Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem Gebett noch bißweilen einige Ruhe gefunden wird; im Betten aber niemahlen: wirmüssen biß zum letzten Athem betten; dieweilen durch selbiges unsere ärgste Feind müssen erlegt werden; derhalben suchen sie mit so grossem Ernst un- ser Gebett zu verstören/ und alle unsere Auffmercksambkeit und Andacht in selbigem zu verhindern. Aber/ O GOtt! wer ist der/ dessen Gemüth zu Zeiten im Gebett nicht verstreuet wird? Der H. Vatter Franciscus straffe- te an sich die Verspreitungen der Gedancken im Gebett/ als ein grobe Sünd/ und pflegte selbige alsbald zu beichten. Da er nun einsmals die Tertz bette- te/ fält ihm das Fäßlein/ so er eben vorhin gemacht hätte/ in die Gedancken: dieses ergreifft er nach verrichtetem Gebett/ wirffs ins Feuer/ und sagt: siehe ich opffere dich dem jenigen auff/ dessen Opffer du verhindert hast Der H. Stephanus ein Cistertzienser Abt pflegte seinen Gedancken im Eingang zur Kirchen zu sagen: ihr meine Gedancken/ bleibt allhier biß ich wiederumb zurück komme/ alsdann meldet euch wiederumb an/ wanns nöthig ist. So ist dann dieses eine Kunst der Künsten/ daß der Mensch sei- ne gute Gedancken im Gebett also zu GOtt hefften könne/ daß sie nicht biß- weilen gestohlener Weiß auß dem Gemüth deß Bettenden sich entziehen. Jn dieser unser Unbeständigkeit und Armseeligkeit tröstet uns der Geistreiche Climaeus mit diesen Worten: Wann du bettest/ und alsdannGrad. 4. der Feind gar glimpfflich hinein wischet/ und dir die Jn- tention deines Gemuts heimlich wie ein Dieb entfrembdet/ so verzage doch nicht/ wofern du dich immer befleissest/ die schlifferige Gedancken wiederumb zum Stand zu bringen: dann dieses ist den Engeln GOttes allein gegeben/ daß sie von dergleichen Dieben befreyet seynd. 10. Dieweilen nun diesem also: als haben die H. H. Alt-Vätter für keiner M m m
Von dem Gebett noch bißweilen einige Ruhe gefunden wird; im Betten aber niemahlen: wirmuͤſſen biß zum letzten Athem betten; dieweilen durch ſelbiges unſere aͤrgſte Feind muͤſſen erlegt werden; derhalben ſuchen ſie mit ſo groſſem Ernſt un- ſer Gebett zu verſtoͤren/ und alle unſere Auffmerckſambkeit und Andacht in ſelbigem zu verhindern. Aber/ O GOtt! wer iſt der/ deſſen Gemuͤth zu Zeiten im Gebett nicht verſtreuet wird? Der H. Vatter Franciſcus ſtraffe- te an ſich die Verſpreitungen der Gedancken im Gebett/ als ein grobe Suͤnd/ und pflegte ſelbige alsbald zu beichten. Da er nun einsmals die Tertz bette- te/ faͤlt ihm das Faͤßlein/ ſo er eben vorhin gemacht haͤtte/ in die Gedancken: dieſes ergreifft er nach verrichtetem Gebett/ wirffs ins Feuer/ und ſagt: ſiehe ich opffere dich dem jenigen auff/ deſſen Opffer du verhindert haſt Der H. Stephanus ein Ciſtertzienſer Abt pflegte ſeinen Gedancken im Eingang zur Kirchen zu ſagen: ihr meine Gedancken/ bleibt allhier biß ich wiederumb zuruͤck komme/ alsdann meldet euch wiederumb an/ wanns noͤthig iſt. So iſt dann dieſes eine Kunſt der Kuͤnſten/ daß der Menſch ſei- ne gute Gedancken im Gebett alſo zu GOtt hefften koͤnne/ daß ſie nicht biß- weilen geſtohlener Weiß auß dem Gemuͤth deß Bettenden ſich entziehen. Jn dieſer unſer Unbeſtaͤndigkeit und Armſeeligkeit troͤſtet uns der Geiſtreiche Climaeus mit dieſen Worten: Wann du betteſt/ und alsdannGrad. 4. der Feind gar glimpfflich hinein wiſchet/ und dir die Jn- tention deines Gemůts heimlich wie ein Dieb entfrembdet/ ſo verzage doch nicht/ wofern du dich immer befleiſſeſt/ die ſchlifferige Gedancken wiederumb zum Stand zu bringen: dann dieſes iſt den Engeln GOttes allein gegeben/ daß ſie von dergleichen Dieben befreyet ſeynd. 10. Dieweilen nun dieſem alſo: als haben die H. H. Alt-Vaͤtter fuͤr keiner M m m
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Von dem Gebett
noch bißweilen einige Ruhe gefunden wird; im Betten aber niemahlen: wir
muͤſſen biß zum letzten Athem betten; dieweilen durch ſelbiges unſere aͤrgſte
Feind muͤſſen erlegt werden; derhalben ſuchen ſie mit ſo groſſem Ernſt un-
ſer Gebett zu verſtoͤren/ und alle unſere Auffmerckſambkeit und Andacht in
ſelbigem zu verhindern. Aber/ O GOtt! wer iſt der/ deſſen Gemuͤth zu
Zeiten im Gebett nicht verſtreuet wird? Der H. Vatter Franciſcus ſtraffe-
te an ſich die Verſpreitungen der Gedancken im Gebett/ als ein grobe Suͤnd/
und pflegte ſelbige alsbald zu beichten. Da er nun einsmals die Tertz bette-
te/ faͤlt ihm das Faͤßlein/ ſo er eben vorhin gemacht haͤtte/ in die
Gedancken: dieſes ergreifft er nach verrichtetem Gebett/ wirffs ins Feuer/
und ſagt: ſiehe ich opffere dich dem jenigen auff/ deſſen Opffer du verhindert
haſt Der H. Stephanus ein Ciſtertzienſer Abt pflegte ſeinen Gedancken
im Eingang zur Kirchen zu ſagen: ihr meine Gedancken/ bleibt allhier biß
ich wiederumb zuruͤck komme/ alsdann meldet euch wiederumb an/ wanns
noͤthig iſt. So iſt dann dieſes eine Kunſt der Kuͤnſten/ daß der Menſch ſei-
ne gute Gedancken im Gebett alſo zu GOtt hefften koͤnne/ daß ſie nicht biß-
weilen geſtohlener Weiß auß dem Gemuͤth deß Bettenden ſich entziehen. Jn
dieſer unſer Unbeſtaͤndigkeit und Armſeeligkeit troͤſtet uns der Geiſtreiche
Climaeus mit dieſen Worten: Wann du betteſt/ und alsdann
der Feind gar glimpfflich hinein wiſchet/ und dir die Jn-
tention deines Gemůts heimlich wie ein Dieb entfrembdet/
ſo verzage doch nicht/ wofern du dich immer befleiſſeſt/ die
ſchlifferige Gedancken wiederumb zum Stand zu bringen:
dann dieſes iſt den Engeln GOttes allein gegeben/ daß ſie
von dergleichen Dieben befreyet ſeynd.
Grad. 4.
10. Dieweilen nun dieſem alſo: als haben die H. H. Alt-Vaͤtter fuͤr
rathſamb befunden/ daß man furtze/ aber oͤfftere Gebett verrichte; wie der
H. Vatter Auguſtinus bezeugt und ſagt: Unſere Bruͤder in Ægypten haben
zwarn oͤfftere/ aber ſehr kurtze/ und/ wie man ſie nennet/ Schuß-Gebett; da-
mit die Jntention oder Meinung/ ſo da mit ſchuldiger Wachtſambkeit iſt
angefangen worden/ und dem bettenden hochnoͤthig iſt/ in dem langwirigen
Gebett nicht verſchwinde und gehemmet werde. Dieſe Manier zu betten
kombt von Unterrichtung deß Engels her/ welcher dem H. Pachomio zwoͤlff
mahl im Tag zu betten gerathet hat: und in dem ſich der H. Mann uͤber die all-
zugeringe Zahl deß Gebetts beklagt; hat ihm der Engel geantwortet/ daß er di-
ſerthalbẽ ſo weniges Gebett verordnet habe/ damit die anfangende deſto beſſer
und leichter in vollziehung ihrer Reguln ſich uͤbẽ moͤgtẽ; zumalẽ die Vollfm̃ne
keiner
Pallad.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/485>, abgerufen am 26.06.2024. |