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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Laster deß Fraaßes und der Trunckenheit.
erbietet sich auch mit halb lachendem Mund/ die Seel zu kauffen. Der Han-
del gehet an; sie werden deß Kauffs einig; der Kauffer zahlet mit bahrem Geld/
und die Seel wird ihm versprochen; man sauffet allerseits fein wacker drauff:
bey später Nacht sagt der Kauffman: ich mercke wohl/ der Wein erlegt uns;
und wir werden vom Schlaff überwältiget; es ist Zeit/ daß ein jeder nach Hauß
gehe. Jhr aber/ sagt er/ meine Gesellen/ sprechet das Vrtheil/ ob dem jenigen/ so
da ein Pferd kauffet/ auch der Zügel/ daran das Pferd gebunden gewesen/ zu-
gleich gebühre? Die versoffene Richter fehlen die Sententz und sagen/ das dem
Käuffer deß Pferds auch der Zügel zugleich verkaufft werde. Kaum ware
das Vrtheil gesprochen; siehe/ da greifft der vermeinte Kauffman seine Waar
mit grosser ungestümmigkeit an/ und führet den Gotts-lästerischen Bößwicht
mit Leib und Seel in die Höhe zur Gast-Stuben hinauß/ und/ wie billig zu
vermuthen ist/ in den Abgrund der Höllen hinab.

9. Ein schier gleiches Schaw-Spiel ist zu sehen gewesen im Jahr ChristiHistoria.
1595. den 14. Martii. An dem ein erschröckliche und ungeheure Mißgeburt
zur Welt gebracht worden; welche am vorderen und oberen Theil deß Leibs/
einem Menschen; am hinderen und unter Theil aber ist einer Schlangen
gleich gewesen; hat auch einen drey Elen-langen Schweiff gehabt; und hat
diese menschliche Schlang nicht länger gelebt/ biß sie das jenige verrichtet
hat/ darumb sie kommen ware. Es ware aber der Vatter derselben ein solcher
Schlemmer und Bößwicht/ daß er weder Gott/ weder die Menschen förch-
tete. Dieser gehet am Sontag in der Fastnacht Qinquagesima genand/ zum
Wirtzhauß/ umb daselbst dem Sauffen und Würffel-Spiel nach Gewon-
heit abzuwarten/ und sonst allerhand Bößheit zu verüben: ihm folgt aber sein
schwangeres Weib auff dem Fuß nach/ und bittet ihn er wolle doch das
Böse meiden/ und widerumb nach Hauß kehren: er aber schlagt nicht allein
die Reden seines Weibs in den Wind/ sonderen auch das arme Weib er-
bärmlich mit Fäusten/ und befilcht ihr/ sie solle mit dem Teuffel/ ihrem
Mann/ den sie im Leib trage/ nach Hauß gehe/ und lassen ihr denselben in
ihren Kinds-Nöthen beystehen: wofern sie aber nach alsbald gehorchen
würde/ so wolle er denselben den Degen biß ans Gefäß ins Leib stossen Hier-
auff antwortet das Weib/ und sagt: vermeinstu dann/ daß ich
einen lebendigen Teuffel bey mir habe? Wolan so sey es dann.
Weiters redet daß Weib kein Wort mehr/ sonderen lasset den Mann
bey seinen losen Gesellen/ gehet nach Hauß/ und gebähret zur Stund diese

grau-

Von dem Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
erbietet ſich auch mit halb lachendem Mund/ die Seel zu kauffen. Der Han-
del gehet an; ſie werden deß Kauffs einig; der Kauffer zahlet mit bahrem Geld/
und die Seel wird ihm verſprochen; man ſauffet allerſeits fein wacker drauff:
bey ſpaͤter Nacht ſagt der Kauffman: ich mercke wohl/ der Wein erlegt uns;
und wir werden vom Schlaff uͤberwaͤltiget; es iſt Zeit/ daß ein jeder nach Hauß
gehe. Jhr aber/ ſagt er/ meine Geſellen/ ſprechet das Vrtheil/ ob dem jenigen/ ſo
da ein Pferd kauffet/ auch der Zuͤgel/ daran das Pferd gebunden geweſen/ zu-
gleich gebuͤhre? Die verſoffene Richter fehlen die Sententz und ſagen/ das dem
Kaͤuffer deß Pferds auch der Zuͤgel zugleich verkaufft werde. Kaum ware
das Vrtheil geſprochen; ſiehe/ da greifft der vermeinte Kauffman ſeine Waar
mit groſſer ungeſtuͤmmigkeit an/ und fuͤhret den Gotts-laͤſteriſchen Boͤßwicht
mit Leib und Seel in die Hoͤhe zur Gaſt-Stuben hinauß/ und/ wie billig zu
vermuthen iſt/ in den Abgrund der Hoͤllen hinab.

9. Ein ſchier gleiches Schaw-Spiel iſt zu ſehen geweſen im Jahr ChriſtiHiſtoria.
1595. den 14. Martii. An dem ein erſchroͤckliche und ungeheure Mißgeburt
zur Welt gebracht worden; welche am vorderen und oberen Theil deß Leibs/
einem Menſchen; am hinderen und unter Theil aber iſt einer Schlangen
gleich geweſen; hat auch einen drey Elen-langen Schweiff gehabt; und hat
dieſe menſchliche Schlang nicht laͤnger gelebt/ biß ſie das jenige verrichtet
hat/ darumb ſie kommen ware. Es ware aber der Vatter derſelben ein ſolcher
Schlemmer und Boͤßwicht/ daß er weder Gott/ weder die Menſchen foͤrch-
tete. Dieſer gehet am Sontag in der Faſtnacht Qinquageſima genand/ zum
Wirtzhauß/ umb daſelbſt dem Sauffen und Wuͤrffel-Spiel nach Gewon-
heit abzuwarten/ und ſonſt allerhand Boͤßheit zu veruͤben: ihm folgt aber ſein
ſchwangeres Weib auff dem Fuß nach/ und bittet ihn er wolle doch das
Boͤſe meiden/ und widerumb nach Hauß kehren: er aber ſchlagt nicht allein
die Reden ſeines Weibs in den Wind/ ſonderen auch das arme Weib er-
baͤrmlich mit Faͤuſten/ und befilcht ihr/ ſie ſolle mit dem Teuffel/ ihrem
Mann/ den ſie im Leib trage/ nach Hauß gehe/ und laſſen ihr denſelben in
ihren Kinds-Noͤthen beyſtehen: wofern ſie aber nach alsbald gehorchen
wuͤrde/ ſo wolle er denſelben den Degen biß ans Gefaͤß ins Leib ſtoſſen Hier-
auff antwortet das Weib/ und ſagt: vermeinſtu dann/ daß ich
einen lebendigen Teuffel bey mir habe? Wolan ſo ſey es dann.
Weiters redet daß Weib kein Wort mehr/ ſonderen laſſet den Mann
bey ſeinen loſen Geſellen/ gehet nach Hauß/ und gebaͤhret zur Stund dieſe

grau-
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[447/0475] Von dem Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit. erbietet ſich auch mit halb lachendem Mund/ die Seel zu kauffen. Der Han- del gehet an; ſie werden deß Kauffs einig; der Kauffer zahlet mit bahrem Geld/ und die Seel wird ihm verſprochen; man ſauffet allerſeits fein wacker drauff: bey ſpaͤter Nacht ſagt der Kauffman: ich mercke wohl/ der Wein erlegt uns; und wir werden vom Schlaff uͤberwaͤltiget; es iſt Zeit/ daß ein jeder nach Hauß gehe. Jhr aber/ ſagt er/ meine Geſellen/ ſprechet das Vrtheil/ ob dem jenigen/ ſo da ein Pferd kauffet/ auch der Zuͤgel/ daran das Pferd gebunden geweſen/ zu- gleich gebuͤhre? Die verſoffene Richter fehlen die Sententz und ſagen/ das dem Kaͤuffer deß Pferds auch der Zuͤgel zugleich verkaufft werde. Kaum ware das Vrtheil geſprochen; ſiehe/ da greifft der vermeinte Kauffman ſeine Waar mit groſſer ungeſtuͤmmigkeit an/ und fuͤhret den Gotts-laͤſteriſchen Boͤßwicht mit Leib und Seel in die Hoͤhe zur Gaſt-Stuben hinauß/ und/ wie billig zu vermuthen iſt/ in den Abgrund der Hoͤllen hinab. 9. Ein ſchier gleiches Schaw-Spiel iſt zu ſehen geweſen im Jahr Chriſti 1595. den 14. Martii. An dem ein erſchroͤckliche und ungeheure Mißgeburt zur Welt gebracht worden; welche am vorderen und oberen Theil deß Leibs/ einem Menſchen; am hinderen und unter Theil aber iſt einer Schlangen gleich geweſen; hat auch einen drey Elen-langen Schweiff gehabt; und hat dieſe menſchliche Schlang nicht laͤnger gelebt/ biß ſie das jenige verrichtet hat/ darumb ſie kommen ware. Es ware aber der Vatter derſelben ein ſolcher Schlemmer und Boͤßwicht/ daß er weder Gott/ weder die Menſchen foͤrch- tete. Dieſer gehet am Sontag in der Faſtnacht Qinquageſima genand/ zum Wirtzhauß/ umb daſelbſt dem Sauffen und Wuͤrffel-Spiel nach Gewon- heit abzuwarten/ und ſonſt allerhand Boͤßheit zu veruͤben: ihm folgt aber ſein ſchwangeres Weib auff dem Fuß nach/ und bittet ihn er wolle doch das Boͤſe meiden/ und widerumb nach Hauß kehren: er aber ſchlagt nicht allein die Reden ſeines Weibs in den Wind/ ſonderen auch das arme Weib er- baͤrmlich mit Faͤuſten/ und befilcht ihr/ ſie ſolle mit dem Teuffel/ ihrem Mann/ den ſie im Leib trage/ nach Hauß gehe/ und laſſen ihr denſelben in ihren Kinds-Noͤthen beyſtehen: wofern ſie aber nach alsbald gehorchen wuͤrde/ ſo wolle er denſelben den Degen biß ans Gefaͤß ins Leib ſtoſſen Hier- auff antwortet das Weib/ und ſagt: vermeinſtu dann/ daß ich einen lebendigen Teuffel bey mir habe? Wolan ſo ſey es dann. Weiters redet daß Weib kein Wort mehr/ ſonderen laſſet den Mann bey ſeinen loſen Geſellen/ gehet nach Hauß/ und gebaͤhret zur Stund dieſe grau- Hiſtoria.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/475>, abgerufen am 22.11.2024.