Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der nützlichen Vbung aber diese Tugend-Schule nur allein auff die Anfangende zu lehren/ unddie Vollkommene ihres Ambts zu erinneren zielet; und dann du durch gar zu verdrießliche Weitläufftigkeit mehr von den Betrachtungen oder inner- lichen Gebett abgeschröcket/ als zu demselben beförderet würdest: als will ich dir die übliche Fürsätz folgender Gestalt entwerffen. Erstlich alle und jede läßliche Sünden/ in welche du am meisten und leichtesten zu fallen pflegest/ mustu du dich unterstehen zu meiden durch diese oder andere Mittel. Exem- pel-Weiß: durch die Erinnerung der Gegenwart GOttes an allen Orten; der letzten Dingen; der Wohlthaten GOttes/ &c. Zweytens mustu flie- hen die Gelegenheiten der Versuchungen/ in dem du dem gefährlichen Auß- und Eingang deinen Sinnen verbietest; die Gnad Gottes demütig- lich begehrest/ und dich selbsten gering schätzest. Drittens mustu diese oder je- ne böse Neigungen/ als schädliche Wurtzelen der Sünden/ auff diese oder ein andere Manier tödten. Viertens mustu mit mehrer Andacht/ als vor- hin/ und auch öffter zur Beicht gehen; und eine wahre Ren- und Leyd ü- ber alle von dir jemahlen begangene Sünden zu erwecken/ und immer zu be- halten dich unterstehen mit einem steiffen Fürsatz alles zu bessern. Fünfftens am End der Wochen mustu deine Betrachtungen gar kürtzlich widerholen/ und sehen/ ob/ und wie viel du an Tugenden zu- und an Lastern abgenom- men habest. Sechstens mustu dir sichere Buß-Werck und Abtödtuugen zur Reinigung der begangenen Sünden und zu Besserung deß Lebens; und das zwarn zu Lieb deß am Creutz leydenden Jesu aufflegen. Siebentens mustu dich enthalten vom Lachen/ Schätzen/ müssigen Worten/ Ungedult/ von allem Verletzungs-Schein der brüderlichen Liebe/ &c. Achtens mustu alle Tag gleichsam erstlich anfangen/ Gott zu dienen in einer wahren Reinig- keit deß Hertzen; und must dir einbilden/ als wann ein jeder Tag der letzte deines Lebens seye; so wirstu dich ohn allen Zweiffel eines sauberen Gewis- sen eifferigst und ernstlichst bemühen/ und dir so zeitliche als ewige Wohl- fahrt für den angewendeten Fleiß erwerben. Die
Von der nuͤtzlichen Vbung aber dieſe Tugend-Schule nur allein auff die Anfangende zu lehren/ unddie Vollkommene ihres Ambts zu erinneren zielet; und dann du durch gar zu verdrießliche Weitlaͤufftigkeit mehr von den Betrachtungen oder inner- lichen Gebett abgeſchroͤcket/ als zu demſelben befoͤrderet wuͤrdeſt: als will ich dir die uͤbliche Fuͤrſaͤtz folgender Geſtalt entwerffen. Erſtlich alle und jede laͤßliche Suͤnden/ in welche du am meiſten und leichteſten zu fallen pflegeſt/ muſtu du dich unterſtehen zu meiden durch dieſe oder andere Mittel. Exem- pel-Weiß: durch die Erinnerung der Gegenwart GOttes an allen Orten; der letzten Dingen; der Wohlthaten GOttes/ &c. Zweytens muſtu flie- hen die Gelegenheiten der Verſuchungen/ in dem du dem gefaͤhrlichen Auß- und Eingang deinen Sinnen verbieteſt; die Gnad Gottes demuͤtig- lich begehreſt/ und dich ſelbſten gering ſchaͤtzeſt. Drittens muſtu dieſe oder je- ne boͤſe Neigungen/ als ſchaͤdliche Wurtzelen der Suͤnden/ auff dieſe oder ein andere Manier toͤdten. Viertens muſtu mit mehrer Andacht/ als vor- hin/ und auch oͤffter zur Beicht gehen; und eine wahre Ren- und Leyd uͤ- ber alle von dir jemahlen begangene Suͤnden zu erwecken/ und immer zu be- halten dich unterſtehen mit einem ſteiffen Fuͤrſatz alles zu beſſern. Fuͤnfftens am End der Wochen muſtu deine Betrachtungen gar kuͤrtzlich widerholen/ und ſehen/ ob/ und wie viel du an Tugenden zu- und an Laſtern abgenom- men habeſt. Sechstens muſtu dir ſichere Buß-Werck und Abtoͤdtuugen zur Reinigung der begangenen Suͤnden und zu Beſſerung deß Lebens; und das zwarn zu Lieb deß am Creutz leydenden Jeſu aufflegen. Siebentens muſtu dich enthalten vom Lachen/ Schaͤtzen/ muͤſſigen Worten/ Ungedult/ von allem Verletzungs-Schein der bruͤderlichen Liebe/ &c. Achtens muſtu alle Tag gleichſam erſtlich anfangen/ Gott zu dienen in einer wahren Reinig- keit deß Hertzen; und muſt dir einbilden/ als wann ein jeder Tag der letzte deines Lebens ſeye; ſo wirſtu dich ohn allen Zweiffel eines ſauberen Gewiſ- ſen eifferigſt und ernſtlichſt bemuͤhen/ und dir ſo zeitliche als ewige Wohl- fahrt fuͤr den angewendeten Fleiß erwerben. Die
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Von der nuͤtzlichen Vbung
aber dieſe Tugend-Schule nur allein auff die Anfangende zu lehren/ und
die Vollkommene ihres Ambts zu erinneren zielet; und dann du durch gar
zu verdrießliche Weitlaͤufftigkeit mehr von den Betrachtungen oder inner-
lichen Gebett abgeſchroͤcket/ als zu demſelben befoͤrderet wuͤrdeſt: als will ich
dir die uͤbliche Fuͤrſaͤtz folgender Geſtalt entwerffen. Erſtlich alle und jede
laͤßliche Suͤnden/ in welche du am meiſten und leichteſten zu fallen pflegeſt/
muſtu du dich unterſtehen zu meiden durch dieſe oder andere Mittel. Exem-
pel-Weiß: durch die Erinnerung der Gegenwart GOttes an allen Orten;
der letzten Dingen; der Wohlthaten GOttes/ &c. Zweytens muſtu flie-
hen die Gelegenheiten der Verſuchungen/ in dem du dem gefaͤhrlichen
Auß- und Eingang deinen Sinnen verbieteſt; die Gnad Gottes demuͤtig-
lich begehreſt/ und dich ſelbſten gering ſchaͤtzeſt. Drittens muſtu dieſe oder je-
ne boͤſe Neigungen/ als ſchaͤdliche Wurtzelen der Suͤnden/ auff dieſe oder
ein andere Manier toͤdten. Viertens muſtu mit mehrer Andacht/ als vor-
hin/ und auch oͤffter zur Beicht gehen; und eine wahre Ren- und Leyd uͤ-
ber alle von dir jemahlen begangene Suͤnden zu erwecken/ und immer zu be-
halten dich unterſtehen mit einem ſteiffen Fuͤrſatz alles zu beſſern. Fuͤnfftens
am End der Wochen muſtu deine Betrachtungen gar kuͤrtzlich widerholen/
und ſehen/ ob/ und wie viel du an Tugenden zu- und an Laſtern abgenom-
men habeſt. Sechstens muſtu dir ſichere Buß-Werck und Abtoͤdtuugen
zur Reinigung der begangenen Suͤnden und zu Beſſerung deß Lebens; und
das zwarn zu Lieb deß am Creutz leydenden Jeſu aufflegen. Siebentens muſtu
dich enthalten vom Lachen/ Schaͤtzen/ muͤſſigen Worten/ Ungedult/
von allem Verletzungs-Schein der bruͤderlichen Liebe/ &c. Achtens muſtu
alle Tag gleichſam erſtlich anfangen/ Gott zu dienen in einer wahren Reinig-
keit deß Hertzen; und muſt dir einbilden/ als wann ein jeder Tag der letzte
deines Lebens ſeye; ſo wirſtu dich ohn allen Zweiffel eines ſauberen Gewiſ-
ſen eifferigſt und ernſtlichſt bemuͤhen/ und dir ſo zeitliche als ewige Wohl-
fahrt fuͤr den angewendeten Fleiß erwerben.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/508>, abgerufen am 16.02.2025. |