤnigin alsbald auff freyen Fuß geſtellet. Nun traͤgt ſichs zu/ daß Tygranes in der Ruck-Reiß ſeine Gemahlin fraget/ wie ihr der Cyrus gefallen habe: darauff ſelbige ant- wortet/ daß ſie ſolches nicht wiſſe; zumahlen ſie von dem Augenblick/ in dem er Tygranes ſein Leben fuͤr ſeine Gemahlin dargebotten/ auff keinen andern ihre Augen geſchlagen habe/ als eben auff den jenigen/ deſſen Lieb ſie mit hertzlichein Vergnuͤgen erfahren. Wie viel hoͤher ſeynd wir dann nicht ver- bunden/ unſere Augen ſtets auff den jenigen zu wenden; der nicht mit dem Willen; ſondern auch mit der That ſelbſten ſein Leben auff ſo grauſame Weiß fuͤr uns verlieren wollen? Der uns auch nicht auß der Gewalt eines irrdi- ſchen Koͤnigs/ ſondern auß der Selaverey deß hoͤlliſchen Tyrannen erret- tet/ und in die guldene Freyheit der Kinder GOttes geſetzt hat? Dahin ſcheinet der H. Petrus gezielet zu haben mit dieſen Worten: Dieweil Chriſtus im Fleiſch gelitten hatt/ ſo waffnet ihr euch auch mit denſelbigen Gedancken. Bern. Sup. Cant. 1. Pet. 4. v. 1. 8. Jm

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/515>, abgerufen am 25.11.2024.